Die Discokugel an der Decke wirft kleine Lichtpunkte auf die Plattenregale, Pflanzen hängen von der Decke, an den Wänden eine wilde Mischung aus Bildern. Ein gemütliches rotes Sofa lädt zum Sitzen ein, an der Theke wird gefachsimpelt. Auf einem Stehtisch steht ein großer Kuchen, es duftet nach Croissants und Sektgläser klirren. Ratzer Records ist zurück – als Ratzer Records & Beer.

„Hier gibt es die passende Musik zum passenden Bier“, sagt Arnulf Woock lachend. Gemeinsam mit Stéphane Clerc hat er den Kultladen übernommen, den Brigitte und Karl-Heinz Ratzer mehr als 40 Jahre lang geprägt haben. Die beiden waren selbst über Jahren treue Stammkunden und sind bekannte Gesichter der städtischen Musikszene. Schon im Sommer letzten Jahres begannen die Gespräche zu einer Übernahme, am 16. August war schließlich der letzte Tag der Ratzers.

Ein großes Erbe, neuer Schwung

Jetzt sind Woock, Pressesprecher des Konzertveranstalters Musiccircus, und Clerc, DJ und Kurator beim About Pop Festival, die neuen Besitzer. „Es ist ein großes Erbe“, sagt Wook, „die beiden haben eine Legende geschaffen. Wir wollen diese Essenz erhalten, den Laden wiedererkennbar machen – aber auch frischen Wind hineinbringen.“

Arnulf Woock und Stéphane Clerc haben den Plattenladen in Stuttgart übernommen. Foto: Lichtgut

Drei Wochen lang haben sie renoviert, gestern gab es ein Soft-Opening mit rund 50 Gästen, heute ist nun die offizielle Eröffnung mit Sekt und Kuchen. Nach und nach füllt sich der Laden. „Viele Stammkunden haben diesem Moment ungeduldig entgegengefiebert“, erzählt Wook. Viele hätten einen starken persönlichen Bezug zum Geschäft – manche seien schon als Teenager hierhergekommen, kaum dass das Taschengeld reichte.

Platten und Bier – das neue Konzept

Neu ist nicht nur die Einrichtung – luftiger, ohne CDs, dafür mit Sofa und Sitzecke –, sondern auch das Konzept. Links neben dem Eingang stehen Getränkekühlschränke, darin Flaschen lokaler Biere. „Das ist meine zweite Leidenschaft“, erzählt Woock, „eine Platte kaufen und dazu ein gutes Bier trinken.“ Auch alkoholfreie Varianten stehen bereit.

An den Plattenregalen bleibt das Stöbern trotzdem im Mittelpunkt: Verkauft wird nur Neuware, keine Klassik, dafür eine breite Auswahl von Soul über Jazz und Metal bis Elektro. „Eine Platte kostet durchschnittlich 20 bis 30 Euro, einige sind teurer“, sagt Clerc. Er ist überzeugt, dass Vinyl aktueller sei denn je: „Vinyl verjährt nicht. Der typische Käufer ist zwischen 40 und 50 – aber insgesamt ist das Publikum breit verteilt.“

Stammkunden erinnern sich an früher

Dass die neuen Besitzer vieles richtig gemacht haben, zeigt die Resonanz der Besucher schon am ersten Tag. Andreas Kolbai, 54, greift mit einem Glas Orangensaft in der Hand nach einer Platte. Früher war er Stammkunde in der Paulinenstraße. „Als Jugendlicher habe ich jeden Nachmittag im Plattenladen verbracht“, erzählt er. „Vinyl hat eben etwas Besonderes. Eine Platte mit einem Cover in der Hand zu halten – das kann man nicht mit dem Streaming von Musik vergleichen.“

Holger Vogt, 61, kennt Ratzer Records seit den ersten Tagen am Schlossplatz. Er ist mit den neuen Betreibern befreundet. „Die beiden haben ohnehin schon stressige Jobs – und trotzdem stemmen sie das hier. Sie haben meinen größten Respekt“, sagt er. Für ihn ist der Laden frischer, luftiger geworden. „Man erkennt ihn wieder, nur ist er eben anders eingerichtet.“

Erleichterung nach Wochen der Renovierung

Als Clerc seinem Freund Holger Vogt eine Platte empfiehlt, muss dieser grinsen: „Früher waren deine Platten-Empfehlungen neutral, jetzt haben sie etwas Verkäuferisches.“ Die Bemerkung löst bei allen schallendes Lachen aus. Clerc protestiert lachend: „Das war nur eine Empfehlung.“

Auch Agnes, die Partnerin von Stéphane Clerc, wirkt erleichtert, dass nach den intensiven Wochen der Vorbereitung endlich Leben im Laden ist. „Die beiden haben sich so darauf gefreut – und jetzt kommen sie endlich ins Doing“, sagt sie lächelnd.

Mehr als ein Plattenladen

Die Eröffnungsfeier ist nur der Anfang. Künftig soll Ratzer Records & Beers nicht nur ein Laden, sondern auch ein Treffpunkt für Musikliebhaber sein. Lesungen und kleine Konzerte sind geplant, die erste Veranstaltung ist am 26. September. Dann dürfte die Discokugel wieder funkeln – und mit ihr die Augen der stolzen neuen Besitzer. 

Ratzer Records & Beer

Adresse
Hauptstätter Straße 154, Stuttgart-Süd

Öffnungszeiten
Donnerstag 16-20 Uhr, Freitag 11-22 Uhr, Samstag 11-20 Uhr