Es gibt gewiss leichtere Aufgabe als die, die Holstein Kiel am 30. Spieltag der Fußball-Bundesliga zu lösen hat. Das Schlusslicht gastiert am Samstag, 19. April, um 15.30 Uhr beim Tabellenvierten RB Leipzig. Doch die „Störche“ haben keine Wahl. Wollen sie im Saisonendspurt noch den Relegationsplatz erreichen, müssen sie in Sachsen Zählbares einfahren. Auf Unterstützung ihrer Ultras müssen die „Störche“ dort verzichten, da diese das „Konstrukt RB Leipzig“ ablehnen und folglich die Partie boykottieren. Gemäß einer Angabe von Donnerstag (17. April) haben die Kieler rund 1500 Tickets für den Gästebereich der Red Bull Arena verkauft. Zu Beginn der Woche war noch von 1800 mitreisenden Anhängern die Rede.
„Wir müssen Punkte holen“, weiß KSV-Trainer Marcel Rapp, dessen Team vier Zähler Rückstand auf den Drittletzten Heidenheim wettzumachen hat. Weil die ersten Fans und Experten Holstein angesichts einer Minusserie (nur ein Sieg in zwölf Spielen) und eben dieses Rückstandes bereits abgeschrieben haben, betont der Coach, dass die Bewertung der Lage eine Frage der Perspektive sei: „Hätten wir jetzt in der 2. Liga vier Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz, würde die Stadt Kopf stehen – nach dem Motto: ,Ey, Kiel kann aufsteigen.‘“ Die Mannschaft wisse um die Ausgangssituation, so Rapp: „Es sind vier Punkte zur großen Sensation, und wir werden alles daransetzen, diese Sensation zu erreichen.“
„Laufen und kämpfen, so definieren wir uns.“
Marcel Rapp
Trainer Holstein Kiel
In Leipzig erwartet Holstein ein Team, das als spielstark gilt, aber auch überraschend viele Pluspunkte im Bereich der Zweikämpfe einsammelt. RasenBallsport steht im entsprechenden Ranking auf Platz 3 (2954 gewonnene Zweikämpfe) mit knappem Rückstand auf den VfL Bochum (2971) und den VfB Stuttgart (2959). Den Bronzerang nehmen die seit drei Wochen von Zsolt Löw trainierten Sachsen – der Ungar löste Marco Rose ab – auch im Bereich der Sprints ein (7007). Nur Bayer 04 Leverkusen (7131) und die KSV Holstein (7161) sind bislang noch häufiger im Eiltempo unterwegs gewesen als Leipzig.
Die Entscheidung im Hinspiel: André Silva, inzwischen als Leihspieler bei Werder Bremen aktiv, verwandelt einen äußerst fragwürdigen Strafstoß zum 2:0 für RB Leipzig bei Holstein Kiel.
Foto: imago/Susanne Hübner
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Ist am Samstag also Hochgeschwindigkeitsfußball zu erwarten? „Laufen und kämpfen, so definieren wir uns“, sagt Rapp. „Aber Leipzig ist ebenfalls intensiv, spielt gerne in die Zwischenräume und geht oft auf zweite Bälle.“ Zu gerne würde der 46-Jährige mit seinem Team an die Leistung im Hinspiel anknüpfen, in dem die „Störche“ eine richtig gute Leistung boten, gegen einen an diesem Tag biederen Champions-League-Teilnehmer aber völlig unverdient mit 0:2 den Kürzeren zogen.
Rambo-Aktion von Gulacsi wird nicht geahndet
Wut im Bauch habe er wegen dieser Niederlage aber nicht, so Rapp. „Die Wut richtete sich damals gegen den Schiedsrichter, ohne das jetzt weiter thematisieren zu wollen“, erinnert er indirekt an einen mehr als fragwürdigen Elfmeter, den seinerzeit Referee Florian Badstübner (Windsbach) nach einem handelsüblichen Zweikampf zwischen Holsteins Marvin Schulz und RB-Angreifer Lois Openda gepfiffen hatte, nachdem zuvor nach einer Rambo-Aktion von Leipzigs Torwart Peter Gulacsi gegen Phil Harres der fällige Strafstoßpfiff auf der Gegenseite ausgeblieben war. Der mittlerweile an Werder Bremen ausgeliehene André Silva verwandelte zum alles entscheidenden 0:2, den ersten Treffer für RB am Westring hatte Benjamin Sesko erzielt.
Xavi deutlich mehr wert als „ganz Holstein Kiel“
Apropos Treffer: Der Tabellenvierte hat bislang nur sieben Tore mehr geschossen als das Schlusslicht, ferner muss Leipzig am Karsamstag auf seinen wertvollsten Akteur, den wegen fünf Gelber Karten gesperrten Niederländer Xavi Simons, verzichten. „Er ist ein herausragender Spieler“, lobt Rapp den 21-Jährigen, dessen Marktwert aktuell mit 70 Millionen Euro taxiert wird. Zum Vergleich: Die komplette Holstein-Mannschaft bringt es zusammen auf einen Marktwert von knapp 47 Millionen Euro.
Bejubelte zuletzt beim 3:2 von RB Leipzig in Wolfsburg seinen neunten Saisontreffer, holte sich in der Volkswagenstadt aber auch seine fünfte Gelbe Karte ab und wird am Karsamstag fehlen: Xavi Simons. Der Niederländer hatte bereits das Hinspiel gegen Holstein Kiel verpasst, seinerzeit war er verletzungsbedingt ausgefallen.
Foto: imago/osnapix
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Der Ausfall von Xavi, so die im Sprachgebrauch gängige Kurzvariante des offensiven Mittelfeldspielers, führe dazu, so Rapp, dass Kiels Coach auf einen alten Bekannten treffen wird: Christoph Baumgartner. Der Österreicher nämlich könnte in der Startformation der Löw-Truppe den Niederländer ersetzen. „Den durfte ich sogar mal trainieren, den finde ich auch sehr gut“, sagt Rapp über Baumgartner, der im Hoffenheimer Nachwuchs zu den Fittichen des heutigen Holstein-Trainers zählte.
Ein Essen mit der Familie rundet Rapps Geburtstag ab
Für Rapp wäre ein Unentschieden oder gar ein Sieg in Sachsen ein schönes nachträgliches Geschenk, der gebürtige Pforzheimer wurde am Mittwoch (16. April) 46 Jahre alt. Im Kreis der Mannschaft und seiner Trainerkollegen sowie abends beim Essen mit der Familie habe er einen schönen Geburtstag gehabt, berichtet er. Ganz Profi fügt er flugs an: „Jetzt geht der Fokus aber aufs Wochenende. Wir wollen das Spiel gewinnen – mit allem, was wir haben. Und wir wollen mit der Unterstützung der Zuschauer alles auf dem Platz raushauen.“
Becker, Komenda und Skrzybski sind wieder fit
Neben den Langzeitverletzten Patrick Erras, Andu Kelati, Colin Kleine-Bekel und Ivan Nekic fehlt den „Störchen“ wegen einer Muskelverletzung weiterhin der etatmäßige Kapitän Lewis Holtby. Der zuletzt angeschlagene Steven Skrzybski hingegen hat in dieser Woche ebenso voll trainiert wie Timo Becker und Marco Komenda, die im Spiel gegen den FC St. Pauli (1:2) wegen Kreislaufbeschwerden ausgewechselt werden mussten.
Mehr Informationen:
Der nächste Holstein-Gegner: RB Leipziggrößer alsGrößer als Zeichen
Zwischenbilanz: Platz 4 mit 48 Punkten und 47:37 Toren (nach 29 Spielen)
Beste Torschützen: Benjamin Sesko (11), Lois Openda, Xavi Simons (je 9)
Beste Passquote: Willi Orban (91,22 Prozent)
Meiste gewonnene Zweikämpfe: Willi Orban (274)
Meiste gewonnene Kopfballduelle: Willi Orban (121)
Schnellster Spieler: Lois Openda (36,64 km/h)
Wertvollster Spieler: Xavi Simons (Marktwert 70 Mio. Euro)
Höchster Saisonsieg: 4:0 gegen den FC Augsburg
Höchste Saisonniederlage: jeweils 1:5 gegen den VfL Wolfsburg und beim FC Bayern München
Trainer: Zsolt Löw, im Amt seit 30. März 2025
Kapitän: Willi Orban