Bei dem Einsturz war die Brücke leer. Verletzte gab es nicht. Die sächsische Landeshauptstadt entging jedoch nur knapp einer Katastrophe, denn nur wenige Minuten zuvor fuhr die letzte Straßenbahn über die Gleise, die später im Flussbett lagen.
Dresden verlor in jener Nacht eine zentrale Verkehrsader. Die Spannbetonbrücke aus dem Jahr 1971 verlief entlang der Bundesstraße 170 mitten durch die Dresdner Innenstadt, zuvor passierten sie täglich mehr als 30.000 Fahrzeuge und mehrere Straßenbahnlinien. Das Bauwerk bestand aus drei parallel verlaufenden Strängen, den Brückenzügen A, B und C.
Konsequenzen hatte der Einsturz weit über die Stadt hinaus, denn als Ursache gilt ein Schaden, für den besonders Spannbetonbrücken aus den 1960er bis 1980er Jahren anfällig sind. Im Brückenzug C, über den Straßenbahngleise sowie ein Fuß- und Radweg führten, löste Feuchtigkeit eine sogenannte Spannungsrisskorrosion aus. Zahlreiche Spannglieder der Brücke versagten, die Spannkraft des Bauwerks ging verloren.
Brücken-Sonderprüfungen in ganz Sachsen
Kurze Zeit nach dem Einsturz in Dresden kündigte der damalige Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) daher Sonderprüfungen für insgesamt 19 Brücken auf Bundes- und Staatsstraßen dieser Bauart an, bei denen erstmals auch das Innere der Bauwerke begutachtet wird. Seither arbeiten die Prüfer die Liste nach und nach ab. Die Erkenntnisse sollen auch in den künftigen Umgang mit den Spannbetonbrücken einfließen.
Vollständig abgeschlossen ist laut aktuellem Zwischenstand des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (LASUV) bisher eine der Sonderprüfungen – mit drastischen Folgen. Bei der Brücke, auf der die Bundesstraße 101 bei Großenhain (Landkreis Meißen) über die Bahnstrecke Dresden-Berlin führte, sahen die Experten die Tragfähigkeit so stark gefährdet, dass sie umgehend gesperrt wurde. Innerhalb weniger Tage wurde die Brücke im Dezember abgerissen. Nur knapp acht Monate später fiel der Startschuss für den Neubau. Im Oktober 2026 soll die neue Brücke fertig sein.
Belastungstest in Bad Schandau
Für monatelanges Verkehrschaos sorgte ab Anfang November 2024 die Sperrung der Elbbrücke in Bad Schandau unweit der tschechischen Grenze, über die die B172 führt. Der Grund: Längsrisse im sogenannten Unterspannband.
Ein ungewöhnlicher Weg brachte letztlich Entlastung: Bei einem Belastungsversuch mit einem Schwerlastmodul und Gewichten von bis zu 320 Tonnen testete ein Team um Brückenexperte Steffen Marx, Professor an der TU Dresden, die Tragfähigkeit des Bauwerks. Seither darf der Verkehr bis 7,5 Tonnen wieder passieren. Klar war jedoch von Beginn an: Langfristig muss die Brücke ersetzt werden. Daher laufen beim LASUV die Planungen für eine Behelfsbrücke und einen Ersatzneubau.
Sonderprüfungen bei acht Brücken laufen
Bei acht weiteren Brücken, darunter die Agra-Brücke im Leipziger Süden an der B2 und eine weitere Brücke in Bad Schandau, sind laut LASUV bereits Proben entnommen. Die Auswertung der Laborergebnisse und Berechnungen der Statik stehen noch aus, teilweise müssen weitere Proben entnommen werden. Zwei Brücken entlang der B169 werden dauerhaft überwacht. In sieben weiteren Fällen stehen die Sonderprüfungen noch aus, darunter an der Umgehungsbrücke an der B170 bei Dippoldiswalde, die im Oktober beginnen soll.
Monatelanger Abriss in Dresden
In Dresden zogen sich die Abrissarbeiten monatelang hin. Erst im Mai beseitigten Bagger die letzten Reste des eingestürzten Brückenzugs, der zwischenzeitlich zum beliebten Fotomotiv avanciert war. Im Juni folgte der Abriss der noch stehenden restlichen Brückenteile. Inzwischen sind auch diese Arbeiten fast abgeschlossen, der Blick auf das Stadtpanorama ist frei. Der Abriss wird die Landeshauptstadt voraussichtlich 32 Millionen Euro kosten, wie jüngst bekannt wurde.
Schiffe können bereits seit Mitte August wieder ungehindert passieren, für Mitte September hat die Stadt freie Fahrt auf dem Terrassenufer unterhalb der Altstadt angekündigt. Auch die Fuß- und Fahrradwege sollen dann wieder hergerichtet sein. Auf den Elbwiesen am anderen Flussufer dauert die Freigabe voraussichtlich einen Monat länger.
Mit den Umwegen, die durch die fehlende Elbquerung nötig wurden, müssen sich die Dresdner ebenso wie die Berufspendler und Touristen noch länger arrangieren. Laut Plänen der Stadt soll der Neubau 2031 fertig sein. Eine erste Ausschreibung, bei der vier Planungsbüros für die Erstellung von Entwürfen beauftragt werden sollen, läuft seit 5. September.