„Zu wenige Junge auf zu viele Alte“

DIW-Chef legt nach: Boomer-Pflichtjahr auch bei Wehrdienst

Aktualisiert am 05.09.2025Lesedauer: 2 Min.

imago images 0822937668Vergrößern des Bildes

Marcel Fratzscher bleibt dabei: Angehöriger der Babyboomer-Generation sollen auch im Alter noch Dienst an der Gesellschaft leisten. (Archivbild) (Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich/imago)

Die Babyboomer haben nach Ansicht von DIW-Chef Fratzscher die „Friedensdividende verfrühstückt“. Sie sollen jetzt doppelt Dienst leisten.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, legt bei seiner Forderung nach einem Pflichtjahr für Senioren nach. „Die Boomer haben zu wenig Kinder bekommen. Darum müssen sie im Alter ein soziales Pflichtjahr leisten, damit die Sozialsysteme finanzierbar bleiben“, sagte er im Gespräch mit dem „Tagesspiegel.“

Er sprach sich auch gegen einen Wehr- oder Sozialdienst der jungen Generation aus. „Jetzt brauchen wir sie erstmal im Arbeitsmarkt, damit sie Rente, Gesundheit und Pflege der Älteren finanzieren können“, so Fratzscher. Die Generation Z könne ihr Pflichtjahr später absolvieren, wenn sie selbst im Seniorenalter sei. Er bekam neben viel Kritik auch positive Rückmeldungen für seinen Vorschlag zum Boomer-Pflichtjahr. „Ja, einige Babyboomer haben Zustimmung signalisiert. Viele sind fit, wenn sie in Rente gehen, und wollen eine sinnstiftende Aufgabe. 40 Prozent der 65- bis 70-Jährigen engagieren sich ehrenamtlich sozial“, sagte er.

Anders ist das aber für die Babyboomer. Die müssten laut Fratzscher auch dann ein Pflichtjahr leisten, wenn sie bereits in der Jugend Wehr- oder Ersatzdienst absolviert hätten. „Wenn man jetzt von den Jungen ein Pflichtjahr verlangt, dann fehlen die ein Jahr am Arbeitsmarkt.“ Der Chef des Wirtschaftsverbands selbst hat keinen Wehrdienst geleistet, weil bereits seine beiden Brüder zum Dienst verpflichtet wurden.

Fratzscher kritisiert auch die Rolle der Babyboomer bei den aktuellen Problemen. „Die Kriegsgefahr durch Putin besteht, weil die Älteren sich die Friedensdividende genommen haben“, sagte er. Zwar brauche die Bundeswehr mehr Soldaten, die Frage sei jedoch, „ob das nur mit Pflicht geht oder über Freiwilligkeit“.

Die Generation der Babyboomer habe die Friedensdividende „verfrühstückt“: „Sie hat bei den Verteidigungsausgaben gespart und sich einen höheren Lebensstandard gegönnt. Deshalb müssen wir jetzt fünf Prozent vom BIP für Verteidigung ausgeben, das sind circa 140 Milliarden Euro mehr als vorher“, rechnete der 1971 geborene Wirtschaftsfachmann.

Marcel Fratzscher sagte, Deutschland habe derzeit zwei besondere Probleme. Zum einen treffe die demografische Entwicklung das Land besonders stark, da zu wenige Junge auf zu viele Alte kämen. Zum anderen seien die Sozialsysteme nicht zielgenau ausgestaltet.

Er erklärte, Menschen mit niedrigen Einkommen würden im Schnitt sechs bis acht Jahre kürzer leben als Menschen mit hohen Einkommen. Damit zahlten ärmere Menschen am Ende für die Renten der Besserverdienenden mit. Dies müsse korrigiert werden, auch wenn das länger dauern werde.