Für die Passanten im Tabakquartier mag es ein etwas verstörendes Bild gewesen sein. Da sitzt eine Gruppe von Menschen mit Kopfhörern auf weißen Sitzbällen auf einer Wiese und bewegen sich leicht auf und ab. Bis sie, wie auf ein Kommando hin, aufstehen und mit den Bällen umhergehen. Was Passanten sahen war allerdings tatsächlich nur ein Teil der Open-Air-Vorstellung der ANTZ! Audioperformance. Die Produktion wurde in den vergangenen Jahren bereits bei Festivals von Flensburg bis Tirol aufgeführt – und jetzt eben auch im Tabakquartier.
Eindringliche Texte und Soundcollagen
Die Audioperformance „ANTZ! Die Seele der purpurnen Ameise“ wurde von Katrin Bretschneider und Doris Weinberger entwickelt und handelt von der Analogie von Menschen- und Ameisengesellschaften. Mithilfe von eindringlichen Texten und komplexen Soundcollagen wird den Teilnehmern über Kopfhörer eine Welt offenbart, in der Grenzen zwischen Ameisen- und Menschengesellschaften verschwimmen und die Teilnehmer schon fast zum Teil eines Superorganismus werden – wenn die Teilnehmer sich denn auf die Reise einlassen.

Mit den Bällen gehen die Teilnehmer umher und versuchen, den gleichen Abstand zueinander zu halten. Foto: Marianne Menke
Das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft
Ausgangspunkt der Performance sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus der Ameisenforschung zu unterschiedlichen Aspekten von Gemeinschaft. ANTZ! lässt diese zu Inspirations- und Projektionsräumen werden. „Nimm deinen Ball und organisiere dich neu. Folge den Regeln des Ameisenschwarms: Los! Los geht’s!”, fordert die Stimme eindringlich auf und lässt die Teilnehmer selbst zu einem Teil der Performance werden. „Wie teilen wir unsere Ressourcen?“, fragt die Stimme, und „was bedeutet es, wenn Deine Entscheidung nicht mehr Deine Entscheidung ist, sondern von der Gemeinschaft für Dich getroffen worden ist, entschieden dadurch, was sie für nötig und sinnvoll erachtet?“ Im Mittelpunkt der Performance steht das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft. Begriffe wie Schwarmintelligenz, Superorganismus oder Ameisen-Algorithmus werden auf künstlerische Weise untersucht – mal verführerisch, mal verstörend. Nach den beiden Open-Air-Vorstellungen von ANTZ! ist erst einmal Pause. Im nächsten Jahr soll es im Sommer aber vielleicht weitere Aufführungen geben, stellt Bretschneider in Aussicht.
Bretschneider hat schon mehrere Audiowalks entwickelt
Zumindest Bretschneider ist in Bremen übrigens keine Unbekannte: Sie hat bereits zwei Audiowalks zur AG Weser und dem Überseehafen entwickelt, auf denen man vor Ort eine beeindruckende Zeitreise antreten kann. Die Audiowalks können mit dem eigenen Smartphone jederzeit an den jeweiligen Orten begangen werden und stehen auch auf www.katrin-bretschneider.de zur Verfügung. Im Rahmen ihrer Audiowalk-Trilogie „Bremer Orte im radikalen Wandel“ arbeitet sie gerade an einem Audiowalk über das Tabakquartier, der bis nächstes Jahr fertig sein soll.