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Wird ein Frachter im Nord-Ostsee-Kanal als Startort für Spionage-Drohnen genutzt? Wegen des Verdachts durchsuchen Polizisten das Schiff über viele Stunden.

Kiel – Die ukrainische Operation Spinnennetz wurde in Europa als großer Erfolg angesehen. Dank zahlreicher Drohnen schaltete Kiew Anfang Juni Dutzende russische Kampfflugzeuge am Boden aus. Einige davon befanden sich tief im Inneren des Reiches von Kreml-Chef Wladimir Putin, der sie damit wohl in trügerischer Sicherheit wähnte. Der koordinierte Angriff war eine Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Möglich wurden die Schläge nur, weil LKWs die unbemannten Flugobjekte in die Nähe der Ziele fahren konnten.

Heck eines Frachters, Polizei in voller Montur Spionage-Verdacht: Der Frachter „Scanlark“ wurde von Dutzenden Polizisten unter die Lupe genommen. (Archivbild der Polizisten) ©  Frank Molter/dpa, IMAGO / Tim Oelbermann

Moskau reagierte wenig überraschend erbost. Allerdings wird auch Russland vorgehalten, Drohnen in fremden Ländern und damit weit entfernt vom eigentlichen Einflussbereich operieren zu lassen. Meldungen über mögliche Spionage-Attacken auf Militäranlagen und andere kritische Infrastruktur häuften sich auch in Deutschland in jüngerer Vergangenheit. Allerdings wird gerätselt, wie die Drohnen auf deutsches Gebiet gelangen. In diesem Zusammenhang sorgt eine gemeinsame Meldung der Staatsanwaltschaft Flensburg und des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein für Aufsehen.

Spionage-Drohne über Marineschiff: Polizei durchsucht Frachter wegen Verdacht der Agententätigkeit

Darin heißt es, die Landespolizei Schleswig-Holstein und die Polizei Niedersachsen hätten am Sonntag (7. September) einen Frachter in der Schleuse Kiel-Holtenau durchsucht. Die Aktion stand im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren. Es besteht der Verdacht der Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und des sicherheitsgefährdenden Abbildens.

Zudem wird von der „Abwehr von Gefahren für die maritime kritische Infrastruktur Deutschlands“ gesprochen. Laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) geht es um „sicherheitsgefährdende Abbildungen von militärischen Anlagen – etwa Fotos“.

Wie die Ermittler weiter mitteilten, besteht der Verdacht, von dem durchsuchten Schiff aus sei am 26. August 2025 eine Drohne gestartet, die „über ein Marineschiff gesteuert worden ist, um dieses auszukundschaften und Bildaufnahmen zu fertigen“. Vorerst würden wegen der laufenden Ermittlungen keine weiteren Auskünfte erteilt.

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Die Kieler Nachrichten (KN) berichten derweil, Ziel der Polizei-Aktion sei der Frachter „Scanlark“ gewesen. Das Schiff ist für die Reederei Vista Shipping Agency aus der estnischen Hauptstadt Tallinn unterwegs. Unbestätigten Informationen zufolge würden die Besatzungsmitglieder allesamt aus Russland stammen.

Dem Portal marinetraffic.com ist zu entnehmen, dass der Frachter 75 Meter lang ist und 1985 in Haren an der Ems gebaut wurde. Seit 2006 fährt er unter der Flagge des Karibikstaates St. Vincent und die Grenadinen. Dem KN-Artikel zufolge fuhr das Schiff einst für die deutsche Reederei Pott und trug früher die Namen „Drochtersen“ und „Öland“. Seit 2009 ist es als „Scanlark“ bekannt. Im Nord-Ostsee-Kanal soll das Schiff regelmäßig zu Gast sein.

Laut dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (shz) seien offenbar schon vor dem „geheimnisvollen Polizei-Großeinsatz“ auf dem Nord-Ostsee-Kanal, der in der Schleuse begann, die Webcam am Kanal mit Folie abgedeckt und die Besucherplattform gesperrt worden. Gegen 16 Uhr stürmten den KN zufolge Polizisten an Bord. Über Nacht hätten rund 40 Beamte das Schiff auf den Kopf gestellt.

Frachter „Scanlark“

Länge: 75,17 Meter

Breite: 10,70 Meter

Tiefgang: 4,60 Meter

Tragfähigkeit: 1555 Tonnen

Baujahr: 1985

Nationalität: St. Vincent und die Grenadinen

Besitzer: Vista Shipping Agency aus Tallinn

Quellen: marinetraffic.com, balticshipping.com

Polizei-Aktion mit Tauchern: Besatzung muss auch nachts auf dem Schiff bleiben

Die Besatzung sei während der Fahrt von der Südschleuse zum Voithkai im Nordhafen von Spezialkräften der Polizei bewacht worden. Eskortiert wurde der Frachter demnach von einem Schlauchboot der niedersächsischen Polizei.

Auch während des nächtlichen Einsatzes hätten die Besatzungsmitglieder das Schiff nicht verlassen dürfen. Taucher hätten den Rumpf abgesucht. An Land seien zahlreiche Fahrzeuge in Position gebracht worden. Dem shz ist zudem zu entnehmen, dass ein Schlauchboot ununterbrochen um den Frachter patrouilliert sei, „als wenn die Einsatzkräfte Sorge hätten, externe unbekannte Taucher könnten hier etwas entfernen“.

Frachter „Scanlark“ liegt an UferHäufig im Nord-Ostsee-Kanal unterwegs: Auf dem Frachter „Scanlark“ sollen ausschließlich Besatzungsmitglieder aus Russland arbeiten. © Frank Molter/dpaFrachter als Basis für Spionage-Drohnen? Politik beurteilt Durchsuchung als „starkes Zeichen“

Vom „Bild eines regelrechten Ermittlungskrimis“ schreibt der Spiegel angesichts der Schilderungen. Das niedersächsische Innenministerium betonte im Zusammenhang mit der Polizei-Aktion, die norddeutschen Küstenländer stünden wegen ihrer exponierten geografischen Lage vor einer besonderen Herausforderung. Außerdem seien die Nordländer „wegen ihrer maritimen Infrastruktur spezifischen Risiken ausgesetzt“.

Als „starkes Zeichen“ bezeichnete Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) die Kontrolle des Frachters. Sie hob die enge Zusammenarbeit der beiden Polizeibehörden hervor, dank der „der Frachter gestoppt und einer umfassenden Kontrolle unterzogen werden“ konnte.

Auch ihre niedersächsische Amtskollegin Daniela Behrens (SPD) äußerte sich. Die Nachfolgerin ihres im Januar 2023 zum Bundesverteidigungsminister aufgestiegenen Parteifreundes Boris Pistorius ergänzte: „Das durchsuchte Schiff steht im Verdacht, als Basis für Drohnenflüge über kritischer Infrastruktur in Norddeutschland fungiert zu haben.“ Der Einsatz der Polizei sei erfolgreich abgeschlossen worden. (mg)