Stand: 07.09.2025 10:09 Uhr
Düstere Liebesgeschichten gibt es schon lange. So beliebt wie jetzt waren sie aber noch nie. Das Genre Dark Romance wird geliebt und zugleich kritisiert.
Die Bücher von Leonie W. haben es in sich: Die 18-Jährige aus Peine schreibt Liebesgeschichten, aber rosarot sind diese keineswegs. Stattdessen geht es um Machtmissbrauch, Stalking, sexualisierte Gewalt. Und das passt zusammen im Buchgenre Dark Romance. Dieses hat den Buchmarkt inzwischen erobert, gerade bei jungen Altersgruppen. Befeuert wird dies auch durch soziale Medien wie BookTok, der Buch-Community bei TikTok. In den Büchern von Leonie W., so lautet ihr Autorenname, wird Sexualität – auch in Verbindung mit Gewalt – sehr explizit dargestellt. „Ich werde niemals sexuelle Gewalt romantisieren, aber ich werde das thematisieren. Es ist auch in jedem meiner Bücher Thema, aber es wird genauso brutal dargestellt, wie es ist“, so die Autorin.
Die Faszination des Verbotenen
Und weil das so ist, findet sich in jedem Buch auch eine sogenannte Triggerwarnung. Diese macht deutlich, welche Inhalte für Leserinnen und Leser problematisch oder sogar traumatisierend sein könnten. Leonie W.s Bücher sind erfolgreich, ihr neuester Roman auf der Spiegel Bestsellerliste. Mit diesem Erfolg ist sie nicht allein. Dark Romance boomt, füllt regelmäßig Bestsellerlisten, in großen Buchhandlungen gibt es inzwischen eigene Abteilungen. Auf Buchmessen wie in Leipzig oder Frankfurt sind riesige Stände zu sehen, auf denen Verlage Dark Romance prominent präsentieren. Dark Romance ist ein Subgenre von Romance- und New-Adult-Literatur, geschrieben speziell für die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen und dort auch besonders erfolgreich.
Dark Romance Bücher erst ab 18?
Zugleich zeigt sich aber, dass sich auch immer mehr Jugendliche unter 18 Jahren dafür interessieren. Das sorgt für viel Diskussion, vor allem in den sozialen Medien. Aber warum ist das so? Zum einen geht es um die Inhalte. In Dark Romance Büchern handelt mindestens ein Partner in einer romantischen Beziehung moralisch verwerflich, von Autor und Lesern „Love Interest“ genannt. Oft ist das der männliche Partner, aber nicht immer. Wiederkehrende Motive und Themen, sogenannte „Tropes“, sind unter anderem Stalking, Mafia, Serienkiller und Kidnapping. Die Sexszenen in den Büchern sind sehr explizit dargestellt, es werden Fetische erkundet und auch Vergewaltigungen dargestellt. Das Genre erntet deshalb auch immer wieder Kritik, zum Beispiel aus der BookTok-Community.
Leser können unterschiedlich reagieren
Kritisiert wird unter anderem, dass toxische Beziehungen und sexualisierte Gewalt in einigen Büchern des Genres romantisiert werden. „Bei Dark Romance geht es ja oft darum, dass am Ende dabei eine glückliche Liebesbeziehung rauskommt und jede Art von Gewalt vorher, ist danach völlig okay und das wird so selten irgendwo richtiggestellt,“ sagt Dr. Johanna Katharina Reichel, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Wurster Nordseeküste. Es gebe Leserinnen und Leser, die sich in dieser Welt ganz verlieren und deren Grenzen zerfließen. „Das passiert nicht allen, das passiert nur einzelnen Leuten, aber diese Gruppe von Leuten sind Menschen, die sowieso eher psychisch anfällig sind“, sagt Reichel.
Reflexion statt Verbote
Dark Romance könne die Wahrnehmung verändern, was normal ist in Beziehungen und was nicht, sagt die Fachärztin. Gerade bei jugendlichen Leserinnen und Lesern komme es deshalb darauf an, ob sie gelernt hätten, Fiktion von Realität zu unterscheiden und ein Bewusstsein für ihre eigenen Grenzen hätten. Die Fachärztin hält nichts von Pauschalkritik, aber es für sinnvoll, dass sich Eltern, wenn ihre Kinder Dark Romance lesen, selbst mit den Buchinhalten auseinandersetzen und ins Gespräch gehen. „In der Regel ist es sowieso so, dass Verbote nur dazu führen, dass die Leute das haben wollen“, sagt Reichel. Wichtig sei die Sensibilisierung, das nicht einfach völlig unkommentiert zu lassen.
BookTok-Hypes beeinflussen den Buchhandel
Im Buchhandel sei der Hype um Dark Romance deutlich zu spüren, sagt Frederick Wrensch, Inhaber einer Buchhandlung in Braunschweig: „Ich glaube einfach, dass die Leserinnen irgendwann auch gelangweilt waren und was Neue lesen wollten“. Gefühlt probierten es immer mehr aus. Die Kunden seien durch die Buch-Community auf TikTok, Instagram und YouTube oft bereits gut informiert, so Wrensch. Sie wüssten, welche Bücher sie kaufen wollten und würden wenig Beratung in Anspruch nehmen. Anders als bei Filmen und Computerspielen gibt es bei Büchern keine verpflichtende Altersfreigaberegulierung, deswegen kann ein Verkauf an Minderjährige nicht verboten werden. „Verlage kleben teilweise einen Aufkleber drauf, wo dann kenntlich gemacht wird, dass das Ganze ab 18 ist“, sagt der Buchhändler. Das sei aber eine Empfehlung. „Insofern, wir können diese umsetzen, sind aber nicht dazu gezwungen. Und wenn ein Kunde im Internet bestellt, ist es ohnehin wahnsinnig schwer, das zu kontrollieren, ob der Kunde wirklich 18 ist“.
Kontrolle bei Verkäufen schwierig
Autorin Leonie W. findet, dass man das ganze Genre nicht in einen Topf packen kann: „Es gibt verschiedene Dark Romance Bücher, verschiedene Autoren, verschiedene Geschmäcker.“ Altersbeschränkungen findet sie aber durchaus angemessen, je nach Inhalt der einzelnen Bücher: „Vor allem in Anbetracht dessen, was den Verkauf an Minderjährige angeht“. Sie befürwortet auch die Verpflichtung, die Trigger aufzulisten, „damit der Leser weiß, worauf er sich einstellen kann“. Bei Tiktok, einer der größten Werbeplattformen für Dark Romance, wird auch viel über das Thema Altersbeschränkung diskutiert.
Andere Seiten der weiblichen Lust entdecken
Zur Faszination für viele Leser gehört auch, dass sexuelle Vorlieben behandelt werden, die in der Gesellschaft noch immer als Tabu angesehen werden. Für die Literaturwissenschaftlerin Kjara von Staden von der Universität Bremen ist das sogar einer der Vorteile des Genres. Denn meist wird Dark Romance Literatur von Frauen für Frauen geschrieben. „Das ist schon ein Befreiungsschlag, gerade auch für Frauen, die ja literaturgeschichtlich leider immer unterdrückt wurden.“ Und das Genre werde von vielen Menschen gelesen: „Wenn so was passiert, hat ein Genre immer seine Daseinsberechtigung und dann gilt natürlich zu fragen, warum ist das so?“, sagt von Staden.
Dark Romance als Schulliteratur?
Forschung zu Dark Romance, auch zum Einfluss auf Jugendliche und junge Erwachsene, gibt es bisher kaum. Rückschlüsse lassen sich aber aus Forschung zu Pornografie und der Buchreihe „Fifty Shades of Grey“ ziehen. Sich mit dem Hype – gerade auch unter jungen Leserinnen und Lesern – auseinanderzusetzen, hält die Literaturwissenschaftlerin nicht nur bei Eltern für sinnvoll, sondern auch an Schulen zum Beispiel im Deutschunterricht. „Dass man dann darüber redet und versucht, das mit den Schülerinnen und Schülern einzuordnen: Was habe ich hier eigentlich? Man kann sich darüber auch super Geschlechterbilder anschauen“, sagt von Staden. Das Genre mit dem Blick auf minderjährige Leserinnen und Leser mehr in den Mittelpunkt von gesellschaftlichem Diskurs zu rücken, sehen Expertinnen und Autorin gleichermaßen als notwendig an.
Das Genre boomt, große Verlage springen auf den Trend auf. Was macht den Reiz von Dark Romance aus, welche Kritik gibt es – und wie bedenklich sind die Bücher mit drastischen Gewalt- und Sexszenen für junge Lesende? Von Nele Deutschmann.
Nicht selten geht es in dem Genre New Adult um sehr explizite Darstellung von Sexualität.