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Ein russisches Vermögen wird im Westen festgehalten. Die Ukraine besteht auf Auszahlung. Ein belgischer Minister prophezeit einen systemischen Schock.

Brüssel – Kreml-Chef Wladimir Putin steht unter Druck: Aus den wichtigen Ölverkäufen kommt zu wenig Geld, innerhalb des Landes geht der Sprit aus und eine Strategie für Darlehen an Rüstungsbetriebe treibt die Inflation hoch, was wiederum Investments erschwert. Der Kreml braucht Geld. 200 Milliarden Euro russischen Vermögens stecken im Westen fest – an die kommt Putin jedoch wegen Sanktionen nicht mehr heran. Was aber passiert mit diesem Geld?

„Furchtbarer systemischer Schock“ wegen Sanktionen erwartet – wenn die EU russisches Vermögen abzapft

Der belgische Außenminister Maxime Prevot reiht sich in die Riege derjenigen ein, die vor einer Konfiszierung des russischen Vermögens warnen, und spricht sich klar dagegen aus. „Für Belgien ist die Konfiszierung der russischen Vermögenswerte keine Option“, teilte er während eines Interviews in seinem Brüsseler Büro mit. Ein solcher Schritt soll massiven Schaden für Europas Wirtschaft nach sich ziehen. Prevot sprach konkret von einem „schrecklichen systemischen Schock“, der die Finanzmärkte in Europa treffen würde.

Wladimir Putin in Wladiwostok.Wladimir Putin in Wladiwostok (Symbolfoto). Ein russisches Vermögen ist im Westen eingefroren. Die Ukraine verlangt ihre Herausgabe. Ein belgischer Minister fürchtet einen systemischen Schock. © IMAGO/President of Russia Office \ apaimages

Kurz zum Hintergrund: Nachdem Russland 2022 seine Invasion in der Ukraine begonnen hatte, hat die Europäische Union Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefroren. Umgerechnet handelt es sich dabei um eine Summe von grob 200 Milliarden Euro, von denen ein Großteil beim belgischen Finanzinstitut Euroclear liegt.

Prevot fürchtet nun einen Vertrauensverlust für den Euro und sich daraus ergebende „sehr problematische Dominoeffekte“. Das teilte er der Presseagentur AFP mit. „Glauben Sie, dass alle anderen Länder der Welt, die Milliarden und Milliarden in die europäischen Finanzmärkte investiert haben, das Risiko eingehen und ihr Geld nicht abziehen würden?“, fragte Prevot dabei. Wenn bekannt würde, wie leicht das Geld in Europa einfach verschwinden kann, könnten die Investorländer sich dazu verleitet sehen, ihr Geld lieber woanders anzulegen.

EU verhängt Sanktionen gegen russisches Vermögen – Gewinne fließen an die Ukraine

Aktuell ist es so, dass Europa das russische Vermögen festhält und lediglich Zinsgewinne, die daraus generiert werden, anzapft. Sanktionen verhindern, dass die russischen Besitzer frei über das Geld verfügen. Aus den Zinsgewinnen finanziert die EU unter anderem die Auszahlung eines Kredits über 50 Milliarden Euro, der aktuell in kleineren Summen an die Ukraine ausgezahlt wird.

Prevots Sorgen sind dabei keineswegs neu. Die EU sucht bereits seit Jahren nach Möglichkeiten, um der Ukraine auch die große Summe zur Verfügung zu stellen. Allerdings will sie das nur innerhalb des gesetzlich machbaren Rahmens tun – weil viele Offizielle dieselbe Angst haben wie Prevot. Einige EU-Länder haben darum bereits einen Alleingang begonnen. Estland beispielsweise hat einen eigenen Gesetzesentwurf erstellt, der es dem Land erlaubt, festgehaltene russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen.

„Russisches Geld muss herangezogen werden“ – EU hinterfragt Vertrauen in Putin

Zuletzt wurden jedoch auch verstärkt Stimmen laut, die sich für die Beschlagnahme aussprachen. Die Ukraine fordert diesen Schritt bereits seit Beginn des westlichen Sanktionsregimes. „Das russische Geld muss herangezogen werden“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses beim Europäischen Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), gegenüber der Wirtschaftswoche im August. Sie glaubt nicht an das Argument, dass eine Beschlagnahmung zu einer Krise am europäischen Geldmarkt führen soll.

„Wenn die Banker von Vertrauen und Verlässlichkeit reden, dann frage ich sie im Gegenzug, warum sie auf die Verlässlichkeit eines Kriegsverbrechers vertrauen?“, fragte sie. Angesichts dessen, dass Russland seit Kriegsbeginn eine Bandbreite von westlichen Firmen enteignet und sogar Dutzende von Flugzeugen westlicher Hersteller einfach übernommen hat, scheint die Frage berechtigt. Der Thinktank Wilson Center berichtete hier im Juni 2024 davon, dass zum Beispiel das finnische Unternehmen Fortum die Kontrolle über seinen russischen Zweig verloren hatte. Das habe zu Verlusten in Milliardenhöhe geführt – und zu einem eröffneten Schiedsverfahren gegen die Russische Föderation wegen Verstößen gegen den Schutz internationaler Investitionsabkommen.

Kreml-Anordnungen können sehr schnell dafür sorgen, dass Unternehmen um ihre Investments gebracht werden. Die französische Firma Danone hatte dabei Glück im Unglück: Ihr war es gelungen, den russischen Betrieb zu verkaufen, bekam dafür aber eine Summe deutlich unter dem eigentlichen Wert ihrer russischen Assets.

Reparationen für die Ukraine – Russland-Sanktionen bleiben stehen

Die eingefrorenen Milliarden der russischen Zentralbank arbeiten jedoch auch so für die Ukraine. Neben den Zinsgewinnen fließt außerdem jedes Jahr eine Vermögenssteuer an den belgischen Staat ab. Brüssel hatte dazu jedoch erklärt, dass diese Summe der Ukraine zugutekommen würde. Die aktuelle Haltung der EU scheint zu sein, dass sie das Geld einfach hält, bis Russland sich dazu bereiterklärt, davon Reparationen an die Ukraine zu bezahlen.