Anfang August sorgte eine Nachricht aus dem Zoo Leipzig für viel Aufregung: Drei neugeborene Tiger mussten kurz nach ihrer Geburt eingeschläfert werden, weil ihre Mutter aufgehört hatte, sich um sie zu kümmern. Eine Handaufzucht kam für den Zoo nicht infrage. Die Begründung: Nur die Aufzucht durch die Mutter sichere ein natürliches Verhalten ohne Fehlprägungen. Die Entscheidung sollte den Tieren weiteres Leid ersparen (wir berichteten).
Aber wie sieht das Ganze aus der Sicht eines Tierarztes aus? Thüringen24 hat mit dem Tierarzt Volker Jähnig gesprochen, dem Vizepräsident der Sächsischen Landestierärztekammer, der ebenfalls einen Tigerbestand betreut. Er hat eine klare Meinung zu der Entscheidung des Zoos.
Zoo Leipzig: Die Tötung war alternativlos
Volker Jähnig hält die Entscheidung voll und ganz für gerechtfertigt. Gegenüber Thüringen24 erklärt er: „Ein von der Mutter nicht weiter betreuter Wurf sollte nicht per Hand aufgezogen werden. Es kommt dann zu Fehlprägungen auf den Menschen, die der natürlichen Lebensweise des Tigers nicht entsprechen würden.“ Solche Tiere seien später kaum mit anderen Tigern vergesellschaftbar und somit nicht für eine Vermittlung in andere Zoos geeignet. „Handaufzucht stellt heute nur in speziellen Einzelfällen und bei bestimmten Arten eine Alternative dar. Sowas wird in Zirkussen gemacht“, erklärt Jähnig. In modernen Zoos wolle man dagegen möglichst naturnah arbeiten.
Wir fragen uns: Hätte man die Tiere auch an einen Zirkus vermitteln können? „Theoretisch ja, praktisch nein“, sagt Volker Jähnig. Der Grund: Die Haltung von Großsäugern gehe in Zirkussen deutlich zurück. „Das ist auch gut so, weil die Haltungsbedingungen schlechter sind.“ Eine praktische Option für den Zoo Leipzig wäre das also nicht gewesen.
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Dass eine Tiger-Mutter ihren Wurf annimmt, sei ein Prozess, der durch viele mögliche Störfaktoren negativ beeinflusst werden kann. „Es ist davon auszugehen, dass der Zoo alle Bedingungen optimiert hat, um eine Annahme des Wurfs durch die Mutter zu fördern“, erklärt der Experte und ergänzt: „Aber da gibt es eben keine Sicherheit.“ Dieses Verhalten sei nicht nur bei Tigern zu beobachten, sondern auch bei Hunden – oder sogar bei Menschen: „Bei jungen Frauen kommt es auch vor, dass sie ihr Kind nicht annehmen.“
„Von Schuld zu reden verbietet sich“
Für die Tiger-Mutter könnte die Erfahrung bei einem nächsten Wurf hilfreich sein. „Beim nächsten Mal ist die Tiger-Mama älter und erfahrener und geht vielleicht besser und erfolgreicher mit ihrem Nachwuchs um. Alle Pfleger werden das sicher so gut wie möglich unterstützen.“
Anderen Zoos, die in derselben Situation sind, haben wenig Handlungsspielraum. Denn: Selbst bei optimaler Vorsorge könne eine Mutter ihr Jungtier ablehnen. Der Experte ist sich sicher: „Um Fehlprägungen zu vermeiden, kann auch eine schmerzfreie Tötung eine tierschützerische Maßnahme darstellen.“
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Schuldzuweisungen lehnt er ab. „Von Schuld zu reden verbietet sich. Das ist ein natürlicher Prozess, wo so viel schiefgehen kann, was keiner vorhersehen kann“. Sein Fazit: „Ein absolut schmerzfreies Töten ist immer noch sauberer als eine schlechte Aufzucht mit Tieren, die dann nicht vermittelbar sind.“