Der Organisation Turning Point USA (TPUSA) gelingt, was man lange nicht für möglich hielt: junge Menschen für erzkonservative Politik zu begeistern. Wie schafft sie das?

Die Zukunft der Konservativen greift zur Pizza. Vor Seminarraum 103 stehen etwa zwei Dutzend Studenten, die meisten 19 oder 20 Jahre alt und bedienen sich bei den bereitgestellten Kartons oder nehmen sich eine Dose Cola. Auf einem Tisch daneben liegen Aufklebern und Anstecker. Man liest darauf Slogans wie „Bewaffnet und stolz“, „Amerikanisches Land – amerikanische Gesetze“, „Mach Schluss mit deiner sozialistischen Freundin“. Zwei Studentinnen begrüßen sich: „Hey, ich wusste gar nicht, dass du kommst.“ – „Ach weißt du, ich habe einfach die Schnauze voll von den Demokraten.“

Die Studenten hier tragen T-Shirts, Shorts oder Sportkleidung. Während sie sich in den Seminarraum schieben und an die Tische setzen, läuft das Lied „Courtesy of the Red, White and Blue“ des Countrymusikers Toby Keith. Eine Zeile darin lautet: „Und es wird dir leidtun, dass du dich mit den USA angelegt hast/denn wir werden dir in den Arsch treten“. Willkommen bei Turning Point USA.

Erzkonservative Politik wird cool

Turning Point USA, kurz TPUSA, ist die derzeit vielleicht einflussreichste Jugendorganisation in den Vereinigten Staaten. Sie wurde 2012 gegründet und ist nach eigener Aussage an 3500 Schulen und Hochschulen im Land vertreten. Als Mission nennt sie, „Studenten über die Bedeutung von Freiheit, freien Märkten und einer beschränkten Regierung aufzuklären.“ TPUSA hat geschafft, was lange Zeit nicht für möglich gehalten wurde. Eine dynamische rechte Jugendbewegung zu starten. Oder kurz gesagt: erzkonservative Politik cool zu machen.

Emma Arns begrüßt die Teilnehmer des Treffens. Es ist das erste in diesem Semester an der Universität von Tennessee in Knoxville. Arns trägt Jeans und weiße Sneaker. Sie studiert BWL und Politikwissenschaft und ist die Präsidentin des lokalen TPUSA-Ablegers. „Es freut mich zu sehen, dass unsere Gruppe wächst und ihr ein paar Freunde mitgebracht habt.“ Über 50 Studenten sind gekommen, rund ein Drittel sind Frauen.

Arns kommt aus Chicago, einer ziemlich liberalen Stadt. Das erzählt sie ein paar Tage vorher in einem Videointerview. „Ich erinnere mich gut daran, dass die Lehrer uns in eine linke Richtung gepusht haben“, sagt sie. Sie habe auch durch ihren Stiefvater, einen früheren Soldaten, zu einer konservativen Meinung gefunden. In ihrem letzten Jahr an der Highschool habe sie dann einen Flyer von TPUSA auf der Windschutzscheibe ihres Autos gefunden. Überzeugt von den Inhalten, gründete sie einen Ableger an ihrer Schule.

Auch junge Frauen wählen rechts

In Raum 103 erzählt Arns den Neuen, was TPUSA seinen Mitgliedern bietet. Dazu gehören gemeinsame Wanderungen, Grillabende, ein Bibelkreis, Ausflüge zum Schießstand. TPUSA hilft außerdem bei der Karriere. Man vermittle gern Praktika, etwa bei konservativen Denkfabriken. Ein Zusammenschnitt einer TPUSA-Konferenz mit 20 000 Teilnehmern wird gezeigt. „So ein tolles Event“, schwärmt Arns.

Bekanntestes Gesicht der Organisation ist Gründer Charlie Kirk. Der 31-Jährige hat Millionen Follower in den Sozialen Medien. Wenn er Colleges im Land besucht, kommen Tausende Zuschauer. Die „New York Times“ nannte ihn den „Jugend-Flüsterer“. Zahlen zeigen, dass sich in den USA gerade etwas verschiebt. Über Jahrzehnte hielten junge Wähler in den USA traditionell zu den Demokraten. Das hat sich geändert. Bei der Wahl 2024 stimmten Männer unter 30 Jahren zu 56 Prozent für Trump. Bei den 18- bis 21-Jährigen bevorzugen Männer die Republikaner mit einem Vorsprung von 11 Prozent.

„Gehirnwäsche vom liberalen Mob“

Emma Arns ist zwar die Präsidentin des TPUSA-Clubs an der Universität in Knoxville. Statistisch gesehen ist sie aber eher eine Ausnahme. Junge Frauen gehören zu den liberalsten Gruppen in den USA. Doch Arns weiß genau, wie sie sich ihr Leben vorstellt: „Ich möchte auf jeden Fall zwei oder drei Kinder haben und Hausfrau sein.“ Das entspricht ganz der Linie von TPUSA: Männer sollen die Familie schützen und versorgen, Frauen sieht die Organisation vor allem in der Rolle als Mutter. Den Feminismus bezeichnet TPUSA – neben jeglicher Form von Einwanderung – als eine der größten Gefahren für die USA.

Dann kommt Arns zum längsten Tagesordnungspunkt des Treffens: ein Spiel. Dafür schieben die Studenten ihre Pulte zu Gruppen zusammen, sie sollen lustige Vorschläge zu bestimmten Fragen machen. Zum Beispiel: „Du hast eine Gehirnwäsche vom woken liberalen Mob bekommen, jetzt muss eine weitere Firma gecancelt werden. Wer muss dran glauben?“

Es geht um Identität

„Meister Proper“, lautet die Idee einer Gruppe. „Weil er ein weißer Mann ist und damit impliziert, dass ethnische Minderheiten schmutzig sind.“ Gelächter im Raum. Für eine andere Aufgabe soll man sich besonders „woke“ Gerichte ausdenken. Die Vorschläge lauten „Toleranz-Tofu-Burger“, „Pronomen-Kuchen“ oder „Woke-Waffeln“. So geht es insgesamt sieben Runden lang. Die Pointe richtet sich meist gegen Transpersonen, Minderheiten oder liberale Politiker. Gegen alles, was „woke“ ist.

TPUSA gibt sich gern als Graswurzelbewegung, wird aber seit der Gründung von konservativen Großspendern finanziert. Die Organisation hat ein Budget von rund 80 Millionen Dollar pro Jahr. Den Flyer auf Emma Arns‘ Windschutzscheibe hatte ein hauptamtlicher Mitarbeitern dort platziert.

Nach weniger als einer Dreiviertelstunde ist das Treffen im Raum 103 wieder vorbei. Wer TPUSA nur von dieser Veranstaltung kennt, weiß hinterher kaum, wofür sie inhaltlich steht. Man weiß nur, dass sie Events veranstalten, bei der Karriere helfen und alles ablehnen, was sie als „woke“, „links“ oder „liberal“ bezeichnen. Präsidentin Arns sagt: „Wir sind nicht so themengetrieben, es geht mehr um Werte und Redefreiheit.“

Der amerikanische Journalist und Autor Ezra Klein hat ein Buch über die Polarisierung in den USA geschrieben. Eine seiner Kernaussagen lautet: Sachpolitik und Überzeugung für die eigene Partei spielen kaum noch eine Rolle. Politik ist eine Identitätsfrage geworden. Es gehe vor allem darum, wie man nicht sein will. Was man ablehnt. Wie beim Treffen in Raum 103.

Kampagne gegen liberale Professoren

Auch Elena war bei dem Treffen. Sie ist überzeugte Anhängerin, weicht aber in manchen Punkten vom konservativen Mainstream ab. Sie sagt, Frauen sollten keine „Tradwives“ sein, sondern auch einem Beruf nachgehen. Isabella, die Studentin, die meinte, sie habe „die Schnauze voll“ von den Demokraten, ist für das Recht auf Abtreibung bis zur 28. Schwangerschaftswoche. Emma Arns sagt, sie fände eine längere Elternzeit gut. Doch um Sachpolitik geht es bei diesem TPUSA-Treffen nicht. Es geht um die Vibes, um Stimmungen. Vielleicht ist das eines der Erfolgsrezepte.

TPUSA beklagt einen linken Mainstream an Schulen und Unis. Arns sagt: „Unis sind zu liberalen Kloaken geworden.“ Dem will die Organisation etwas entgegensetzen. Sie betreibt etwa eine „Professor Watchlist“. Deren Ziel: „Professoren enttarnen, die konservative Studenten diskriminieren und linke Propaganda im Hörsaal betreiben.“ Auf der Webseite gibt es Hunderte Einträge, viele der genannten Professoren forschen zu Themen wie Rassismus, Gender oder Abtreibung.

Keine Kompromisse mit den Demokraten

Ist das nicht die Freiheit der Rede und Forschung, die Konservative sonst als Ideal hochhalten? Arns sagt: „Wir sind nicht diejenigen, die Cancel Culture betreiben – aber es ist wichtig, Leute zur Rechenschaft zu ziehen.“ Auch eine Professorin der Universität von Tennessee findet sich auf der „Professor Watchlist“. Bittet man sie um ein Gespräch, will sie sich lieber nicht äußern.

Man kann TPUSA als Teil einer Zangenbewegung sehen. Während Donald Trump die Universitäten von oben mit Klagen angreift und ihnen die Finanzierung entziehen will, attackiert TPUSA sie von unten. Konservative treten selbstbewusster auf. Und sind bereit, den Kulturkampf an den Unis aufzunehmen. Dabei beklagt auch Emma Arns die Polarisierung im Land, die aufgeheizte Stimmung, die Beschimpfungen. Sie berichtet von Freundschaften, die zerbrochen sind. „Viele Menschen sprechen nicht mehr miteinander und beleidigen sich, anstatt das Gegenüber verstehen zu wollen“, sagt sie. „Ich verurteile Menschen nicht dafür, was sie denken.“ Gibt es ein Thema, bei dem sie auf die Demokraten zugehen würde, wo sie Raum für Kompromisse sieht? „Gute Frage“, sagt Arns und überlegt. Ihr fällt nichts ein.