Zehn Stunden Stein, Staub und Schöpfung: In ihrer Werkstatt in Weisenbach zeigt Annegret Kalvelage, wie aus rohen Alabastersteinen persönliche Skulpturen entstehen.

Eine Frau steht an einem Stein und bearbeitet diesen mit einem speziellen Holzhammer und einem Meißel.

Im Atelier in Weisenbach lernen die Kursteilnehmer den Umgang mit den Werkzeugen zur Steinbearbeitung. Hier hat Künstlerin Annegret Kalvelage einen Knüpfel und einen Flachmeißel im Einsatz.

Foto: Miriam Mandt-Böckelmann

07. Sep 2025  |  08:00 Uhr

3 Minuten

Sanft, geradezu zärtlich streicht Annegret Kalvelage über den weiß-schimmernden Stein vor sich auf dem Arbeitstisch. Beim Reden fahren ihre Finger die einzelnen Konturen nach: Tastend, forschend. Dann greift sie zum runden Holzhammer, dem sogenannten Knüpfel, hält den Meißel an das Objekt und lässt ihre Energie, ihre Fantasie und Emotionen in das Werkstück fließen. Mit geübten Bewegungen schälen sich so Hammerschlag für Hammerschlag zwei Hände aus dem Stein. Es sieht leicht und doch kontrolliert aus, Handwerk und doch Kunst.

Teilnehmer lernen, wie aus Stein ein Kunstobjekt entsteht

Die Symbiose dieser beiden Welten will die Gernsbacher Bildhauerin auch den Menschen vermitteln, die ihre Wochenend-Kurse im Atelier in Weisenbach besuchen. Über rund zehn Arbeitsstunden lernen die Teilnehmer, wie aus einem unbehauenen Stein ein Kunstobjekt wird. „Es geht darum, den Umgang mit dem Werkzeug zu lernen, das man zur Bildhauerei braucht“, sagt Kalvelage. Denn auch hier gilt: Die beste künstlerische Fantasie und Idee sind nichts ohne die richtige handwerkliche Umsetzung. Und Technik will eben erlernt werden.

Das sieht man auch im beruflich-künstlerischen Werdegang der gebürtigen Ruhrpottlerin: Kalvelage machte eine Ausbildung zur Steinbildhauerin im Handwerk – und hatte Glück: Statt Grabsteinen durfte sie Vogeltränken aus Stein und Verzierungen hauen und konnte so ihrer Kreativität folgen. Lachend sagt die 56-Jährige: „Für mich existiert der rechte Winkel nicht.“

Skulpturen von Kalvelage prägen den öffentlichen Raum

Kalvelage wollte mehr: Sie studierte Kunst- und Baugeschichte in Karlsruhe. Danach absolvierte sie eine Technikerausbildung und arbeitete in der Denkmalpflege. 2007 machte sie sich mit einem eigenen Atelier als Freie Bildhauerin selbstständig und lebt seit 2011 im Murgtal. Neben der Arbeit im Atelier ist Kalvelage Dozentin und nimmt an Symposien teil. Ihre Werke sind im öffentlichen Raum zu sehen: zum Beispiel im schweizerischen Elm im Kanton Glarus oder auf dem Skulpturenweg im Pfinztal im Landkreis Karlsruhe.

Künstlerin arbeitet mit dem Material im kreativen Dialog

Den Schritt in die Selbstständigkeit habe sie nicht bereut, erzählt die Künstlerin. Im Gegenteil: „Es war wie eine Erweckung, weil ich endlich meiner Kreativität freien Lauf lassen konnte“, erinnert sie sich. Das will sie auch ihren Schülern vermitteln: „Ich bin mit einem Kunstwerk während der Entstehung in einem Dialog. Manchmal habe ich eine Idee im Kopf, trotzdem reagiere ich auf das, was mir das Werkstück hergibt“, erklärt die Bildhauerin. Gemeint sind besondere Farbverläufe im Stein oder Maserung und Risse im Holz.

Eine Haut „wie Alabaster“

Bildhauer-Kurse mit Alabaster gibt Kalvelage seit fünf Jahren. „Der gipsartige Stein ist relativ weich und leicht zu bearbeiten“, erklärt sie. Alabaster, der in Spanien und Italien abgebaut wird, hat eine lange Tradition: Schon im Barock galt als schön, wer eine „Haut wie Alabaster“ hatte. Gemeint war eine strahlend helle, glatte, ebenmäßige und zarte Haut mit einem seidigen Glanz. Dieser makellose Teint galt für adlige Frauen als ideal.

Auf einem Tisch liegen unbehauene Steinblöcke.

Am Anfang jeder Bildhauerei steht ein unbearbeiteter Stein. In diesem Fall Alabaster, ein relativ weicher Stein, der sich leicht mit verschiedenen Werkzeugen bearbeiten lässt.

Foto: Miriam Mandt-Böckelmann

Die Kurse sind gut besucht: Oft seien es auch Mutter-Tochter-Gespanne, die sich zusammen eine etwas andere Auszeit gönnten, so die Künstlerin. Zu Anfang jedes Kurses suchen sich die Teilnehmenden einen Stein aus, den sie dann bearbeiten. Diese sind bewusst nicht zu groß gehalten. „Ich möchte, dass jeder nach zwei Tagen sein fertiges Werk mit nach Hause nehmen kann und der Spaß an der Arbeit nicht auf der Strecke bleibt“, erklärt Kalvelage.

Wenn der Alabaster gewässert wird, ist das ein magischer Moment.

Annegret Kalvelage

Bildhauerin

Manche Teilnehmer hätten schon eine Idee im Kopf, andere brächten Fotos oder kleine Modelle als Vorlage mit. So entstehen relativ oft Frauentorsi, aber auch Erinnerungen an den geliebten Vierbeiner.

Magischer Moment lässt Farbenspiel der Steine erstrahlen

Die Reihenfolge ist immer gleich: Erst geht es an die grobe Arbeit, dann werden die Flächen geglättet. Und dann komme der große Moment: „Die Steine werden ins Wasser gelegt und zeigen mit einmal ihre ganze Farbigkeit und Schönheit“, sagt die Künstlerin. Das sei ein „magischer Moment“ für die Teilnehmer und bestätige diese in ihrem Weg.

Aus einem hellen Stein sind zwei Hände gehauen worden, die ineinander liegen.

Alabaster ist ein heller Stein, der geradezu durchscheinend wirkt. Hier hat Künstlerin Annegret Kalvelage mit der Ausarbeitung zweier Hände begonnen. Die Kursteilnehmer setzen ihre eigenen Ideen um.

Foto: Miriam Mandt-Böckelmann

Manche seien am Anfang des Kurses unsicher: „Kann ich das wirklich?“ Diese Frage stellten sich viele. Dabei gebe es in so einem Anfängerkurs kein Richtig und kein Falsch, kein Schön und kein Hässlich. Jedes Werkstück habe seine Berechtigung, eine Bewertung gebe es auch in der Gruppe nicht.

„Bei der Arbeit geht es darum, sich fallen zu lassen und in einen Flow zu kommen. Dadurch entsteht eine ganz besondere meditative Stimmung“, hat Kalvelage festgestellt. Durch die Arbeit mit dem Stein entdecke man eine andere, tiefere Bewusstseinsebene. Man beschäftigt sich mit sich selbst, mit seinen eigenen Gefühlen.

Der Beginn einer neuen großen Liebe?

Und das Ergebnis? Das kann der Anfang einer neuen, großen Liebe sein. „Ich würde mich natürlich freuen, wenn die Teilnehmer meiner Kurse auch Zuhause weitermachen. Das Rüstzeug dafür möchte ich ihnen an die Hand geben.“

Service

In Zusammenarbeit mit der VHS Rastatt findet am Samstag, 11. Oktober, und Sonntag, 12. Oktober 2025, jeweils von 10 bis 16 Uhr der Kurs „Bildhauerei mit Alabaster“ in Kalvelages Atelier in Weisenbach statt. Weitere Infos und Anmeldung unter www.vhs-landkreis-rastatt.de oder telefonisch 07222 3813500.

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