Ausstellung fragt nach deutscher Identität
Ein Pärchen im Cabriolet, beide lässig mit Zigarette im Mundwinkel, er eine Sonnenbrille auf der Nase, sie ein Hündchen auf dem Schoß. Das Foto stammt aus Reinartz‘ Serie „Was ist Schönheit?“. Das Foto schoss er 1971 von einem Hamburger Bordstein aus.
Es ist nur eines von vielen Bildern, die man in der Erfurter Kunsthalle besichtigen kann: Die Fotografien sind verteilt über alle Etagen und bis in die verwinkelsten Räume. Die Ausstellung bietet Raum für Reinartz Auseinandersetzung mit der Frage nach der deutschen Identität.
Eindrücke aus DDR, BRD und der Welt
So gibt es beispielsweise Bilder von Berufstätigen aus beiden Teilen Deutschlands. Von Busfahrern, Krankenschwestern, Funktionären und Friseuren. Und solche von Übersiedlern. In West und Ost. Nach dem Mauerfall hat Reinartz zum Beispiel Gymnasiasten in Hagen und Wittenberge fotografiert. Zu seinen Arbeiten gehören auch Fotografien aus den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern unter dem Titel „totenstill“.
Daneben hängen in der Erfurter Schau auch Bilder vom Baikal, aus dem irischen Bürgerkrieg, dem New York der 70er Jahre und von seinen Reisen durch die us-amerikanische Provinz. Farbige Schnappschüsse, so wie sie sich heute inflationär auf jedem Smartphine finden – nur eben analog und ausgewählt. Außerdem werden Dias in der Kunsthalle präsentiert. Das sei besonders interessant für jüngere Generationen, so Kuratorin Susanne Knorr bei MDR KULTUR. Und meint diejenigen, „die vielleicht das Medium Dia nicht mehr kennen.“
Fotografie als Dokumentation von Misständen
Reinartz sei den Menschen zugewandt gewesen, erklärt Knorr. „Wir verorten solche Fotografien in den Bereich der humanistischen Dokumentarfotografie“. Die sei dadurch zu erkennen, dass Fotografen sich auf der einen Seite für die Missstände in der Gesellschaft interessieren, gleichzeitig aber auch eine empathische Haltung einnehmen. „Das ist etwas, was ihn und was seine Fotografie auszeichnet“, so die Kuratorin über Reinartz.
Die Schau bietet einen beeindruckenden Einblick in das Werk des großen deutschen Fotografen. Man wolle aber nicht nur ein Publikum ansprechen, dass sich für Fotografie begeistere, betont Kuratorin Knorr, sondern freue sich auch auf Besucher mit einem Interesse an Kulturgeschichte: „Letztendlich vielleicht auch ein Interesse für das, was Geschichte war und was Geschichte bringt.“ Das helfe schließlich immer, auch die Gegenwart ein bisschen besser zu verstehen.