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Das Museum Wiesbaden stößt an seine räumlichen Grenzen. Ein Erweiterungsbau im südlichen Innenhof soll mehr Platz für Ausstellungen schaffen.
Welches Geschenk könnte einem 200. Geburtstag angemessener sein als ein Ja? Ein Ja vom Land Hessen zu einem Erweiterungsbau, den das Landesmuseum in Wiesbaden dringend braucht. Ein Architekturwettbewerb läuft. Die Jury-Entscheidung wird sich anschließen, danach ist das Land am Zug. Direktor Andreas Henning ist hoffnungsfroh. „Wir waren noch nie so nah dran“, sagt der promovierte Kunsthistoriker, der das Haus seit 2020 leitet.
Ein Erweiterungsbau ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Weil das Museum von Straßen und Gebäuden umschlossen ist, bleibt nur ein Weg: nach innen. Der südliche Innenhof soll bebaut werden.
Das Museum öffnete 1825 im Erbprinzenpalais, dem heutigen Sitz der Industrie- und Handelskammer, und erhielt zwischen 1913 und 1915 nach Plänen von Theodor Fischer das prägnante Neubau-Ensemble, geformt als modernes Dreispartenhaus. Der Fischer-Bau beeindruckt Henning bis heute mit seiner Staffelung großer und kleiner Räume. Der neue Bau soll eigenständig sein, aber im Architekturdialog mit dem Bestand stehen. Henning wünscht sich einen zeitgenössischen, charaktervollen Bau, ein harmonisches Wechselspiel von Vergangenheit und Zukunft.
Bedeutende Sammlungen
Denn um die geht es. „Der Erweiterungsbau ist die entscheidende Möglichkeit, uns entwickeln zu können.“ Seit Jahrzehnten muss das Museum Sonderausstellungen auf Kosten der Dauerausstellung realisieren. „Sehr misslich“, sagt Henning. Besucherzahlen beweisen, wie groß das Potenzial wäre: Die Schau „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ zog 2024 mehr als 40 000 Menschen in nur drei Monaten an. Die neue Präsentation „Feininger, Münter, Modersohn-Becker …“ dürfte ein ähnliches Potenzial haben.
„Wie alle Museen sammeln wir“, sagt der Direktor. Weil Platz fehlt, die wertvollen Exponate in Wiesbaden unterzubringen, wurden Flächen unter anderem in Köln und München angemietet. Derzeit präsentiert das Museum Wiesbaden auf rund 7400 Quadratmetern Kunst und Natur. Ein Erweiterungsbau könnte das Problem lösen. Von den angestrebten 3000 zusätzlichen Quadratmetern Fläche sollen knapp die Hälfte für Sonderausstellungen und der Rest als Depot, Veranstaltungs- und Büroräume genutzt werden.
Profil soll bleiben und präziser werden
Internationale Bedeutung besitzt die Sammlung der Klassischen Moderne – vor allem durch das gut hundert Werke umfassende Konvolut des russischen Expressionisten Alexej von Jawlensky. Zu den Sammlungsschwerpunkten gehören zudem die Alten Meister; im Südflügel befindet sich die Jugendstilsammlung von Ferdinand Wolfgang Neess.
Ein weiterer Sammlungsschwerpunkt liegt im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Das Profil des Hauses soll sich mit dem Erweiterungsbau nicht verändern. Aber eine räumliche Ausdehnung ist die Voraussetzung für seine Präzisierung. In der aktuellen Sonderausstellung werden zum ersten Mal Werke aus der Sammlung eines anonymen Wiesbadener Mäzens gezeigt, die er dem Museum testamentarisch übereignet hat: rund 100 Werke, darunter Skulpturen und außergewöhnlich viele Werke von Frauen. Darauf möchten Henning und sein Team aufbauen und die Sammlung weiterentwickeln.
Aufstieg des Hauses ohne Bürgerengagement nicht denkbar
Die Geschichte des Hauses ist eng mit Mäzeninnen und Mäzenen verbunden – ohne sie wäre der Aufstieg kaum denkbar. „Wir brauchen Platz, um Schenkungen auch künftig annehmen und zeigen zu können“, sagt Henning. Dass es daran mangelt, ist schon lange bekannt. Hennings Vorgänger Alexander Klar begann in den 2010er Jahren mit ersten Planungen. Die vorige Landesregierung schrieb die Erweiterung in ihren Koalitionsvertrag, die aktuelle Regierung auch.
Perspektivisch wird es auch in der Natur eng: Die Sammlungen umfassen 1,25 Millionen Objekte – darunter eine bedeutende Schmetterlingssammlung.
Wie viel Geld der Bau kosten wird – so er denn kommt –, wie lange es bis zu seiner Fertigstellung dauern wird, das alles ist offen. Sicher ist bislang nur: Gebaut werden soll bei laufendem Betrieb. So wie schon in den zurückliegenden 30 Jahren. Derzeit befindet sich das Haus in der neunten Sanierungsetappe.
Das Museum steht an einer Wegmarke seiner Geschichte – und könnte sich mit einem Neubau neu erfinden, ohne seine Wurzeln zu verlieren.
Der Direktor des Museums Wiesbaden, Andreas Henning, steht im Südhof. Dort soll der Erweiterungsbau errichtet werden. © Michael Schick
Das Gebäude wurde als Drei-Sparten-Haus gebaut. © Michael Schick