Dresden – Was läuft hier schief? Ein Neonazi (18) soll mit Kumpanen auf EU-Parlamentarier Matthias Ecke (42, SPD) losgegangen sein und ihn krankenhausreif geschlagen haben. 16 Monate sind seit der Tat vergangen, doch noch immer wurde den Tatverdächtigen nicht der Prozess gemacht
Zum Vergleich: Einem 59-Jährigen wird am 10. September nicht einmal drei Wochen nach einem Facebook-Post der Prozess gemacht. Er hatte Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (59) in einem Kommentar bedroht.
Der Tatort in Dresden-Striesen: Ermittler sichern Spuren nach dem Überfall auf SPD-Politiker Matthias Ecke
Foto: Thomas Fischer
Gericht schweigt zu Bummelei
Warum dauert es im Fall des EU-Politikers so lange? Laut Amtsgericht Dresden hat die „zuständige Richterin einen Verhandlungstermin bislang nicht bestimmt“, so Gerichtssprecher Wolfgang Blümbott (65). Dabei hat die Staatsanwaltschaft schon vor einem halben Jahr Anklage erhoben. Gründe für die Bummelei will die Justiz BILD nicht nennen.
LKA-Fahnder – hier zwei von ihnen bei einer Wohnungsdurchsuchung in Dresden – haben alle Tatverdächtigen nach nur wenigen Tagen ermittelt
Foto: Dirk Sukow
SPD-Politiker wurde im Wahlkampf attackiert
Der Überfall auf Matthias Ecke, der bundesweit für Entsetzen sorgte, geschah im Mai 2024 während des Wahlkampfes. Erst soll der Schlägertrupp um den Haupt-Beschuldigten Quentin J. den EU-Abgeordneten beim Plakatieren angegriffen, ihm Augenhöhle und Jochbein gebrochen haben. Weiterer Vorwurf: Danach schlugen und traten die Angreifer auf Grünen-Mitglied Felix S. (29) ein, der ebenfalls Plakate aufhing.
Der zum Tatzeitpunkt 17-jährige Quentin J. stellte sich danach im Beisein seiner Mutter im Revier Dresden-Süd der Polizei. Dabei soll er die Schläge gegen Matthias Ecke eingeräumt haben, machte aber seinerzeit keine weiteren Angaben ohne seine Anwältin.
„Zwei Beschuldigten liegt gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen zur Last“, so Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt (50). Einem dritten Jugendlichen wird Beihilfe vorgeworfen. Alle drei Tatverdächtigen sind inzwischen 18 Jahre alt.
Einer der Tatverdächtigen (Mitte). Die Polizei fasste die mutmaßlichen Prügler schnell. Keiner von ihnen saß in Untersuchungshaft
Foto: Dirk Sukow
Justizministerium ungewohnt deutlich
„In Jugendstrafsachen ist es sehr wichtig, dass zwischen der Tat und der Reaktion des Rechtsstaats möglichst wenig Zeit vergeht, um die erzieherische Wirkung der Sanktionen sicherzustellen. In dem angesprochenen Fall hat daher die zuständige Staatsanwaltschaft Dresden sehr schnell und mit Priorität ermittelt“, so ein Sprecher von Sachsens Justizministerin Prof. Constanze Geiert (49, CDU). Auf die Entscheidung des Gerichts hätte man aufgrund der „verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit“ keinen Einfluss.
„Die Justiz setzt hier nicht die richtigen Prioritäten“, sagt Geert Mackenroth (75), Landeschef vom Opferband Weißer Ring. Der frühere Richter am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht und spätere Justizminister in Sachsen: „Für die Opfer ist es traumatisierend, wenn sie so lange auf den Prozess warten müssen.“
Mehr zum Thema„Strafe folgt nicht auf den Fuß“
Je größer der Abstand zwischen Tat und Gerichtsprozess, umso milder fällt meist das Urteil aus, berichten Justiz-Insider. Auch SPD-Bundesvize Petra Köpping (67) kritisiert: „Das ist kein gutes Zeichen und frustriert den Bürger, hier folgt die Strafe nicht auf den Fuß.“
BILD sprach auch mit Prügel-Opfer Matthias Ecke. Er wollte sich „aufgrund des laufenden Verfahrens“ nicht äußern.