Washington/Brüssel – Donald Trump (79) macht Druck auf die europäischen Länder: Wenn sie der Ukraine helfen wollen, sollen sie endlich aufhören, russische Rohstoffe zu kaufen!

Wie BILD exklusiv berichtete, erhob Trump diesen Vorwurf am Donnerstag im Gespräch mit europäischen Staats- und Regierungschefs, darunter Kanzler Friedrich Merz (69, CDU). Die US-Seite hielt den Europäern vor, sie würden die russische Kriegskasse füllen, indem sie Öl direkt aus Russland oder indirekt via Indien kauften.

Hat Trump recht?

Fakt ist: Auch nach mehr als drei Jahren Ukraine-Invasion und 18 EU-Sanktionspaketen fließt noch reichlich Öl und Gas aus Russland in die EU!

Für insgesamt 21,9 Milliarden Euro wurden fossile Brennstoffe aus Russland zwischen Februar 2024 und Februar 2025 eingeführt, schätzt die finnische Energie-Denkfabrik CREA (Center for Research on Energy and Clear Air) – weitgehend unverändert zum Vorjahr (minus sechs Prozent im Wert, aber nur minus ein Prozent in der Menge).

Das Volumen habe sogar die 18,7 Milliarden Euro an EU-Finanzhilfen an die Ukraine (2024) übertroffen!

Beim Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten in Paris („Koalition der Willigen“) am Donnerstag umarmte Gastgeber Emmanuel Macron seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj

Beim Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten in Paris („Koalition der Willigen“) am Donnerstag umarmte Gastgeber Emmanuel Macron (47, r.) seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj (47)

Foto: Ludovic Marin/Pool AFP/AP/dpa

„Natürlich hat Trump recht“, sagt Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Nach China, Indien und der Türkei ist Europa die Nummer vier bei Importen von Öl und Gas aus Russland. Gleichzeitig kauft Europa u. a. Benzin aus Ländern wie Indien und der Türkei und damit auch indirekt russisches Öl“, erklärt er.

Fakt ist: Zwar sanken die Öl-Importe laut Eurostat im Vergleich zum Vorkriegsniveau drastisch von 14,06 Mrd. Euro (1. Quartal 2021) auf 1,13 Mrd. Euro (1. Quartal 2025). Doch die Sanktionen wirken nicht immer oder haben Lücken. Raffinierte Ölprodukte (Benzin, Diesel, Kerosin) gelangen weiter über Drittstaaten wie Indien nach Europa. Und Erdgas ist gar nicht mit Sanktionen belegt.

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„Weil es teuer ist“, sagt Experte Meister zu BILD. Einige Staaten seien stark von russischem Gas und Öl abhängig. Die EU könne sie nicht zwingen, ihre Importe einzustellen. Hinzu komme die Sorge, ein Total-Embargo würde die Mengen auf dem Weltmarkt verknappen, was die Rohstoffe für alle verteuern würde.

Trump war beim Treffen im Elysée-Palast aus Washington zugeschaltet

Trump war beim Treffen im Elysée-Palast aus Washington zugeschaltet

Foto: AP

Laut CREA floss ein Drittel aller Rohstoffimporte (Öl, Gas und Kohle) seit Januar 2023 nach Ungarn und in die Slowakei –zwei EU-Länder, deren Regierungen weiter kein Problem damit haben, sich von Russland beliefern zu lassen.

Doch im Juli 2025 überwiesen die fünf größten EU-Importeure russischer Rohstoffe insgesamt 1,2 Milliarden Euro nach Russland. Und zwei Drittel davon wurden nicht für Pipeline-Öl nach Ungarn und in die Slowakei gezahlt, sondern für Erdgas. Allein Frankreich importierte laut CREA Flüssiggas für 239 Mio. Euro.

EU könnte Putins Einnahmen um ein Fünftel kürzen

Insgesamt nahm Russland zwischen Februar 2024 und Februar 2025 durch seine Rohstoffausfuhren 242 Mrd. Euro ein, schätzt CREA. Das sind zwar deutlich weniger als die 356 Mrd. Euro in den ersten zwölf Monaten nach Kriegsstart (Februar 2022), aber nur acht Prozent weniger als in den zwölf Monaten vor dem Ukraine-Überfall im Februar 2022 (264 Mrd. Euro).

Laut Stefan Meister tragen diese Einnahmen mehr als 40 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung Russlands bei. „Die EU-Staaten haben einen relevanten Anteil daran“, erklärt Meister. „Wenn sie die EU-Sanktionslücken schließen und keine weiteren Rohstoffe gekauft werden, geht man davon aus, dass Russland 20 Prozent seiner Einnahmen verlieren würde.“

Stefan Meister ist Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Wegen seiner Expertise und langjährigen Erfahrung im Bereich Russland und Osteuropa gilt er als einer der profiliertesten Kenner des Fachs in Deutschland.