DruckenTeilen
Julien Marissiaux, Initiator der Blockade gegen Macron, spricht im Interview über Gewerkschaften, Freimaurer und Investmentbanker
Die Anti-Truppe der „Essenziellen“ hat massig Zulauf in Frankreich. Ihre toxische Mixtur aus sozialem Aufbegehren, wirrer Paranoia und hartem Populismus zieht.
Herr Marissiaux, Sie wollen am 10. September in Frankreich „alles blockieren“. Was denn konkret?
Entschieden wird erst am Schluss und meist in lokalen Verbänden. Ein Aufruf geht dahin, nicht mehr mit Kreditkarte zu zahlen und die Auszahlung des Lohnes in bar zu verlangen. Zudem werden wir nicht arbeiten; wir machen frei, lassen uns krankschreiben. Die Verwaltung macht dicht, online füllen wir keine Formulare aus. Symbolische Gebäude wie Rathäuser werden besetzt, strategische Orte wie Treibstofflager gesperrt, Flughäfen lahmgelegt.
Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz AusschlussFotostrecke ansehen
Befürchten Sie dazu Krawalle wie zur Zeit der „Gelbwesten“?
Nein, Demonstrationen sind nicht vorgesehen. Wir halten solche Aufläufe für nutzlos. Sie enden meist in Gewalt, was es den Herrschenden und den etablierten Medien erlaubt, die Bewegung anzufeinden. So war es jedenfalls bei den Gelbwesten. Uns scheint es effizienter, Benzinlager zu blockieren oder einen Bank-Run mit einem kollektiven Rückzug der Gelder zu provozieren. Das macht mehr Druck.
Also kein Chaos in den Straßen von Paris? Das kann man sich kaum vorstellen.
Was wir wollen, geht viel weiter: Wir wollen das neokapitalistische System, das uns zerbricht und bestiehlt, aushebeln. Präsident Emmanuel Macron, ein früherer Investmentbanker, ist eine Marionette der EU und des Kapitals. Er hat für die Bürger nur Verachtung übrig. Aber die ganze Politikerklasse kassiert überrissene Bezüge, während wir Vertreter der unteren Klassen den Gürtel enger schnallen sollen, wie Premier François Bayrou sagt.
In Frankreich droht massiver Protest gegen Präsident Emmanuel Macron. (Archivbild) © LUDOVIC MARIN/AFP
Seine Regierung könnte unter dem Druck Ihrer Bewegung schon an diesem Montag fallen. Erstaunt Sie Ihr Einfluss?
Nein, wir sind zahlreich und stark. Aber die Frage, wen Macron als nächsten Premier ernennt, interessiert uns nicht besonders. Wichtig ist: Das System ist am Ende. Die Demokratie funktioniert nicht mehr, die politischen Parteien repräsentieren nicht einmal mehr zwei Prozent der Bevölkerung. Deshalb versuchen die Parteien und Gewerkschaften, auf unsere Bewegung aufzuspringen.
Vor allem die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Linksradikale Jean-Luc Mélenchon. Wem stehen Sie näher?
Niemandem! Wir sind eine hundertprozentige Bürgerbewegung, unabhängig von allen Parteien. Die wollen unsere Bewegung in einen Generalstreik verwandeln, aber wir lassen uns nicht vor den Karren politischer Interessen spannen. Wir sind – übrigens wie schon Charles de Gaulle – misstrauisch gegenüber den Parteien und politischen Organisationen.
Laut der Website der „Essentiels“ prangern Sie auch die Macht der Freimaurer an. Ein Feindbild für die Rechte.
Wir sind für politische Transparenz, wir lehnen Geheimbünde ab, bekämpfen politische Korruption. Die Entscheidungsgewalt muss wieder an das Volk übergehen. Wir sind nicht länger bereit, die Rolle von Unter-Bürgern zu spielen.