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Bürgergeld-Einsparungen von fünf Milliarden plant die Regierung. Der Bundesrechnungshof sieht dies skeptisch. Ein Experte bringt eine andere Lösung ins Spiel.
Berlin – Millionen Deutsche, die auf Bürgergeld angewiesen sind, warten gespannt auf den nächsten Schritt von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) macht Druck: „Die Bundesarbeitsministerin wird in den nächsten Tagen einen Vorschlag unterbreiten. Mit dem werden wir dann arbeiten“, sagte er der Rheinischen Post. Es gebe dazu eine klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag. „Und daran wird sich die Ministerin orientieren“, betonte Frei.
Bürgergeld-Empfänger warten auf den Vorstoß von Bärbel Bas. (Symbolbild) © dts Nachrichtenagentur/IMAGO/SymbolbildKürzungen beim Bürgergeld geplant, Bas-Vorschlag erwartet
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte nach dem Koalitionsausschuss am Mittwoch (3. September) angekündigt, dass Union und SPD „noch in diesem Jahr die wichtigsten Eckpunkte für eine solche Reform miteinander vereinbaren“ würden. Zuvor hatten er und Bas sich gegensätzlich über die Ausgabenlast des Sozialstaats geäußert: Merz hatte gesagt, er sei nicht mehr finanzierbar, Bas hatte dies als „Bullshit“ zurückgewiesen.
Die Bürgergeld-Kosten erreichen einen Rekordwert. Daher will Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ordentlich den Rotstift ansetzen: Mindestens fünf Milliarden Euro sollen eingespart werden. Das Bürgergeld soll durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden – mit schärferen Regeln und kürzeren Karenzzeiten. Frei hält die von Merz angepeilten Einsparungen gegenüber der Rheinischen Post für „sehr realistisch“. Die neue Grundsicherung soll „andere Karenzzeiten, andere Zumutbarkeitsregeln“ haben, „da gilt wieder der Vermittlungsvorrang“, erklärte er.
Bundesrechnungshof zweifelt an Sparplänen
Doch die Sparpläne stoßen auf massive Kritik: Der Bundesrechnungshof bezweifelt die Machbarkeit der geplanten Einsparungen beim Bürgergeld. „Es besteht die Gefahr, dass die Ansätze im Haushaltsentwurf 2025 für das Bürgergeld und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht auskömmlich sind“, warnen die Rechnungsprüfer. Die Zahlen seien ernüchternd: Um fünf Milliarden Euro zu sparen, müssten rein rechnerisch rund 600.000 Leistungsberechtigte vollständig aus dem Bürgergeldbezug ausscheiden. Bas‘ Ministerium und das IAB schätzen die realistischen Einsparmöglichkeiten auf etwa drei Milliarden Euro, deutlich weniger als Merz‘ Forderung von fünf Milliarden.
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Arbeitsmarktexperte Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dämpft ebenfalls die Erwartungen in einem Interview mit dem Spiegel: „Keine großen langfristigen Effekte hingegen hätte es, wenn man die Gelder direkt einsparen will, durch das Kürzen von Bürgergeldsätzen zum Beispiel“, sagte er dort.
Stattdessen überrascht der Volkswirtschaftsprofessor mit einem völlig neuen Ansatz: Weber schlägt eine komplette Reform des deutschen Sozialstaats vor. Das Problem sehe er so: Wer mehr arbeite, habe oft kaum mehr Geld in der Tasche, weil gleichzeitig Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag gekürzt werden würden. Seine Lösung: „Wir schlagen vor, diese Leistungen in ein System zu integrieren, in dem Sozialleistungen dann gleichmäßig abgeschmolzen werden, aber auf eine Art und Weise, dass sich mehr Arbeiten immer lohnt. Wer 100 Euro mehr verdient, verliert zwar 70 Euro an Sozialleistungen, hat aber auf jeden Fall 30 Euro mehr zur Verfügung“, so Weber in dem Interview.
Spardebatte: Haushaltslöcher werden immer größer
Die Spardebatte ist dringend nötig: Ab 2027 klaffen laut dpa riesige Löcher in den Bundeshaushalten. Der Bundesrechnungshof warnt derweil vor explodierenden Sozialausgaben: Bis 2029 soll der Sozialetat um weitere 29 Milliarden Euro pro Jahr wachsen. So ringt die schwarz-rote Regierung seit Wochen darum, wo gespart werden kann – möglicherweise müssen sogar Steuererhöhungen her. Immerhin eine gute Nachricht: Der Haushalt für das laufende Jahr steht fest.
Weber sieht den wahren Hebel für Einsparungen woanders: „Um Kosten zu senken, ist der größte Hebel immer, mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit in neue Jobs zu bringen“, erklärt er beim Spiegel. Möglich sei das aber nur mit mehr Wirtschaftswachstum und neuen Arbeitsplätzen. Die Chancen für Arbeitslose sind zuletzt drastisch gesunken. (jh/dpa)