Datenpanne viel größer
Stadt räumt weitere Fehler ein
08.09.2025 – 18:04 UhrLesedauer: 3 Min.
Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, bei einer Pressekonferenz (Archivfoto): Seine Stadtverwaltung hat jahrelang eine Gesetzeslage missverstanden. (Quelle: Uwe Ernst/ FUNKE Foto Service/imago-images-bilder)
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Nach der aufgedeckten Wählerdatenpanne muss die Stadtverwaltung weitere Fehler einräumen. Eine Sprecherin erklärt, wie es dazu kommen konnte.
Die Stadt Essen räumt weitere Fehler bei der Herausgabe von Wählerdaten ein. Am Montag bestätigte die Verwaltung auf Anfrage von t-online, dass in Essen über Jahre hinweg rechtswidrig zu große Datensätze über Wähler an Parteien übermittelt wurden.
Das erste Eingeständnis der Stadt war vor rund zwei Wochen durch eine Anfrage von t-online zustande gekommen. Dabei hatte die Stadt eingeräumt, versehentlich zu viele Wähleradressen an die CDU von Oberbürgermeister Thomas Kufen im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahl herausgegeben zu haben.
Parteien dürfen in NRW Daten aus dem Melderegister bei den Kommunen einkaufen, um Bürger vor Wahlen so zielgerichteter per Post kontaktieren zu können. Das nordrhein-westfälische Meldegesetz erlaubt jedoch nur die Herausgabe von zwei Alterskohorten mit jeweils maximal zehn Jahrgängen.
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Ein Umstand, den man bei der Essener Stadtverwaltung übersehen hatte, wie eine Sprecherin nun einräumte: Die Verwaltung hatte sich nämlich an den Verwaltungsvorschriften zum Bundesmeldegesetz von 2015 orientiert.
Diese besagen beispielhaft, dass „rechtliche Bedenken nicht bestehen dürften, wenn die Melderegisterauskunft auf zwei Gruppen beschränkt wird, die ihrerseits nicht mehr als zehn Geburtsjahrgänge umfassen.“
Dass das Meldegesetz von NRW jedoch zeitgleich mit der Einführung des Bundesmeldegesetzes zum Bundesrecht novelliert wurde, und ihnen damit weiter engere Vorgaben bei der Datenherausgabe an Parteien erteilte, ging an den Beamten in Essen vorbei.
Die Sprecherin erklärte, dass in Essen Antragsteller, also Parteien, daher in der Vergangenheit „fehlerhaft über die Rechtslage beraten“ wurden und diese „im Vertrauen darauf ihre Auskunftsanträge gestellt“ haben.
Nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen der Verwaltung kam es im Vorfeld bei vorherigen Wahlen zweimal zu Fehlern bei der Datenherausgabe – neben der bereits eingeräumten Panne im Vorfeld der Kommunalwahl.
Die CDU erhielt vor den letzten Bundestagswahlen die Daten der Alterskohorten 59 bis 69 und 70 bis 89 Jahre – deutlich mehr als die gesetzlich zulässigen zehn Geburtsjahrgänge pro Gruppe. Bündnis 90/Die Grünen bekamen bei der Europawahl Daten der Altersgruppen 16 bis 22 und 60 bis 99 Jahre übermittelt – auch mehr, als eigentlich erlaubt.
Auch an die SPD, Die Linke und die AfD wurden seit 2020 Daten aus dem Melderegister herausgegeben – jedoch hatten diese meist nur nach den Erstwählern gefragt, die nicht so viele Jahrgänge ausmachen, dass es überhaupt zu einem Rechtsverstoß hätte kommen können.
Bemerkenswert zudem: Die Analyse der Datenübermittlungen durch die Stadt zwischen den Jahren 2015 und 2019 läuft noch – weitere Fälle von einer zu großen Datenübertragung an die Parteien sind damit also nicht ausgeschlossen.
Nach Abstimmung mit dem Landesdatenschutzbeauftragten NRW und der kommunalen Datenschutzbeauftragten hat die Stadt Essen jetzt eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet: Alle zuständigen Mitarbeiter seien über die korrekte Rechtslage informiert worden, so die Sprecherin. Künftig sollen Melderegisterauskünfte im Vier-Augen-Prinzip geprüft werden – und zuvor von der Abteilungsleitung genehmigt werden.
Vor der schlussendlichen Herausgabe an die Parteien soll das Essener Systemhaus, ein technischer Dienstleister der Stadt, die Daten nochmals überprüfen. Nach Bekanntwerden der ersten Essener Datenpanne hatten sich mehrere Parteien empört geäußert und Aufklärung gefordert.