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Dublin – Ryanair zieht den Stecker – und das laut und deutlich! Chef Eddie Wilson geht frontal auf Deutschland los. Der Billigflieger verlagert immer mehr Flugzeuge ins Ausland. „Deutschland ist weitgehend unrentabel geworden“, sagt Wilson.
Der deutsche Luftverkehr sei nach Corona der am zweitschlechtesten erholte in Europa. Noch immer liege das Aufkommen hier 11 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau.
Steuern und Gebühren treiben Airlines raus
Die Kosten in Deutschland machen Ryanair wütend. Wilson listet auf: Luftverkehrsteuer, Sicherheitssteuern, Flugsicherungsgebühren (ATC-Gebühren). Alles stark gestiegen. „Die meisten europäischen Länder haben keine Luftverkehrsteuer“, betont er. Deutschland sei „der am schlechtesten abschneidende Luftverkehrsmarkt in Europa“.
Ein Beispiel Berlin: Für eine Landung fallen 55 Euro pro Passagier an sowie eine staatliche Sicherheitssteuer von etwa fünf Euro. Dazu kommen ATC-Gebühren von 220 Euro und weitere Flughafengebühren. Ryanairs Durchschnittspreis liegt nur knapp über 50 Euro. „Warum sollten wir nach Deutschland, wenn unser Durchschnittspreis für diese nicht wettbewerbsfähigen Gebühren knapp über 50 Euro liegt?“, fragt Wilson.
Eine Million Passagiere weniger
Die Konsequenzen: Ryanair kürzt drastisch. In Berlin sind es 20 Prozent weniger Flüge, in Hamburg sogar 60 Prozent. Auch Leipzig, Dresden und Dortmund spüren den Abzug. „Das bedeutet, dass eine weitere Million Passagiere wegfallen werden“, kündigt Wilson an.
Am Flughafen BER hat Ryanair sein Flugprogramm zusammengestrichen
Foto: Getty Images
Nicht nur Ryanair schrumpft. Auch Lufthansa, Eurowings und EasyJet haben ihre Flotten in Deutschland verkleinert. Insgesamt sind schon rund 60 Maschinen aus dem Land verschwunden. Ganz anders in Ländern wie Italien, Schweden oder Polen, die Steuern senkten – und Airlines so anlockten. „Sie sollten nach Norden schauen, zu Orten wie Schweden, wo sie ihre Luftverkehrssteuern abgeschafft haben, und dass wir unsere Kapazität in diesem Land um über 30 Prozent erhöht haben“, sagt Wilson.
BER bleibt Sorgenkind
Besonders hart geht Wilson mit dem Flughafen Berlin-Brandenburg ins Gericht. „Fünf Milliarden Euro wurden dafür ausgegeben. Er ist halb leer“, kritisiert er. Der BER sollte das Tor zur Hauptstadt sein, lockt aber kaum Airlines an. Die Erholung liegt dort nur bei 77 Prozent, im Juli sogar bei 71 Prozent. Zum Vergleich: Dublin hat 34 stationierte Ryanair-Jets – Berlin nur acht. EasyJet zog 23 Maschinen ab.
Auch Düsseldorf, Hamburg, Köln/Bonn und Stuttgart liegen noch weit unter dem Vor-Corona-Niveau. Wilson fordert ein Umdenken: „Es gibt aber keinen Appetit, etwas zu ändern.“ Besser läuft es an kleinen Regionalflughäfen wie Dortmund, Hahn oder Memmingen. Dort boomen die Passagierzahlen, weil die Kosten niedriger sind.
Chaos in der Flugsicherung
Nicht nur die Flughäfen, auch die Flugsicherung steht am Pranger. Ein Ryanair-Bericht spricht von „21 Millionen Ryanair-Passagieren“, die 2025 unter Verspätungen und Ausfällen leiden – wegen Personalmangel und Systemausfällen.
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Wilson sagt: „Ich kann nicht verstehen, warum es immer noch eine Überraschung ist, dass der Flugverkehr zunimmt.“ Er fragt direkt: „Warum können sie nicht genug Fluglotsen einstellen und sie dazu bringen, zur Arbeit zu gehen?“ Ein Beispiel für das Chaos: In Karlsruhe/Baden-Baden wurde ein Kontrollzentrum eröffnet, aber „leider wollte keiner der Fluglotsen dort arbeiten“.
Auch die Nachtflugregeln ärgern ihn. Schon eine Minute nach 23 Uhr darf keine Maschine mehr starten. Fast 200 Passagiere müssen dann warten oder umgeleitet werden. Wilson: „Lasst uns ein bisschen gesunden Menschenverstand haben“ und das „Gleichgewicht der Bequemlichkeit wiederherstellen“.
Auch die Flugsicherung ist Ryanair-CEO Wilson ein Dorn im Auge: Wegen einer Minute Verspätung werden Flüge umgeleitet, versursachen Lärm und verbrauchen unnötig Kerosin
Foto: Boris Roessler/dpa
Hoffnung bleibt – unter Bedingungen
Trotz aller Kritik zeigt sich Wilson nicht völlig hoffnungslos. Ryanair könnte die günstigen Preise und Pünktlichkeit bringen, die Deutsche mögen. Doch dafür müssten die Kosten sinken und Flughäfen flexibler werden. Denn Ryanair will massiv wachsen – von 200 auf 300 Millionen Passagiere. Wilson fragt die deutschen Flughäfen direkt: „Wollen Sie davon etwas oder nicht?“ Die Gefahr: Andere Länder greifen zu.
Er zieht einen Vergleich: „Es ist, als hätte man eine verdammte Autobahn und jemand beschließt, eine Spur zu öffnen, um mehr Geld zu verdienen, während drei andere geschlossen bleiben.“ Jemand müsse die Flughäfen „entsperren“.
Unterdessen setzt Ryanair selbst auf Neuerungen: Das Mitgliedsprogramm „Prime“ hat schon fast 50.000 Kunden. Ziel sind 100.000 in zwölf Monaten. Papiertickets verschwinden bis November. Stehsitze? „Nein, im Moment nicht“, winkt Wilson ab.
Trotz seiner scharfen Kritik: Wilson liebt Deutschland privat – vor allem den Hunsrück. Er verbrachte hier Urlaube, Geburtstage und Weihnachten. Sein Fazit: „Deutschland bietet ein großartiges Preis-Leistungs-Verhältnis und ist als Reiseziel unterschätzt.“
Nur die Anreise per Flugzeug bleibe für ihn ein Problem.