Poseidon ist begeistert: Gerade hat Peisthetaria den Göttern freie Grenzen und grenzenlose Geschäfte garantiert, die Allianz steht, die Hochzeit kann gefeiert werden – im Wolkenkuckucksheim herrscht eitel Glück. Die Demokratie aber, sie ist auf der Strecke geblieben, gestorben im Eigennutz… Es ist ein überraschend aktuelles Stück, das da im antiken Römischen Theater zu Mainz zur Aufführung kam: 2.000 Jahre alt ist Aristophanes berühmte Komödie von den „Vögeln“, doch das „Theater in der Römischen Provinz“ macht daraus ein zeitloses Musical mit vielen Anspielungen auf die Moderne.
Das Ensemble des „Theaters in der Römischen Provinz“: Trudi Hartung, Karl Hartung, Paco Ortega, Werner Hartmann, Kevin Raupach, Hans-Uwe Klügel und Marie-Luise Thüne (Mitte): – Grafik: T.i.R.P.
Vergangenes Jahr erklangen zum ersten Mal seit der Antike wieder die klassischen Verse eines Dichters im Theaterrund am Mainzer Südbahnhof: Im antiken Römischen Theater zu Mainz brachte das „Theater in der Provinz“ Molières „Amphitryon“ zur Aufführung, es wurde ein magischer Theaterabend. Niemand Geringeres als der der große Komödiendichter Plautus hatte um das Jahr 200 vor Christus die Vorlage, und damit einen der größten Bühnenhits seiner Zeit geschaffen, in Mainz erwies sich: Nicht nur die antiken Steine des alten Theaterrunds stehen noch, sie funktionieren auch 2000 Jahre später noch bestens als Theater-Arena.
In diesem Jahr nun hatte sich das „T.i.P.“ einen der Großen der griechischen Dichterkunst vorgenommen: Aristophanes wurde um 450 vor Christus in Athen geboren, und obwohl er so ziemlich der berühmteste Komödiendichter der klassischen Antike ist, ist über ihn recht wenig bekannt. Er erhielt eine Ausbildung als Dramatiker, und er war ungeheuer produktiv: Mehr als 40 Werke werden ihm zugeschrieben, nur elf davon sind vollständig erhalten. Zu seinen berühmtesten und erfolgreichsten Werken gehörte das Stück „Die Vögel“, eine Persiflage auf die Zustände im antiken Athen um 414 vor Christus.
Pinguin, Flamingo und rheinhessische Hinkelscher
„In Athen gibt’s nur Ärscher“, lamentiert Euelpides, „jeder zerrt jeden vor Gericht, jeder will von jedem nur Geld!“ Also sind sie davongelaufen, der Athener Bürger Euelpides und seine Gefährtin Peisthetaria, auf der Suche nach einer besseren Welt und einem Ort, an dem sie in Ruhe leben können. „Wir wollen unseren Reichtum genießen, und ihn nicht an Steuern oder Prozesskosten verlieren“, erklärt Peisthetaria, und schon da kommt das Stück aus der Antike so modern daher, als hätte sich in 2.000 Jahren nichts geändert in der Menschenwelt.
Hinkelscher Trudi mit „Peise“ und „Euel“ im Hintergrund. – Foto: Desiree Hansmann
Um 414 vor Christus wurden „Die Vögel“ erstmals aufgeführt, „es war ein absoluter Bestseller zu der damaligen Zeit“, erklärt Marie-Luise Thüne, Chefin der Theatertruppe und gleichzeitig die Regisseurin. Es sei „gar nicht so schwierig gewesen, den Text in die Neuzeit zu übertragen“, bekannte Thüne gleich zu Beginn des Abends dem Publikum. Gekürzt, ein wenig abgeschliffen, und mit viel rheinhessischem Charme garniert, so kommt die Komödie aus der Antike in Mainz daher.
Da „tanzt, tanzt, tanzt“ der Flamingo auf einem Bein, der Pinguin schnarrt „Wo seid Ihr?“, das Huhn ist ein verrücktes rheinhessisches Hinkelscher – gespielt von Multitalent Trudi Hartung -, und der Priester beschwört natürlich köstlichen rheinhessischen Wein – keine Frage: Gott Jokus hält seine schützende Hand über dieses Theaterfest. Das kommt übrigens mit reichlich Musik daher, von „Somewhere over the Rainbow“ bis hin zu Liebesliedern an der Lerchenberg – ein halbes Musical bringt die kleine Theatertruppe auf die Theaterbühne.
Zoll & Eigennutz: Parodie auf Staat und Menschenwesen
Sieben Schauspieler widmeten sich in diesem Jahr der Parodie auf Staat und Menschenwesen, in dem zwei Athener vor den Zuständen in ihrer Heimat fliehen und im Reich der Vögel landen. Zwischen den Menschen und Göttern, im Reich der Wolken, gründen sie einen Staat, den tatsächlich schon Aristophanes „Wolkenkuckucksheim“ taufte. Und natürlich übernehmen die Menschen hier die Macht – also brauchen sie: Geld, Macht und Staatsbeamte – Steuereintreiber inklusive… „Der Staat ist wie ein Blutegel“, sagte sie Steuereintreiberin prompt, „du schüttelst ihn ab, und schon kommen neue…“
Zwei Athener auf der Suche nach dem glücklichen Leben: „Euelpides“ und „Peisthetaria. – Foto: Desiree hansmann
Denn Peisthetaria, die Machthungrige – wunderbar gespeilt von Marie-Luise Thüne -, erhebt flugs Zölle für die Götter, die zahlen müssen, wenn sie den Rauch der menschlichen Opfer empfangen wollen, und während die Vogel-Luftwacht den Himmel kontrolliert, darben die Erhabenen – bis sie, völlig ausgehungert, einen Deal mit der neuen Herrscherin machen… „Sie werden mich verehren, mich, die Herrscherin in ihrem Vogelreich“, seufzt Peiste glückselig, und von oben schallt das Krächzen der real existierenden Krähen vom sich rasant verdunkelnden Abendhimmel.
Tatsächlich zeigt sich wieder einmal, wie sehr sich Antike und moderne Zeiten vermischen, und das mitten in Mainz. Zur Götterdämmerung ziehen über dem antiken Bühnenrund tiefschwarze Wolken herauf, von der Zitadelle her untermalt Gipsy-Swing die antiken Verse, und wenn sich der Blick hinauf zu den Göttern hebt, fällt er auf die evangelische Lutherkirche, deren Giebel hoch über dem Römischen Theater genau die Höhe markiert, bis wohin einst die Sitzreihen des Bühnentheaters von Mogontiacum reichten.
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Theater in der Römischen Provinz gekürt, Frösche im Blick
In der Moderne lauschen 25 Gäste auf harten Holzpritschen und 10.000 Unsichtbare Römergardisten der Wiederauferstehung des antiken Theaters, während die Welt umher immer mehr versinkt im Kosmos der antiken Vogel-Parodie. Ja, Worte können beflügeln, und so wurde das „Theater in der Provinz“ ganz offiziell bei seiner Premiere von der Präsidentin der Unsichtbaren Römergarde wortreich geadelt: Das Wiedererwachen der Schauspielkunst in dem antiken Rund sei „ein gewaltiger Erfolg“, sagte Kathrin Dohle, die Schauspieler diejenigen, die Unsichtbares wieder sichtbar machten – und damit würdige Mitglieder der „Unsichtbaren Römergarde“.
Das römische Bühnentheater in Mainz wird nach 2000 Jahren wieder Schauplatz für Schauspiel. – Foto: gik
Dohle verlieh deshalb den sieben Schauspielern „sieben Orden, geschmiedet nicht aus Gold, sondern aus dem unsichtbaren Feuer und der Lebendigkeit unserer Garde“, wie die Präsidentin betonte – und kürte die Truppe zum „Theater in der Römischen Provinz“ und damit offiziell zur Theatergruppe der Unsichtbaren Römergarde. „Möge dieser Name Euch beflügeln, wie die Vögel des Aristophanes, und euch zugleich verwurzeln in dieser Stadt und in diesem Theater, das nach Jahrhunderten durch euch wieder zur Bühne geworden ist“, sagte Dohle.
Die Welt der Vögel aber wird immer mehr zum Kosmos der Menschen, denn wenn ein Mensch eine Stadt regiert, „der nur korrupt ist, und stets nur seinen eigenen Vorteil im Blick hat“, wie schon Aristophanes wusste, dann stirbt die Demokratie und wird zum Königreich, in dem auch die Götter käuflich sind. Denn was braucht man doch gleich wieder zum Herrschen? „Die Steuereintreiber, die Denunzianten und die Spekulanten“, sprach Aristophanes
Es dürfte nicht das letzte Mal sein, dass der antike Dichter in Mainz zu vernehmen war: „Wir haben mit den Vögeln unser Herz für Aristophanes entdeckt“, bekannte Thüne nach dem Ende der dritten und letzten Vorstellung vergangenen Donnerstag, und versprach: „Wie werden weiteres Stück spielen.“ Nach Mainz&-Informationen könnten das nächste Mal Frösche im Theater quaken… Blieb noch der Dank an Zeus, der die Wolken am Himmel im Zaun hielt – gut eine halbe Stunde nach Ende des Stücks öffnete der Himmel über Mainz seine Schleusen und sandte eine halbe Sintflut zur Erde.
Info& auf Mainz&: Mehr zum antiken Römischen Theater in Mainz könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Wer genau die „Unsichtbaren Römergarde“ ist, lest Ihr hier bei Mainz&.
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