Die US-Ölindustrie hat aufgrund niedrigerer Ölpreise und der größten Konsolidierungswelle einer Generation Tausende Arbeitsplätze gestrichen und Investitionen in Milliardenhöhe gekürzt. Dies könnte das Ende des rasanten Produktionswachstums bedeuten, das die USA zum weltweit größten Ölförderer gemacht hat.

Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und ihre Verbündeten in der OPEC+-Gruppe erhöhen derzeit die Fördermengen, um Marktanteile zurückzugewinnen, die in den vergangenen Jahren an die USA und andere Produzenten verloren gingen. OPEC+ einigte sich am Sonntag darauf, die Produktion ab Oktober um weitere 137.000 Barrel pro Tag zu steigern.

Diese Erhöhungen haben die internationalen Ölpreise in diesem Jahr um rund 12 % sinken lassen – auf ein Niveau, das für viele US-Ölunternehmen kaum noch kostendeckend ist. Das führte zu Kürzungen bei Investitionen und Personal, die laut Branchenvertretern die Förderung bremsen könnten.

Ein Plateau oder gar Rückgang der Produktion würde den Einfluss der USA auf den Weltmarkt schäwchen und die Energie-Dominanzagenda von US-Präsident Donald Trump in Frage stellen. ConocoPhillips – der drittgrößte Ölproduzent der USA – kündigte vergangene Woche an, bis zu 25 % der Belegschaft zu entlassen. Bereits im Februar hatte Konkurrent Chevron Ähnliches verkündet und den Abbau von 20 % der Belegschaft, etwa 8.000 Jobs, angekündigt.

Der Ölfeld-Dienstleister SLB reduzierte bereits Anfang des Jahres seine Mitarbeiterzahl, während Halliburton in den vergangenen Wochen Personal abbaute. Sinkende Ölpreise und steigende Kosten haben 22 börsennotierte US-Produzenten, darunter Occidental Petroleum Corp, ConocoPhillips und Diamondback Energy, laut einer Reuters-Analyse der Quartalsergebnisse dazu veranlasst, ihre Investitionen um 2 Milliarden Dollar zu kürzen. Die Analyse schloss die Ölgiganten Exxon und Chevron aus.

Die Zahl der aktiven Ölbohrinseln in den USA – ein Indikator für künftige Aktivität – ist laut Baker Hughes in diesem Jahr um etwa 69 auf 414 gesunken.

„Wir sind von ‚drill, baby, drill‘ zu ‚wait, baby, wait‘ im Permian-Becken übergegangen,“ sagte Kirk Edwards, Präsident von Latigo Petroleum aus Texas, mit Blick auf das größte Ölfeld der USA.

Der Markt brauche Ölpreise von konstant 70 bis 75 Dollar pro Barrel, damit die Bohrtürme wieder anlaufen, so Edwards. Am Montag notierten US West Texas Intermediate Futures bei 62,15 Dollar je Barrel, nach einem Schlusskurs von 61,87 Dollar am Freitag.

„Das hat verheerende Auswirkungen auf die inländische Beschäftigung und wird letztlich auch unsere Produktion treffen,“ sagte Edwards. „Irgendwann wird das Produktionswachstum der USA stagnieren und dann abnehmen – aber OPEC wird diese Mengen ersetzen.“

Viele Analysten prognostizieren bereits einen Rückgang der Produktion vom Rekordniveau von 13,2 Millionen Barrel pro Tag, das 2024 dank der Schieferöl-Revolution erreicht wurde.

Das Forschungsunternehmen Energy Aspects erwartet, dass die US-Förderung an Land 2025 um 300.000 Barrel pro Tag gegenüber dem Vorjahr sinken wird. Die Konkurrenzfirma Wood Mackenzie rechnet mit einem Wachstum von 200.000 Barrel pro Tag aus den Lower 48-Staaten – der geringste Anstieg seit 2021, als die Nachfrage durch COVID-19 einbrach.

Laut US-Energiebehörde EIA lag die wöchentliche Produktion aus den Lower 48-Staaten Ende August bei rund 13,4 Millionen Barrel pro Tag, unter dem Höchststand von 13,6 Millionen Barrel im Dezember letzten Jahres.

„Das ohnehin bescheidene Wachstum der Ölförderung wird sich weiter verlangsamen, da die Aktivität auf niedrigerem Niveau stabilisiert und die Betreiber den Fokus stärker auf Effizienz und Kapitaldisziplin legen,“ schrieben die Energy-Aspects-Analysten Jesse Jones und Paola Romero in einer Notiz.

Stillstehende Ausrüstung, weniger Jobs

Während US-Betreiber Bohrtürme stilllegen, ist auch die Zahl der eingesetzten Frac-Spreads – also der Ausrüstung zum Aufbrechen von Gestein und Fertigstellen von Bohrungen – laut der Marktberatung Primary Vision in diesem Jahr um 39 auf 162 gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Februar 2021.

„Man kann nicht 60 Bohrtürme und 20 bis 30 Frac-Spreads in drei Monaten aus dem Permian entfernen, ohne dass sich das irgendwann auf die Produktion auswirkt,“ sagte Diamondback-Energy-CEO Kaes Van’t Hof im August bei der Ergebnisvorlage.

„Bei der anhaltenden Volatilität und Unsicherheit sehen wir keinen Grund, die Aktivität in diesem Jahr zu steigern,“ fügte er hinzu.

Trumps Handelspolitik und Zölle haben zudem die Preise für Materialien wie Stahl und Hülsen in die Höhe getrieben. „Es gibt Anzeichen für aufkommende Inflation, Zölle wirken sich aus – damit wird die Weltwirtschaft langsamer und die Nachfrage sinkt,“ sagte ConocoPhillips-CEO Ryan Lance am Donnerstag bei einer Betriebsversammlung.

Diamondback, ein weiterer großer Bohrer im Perm-Becken, erwartet, dass die Kosten für Stahlhülsen für Bohrungen bis 2025 um fast 25 % steigen werden, da Trumps Stahlzölle greifen. Das erhöht die Gewinnschwelle praktisch jeder Bohrung in den USA in diesem Jahr.

Das Unternehmen gab an, dass die Betriebskosten auf 35 % der Gesamtausgaben gestiegen seien, verglichen mit etwa 20 % in der Vergangenheit.

In einer Videobotschaft an die Belegschaft zu den Kündigungen sagte ConocoPhillips, die beeinflussbaren Kosten seien seit 2021 um etwa 2 Dollar auf 13 Dollar pro Barrel gestiegen – was den Wettbewerb erschwere.

„Die Zölle haben ein gewisses Maß an Unsicherheit eingeführt, und das zeigt sich bei international beschaffter Ausrüstung zusammen mit einem Inflationstrend,“ hieß es im August bei der Ergebnisvorlage des Unternehmens.

Die Zahl der Jobs in der US-Öl- und Gasproduktion sank in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 4.700, wie Statistiken des texanischen Arbeitsmarktes zeigen. Die Zahl der Arbeitsplätze im Energiesektor insgesamt sank laut einem Bericht des Energy Workforce & Technology Council bis August um etwa 23.000 auf 628.062.

Zwar haben verbesserte Bohrtechniken es den Unternehmen ermöglicht, Bohrtürme abzubauen und die Produktion dennoch stabil zu halten, doch laut Analysten reichen diese Verbesserungen nicht aus, um die Ölförderung an Land weiter steigen zu lassen – oder auch nur konstant zu halten.

„Die Politik der Trump-Regierung begrenzt die Bohrtätigkeit an Orten, an denen Potenzial für mehr Angebot und Produktivität besteht,“ sagte Josh Young, Chief Investment Officer der Energie-Investmentfirma Bison Interests.