Der bisherige Verteidigungsminister Lecornu soll neuer Regierungschef in Frankreich werden. Er gilt als enger Vertrauter von Präsident Macron und soll das Land nun aus der Krise führen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den bisherigen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum Premierminister ernannt. Lecornu folgt auf François Bayrou, der nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung seinen Rücktritt eingereicht hatte.
Der 39-jährige Lecornu war bereits im vergangenen Dezember für das Amt des Regierungschefs im Gespräch, doch Macron entschied sich letztlich für Bayrou. Lecornu hatte einst die konservative Partei Les Republicains verlassen und sich Macrons zentristischer politischer Bewegung angeschlossen, als dieser 2017 erstmals gewählt wurde. Fünf Jahre später leitete er Macrons Wiederwahlkampagne. Lecornu gilt als Vertrauter Macrons.
Lecornu hatte Posten in Kommunalverwaltungen inne und in Überseegebieten. Eine wichtige Vermittlerrolle spielte er auch bei Macrons Umgang mit der Gelbwestenbewegung, wo er durch Dialog dazu beitrug, die Wut der Massen zu bewältigen.
Der 39-Jährige ist der jüngste Verteidigungsminister in der Geschichte Frankreichs und der Architekt einer umfangreichen militärischen Aufrüstung bis 2030, die auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückgeht. Lecornus Aufstieg spiegelt Macrons Neigung wider, Loyalität zu belohnen. Beobachter sehen in der Ernennung auch ein Zeichen der Kontinuität.
Vorschlag der neuen Regierung liegt bei Lecornu
Lecornu ist bereits der fünfte Regierungschef unter Macron in weniger als zwei Jahren. Auf ihn wartet unter anderem die Aufgabe, einen Haushalt durch das zerstrittene und tief gespaltene Parlament zu bringen.
Er habe den Auftrag, sich mit den Parteien zu beraten, um einen Konsens mit Blick auf den Haushalt zu erreichen, teilte der Élysée-Palast mit. Erst im Anschluss daran solle er dem Präsidenten eine neue Regierung vorschlagen.
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine „letzte Kugel“ abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine „Provokation“. Dabei gilt Lecornu als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine krasse Ablehnung entgegenschlägt.
Gefahr eines Patts im Parlament
Die bisherigen Premierminister waren über Konflikte über den französischen Staatshaushalt gestürzt. Vorgänger Bayrou hatte gehofft, dass die Abgeordneten seine Forderungen nach drastischen Ausgabenkürzungen zur Sanierung der Staatsfinanzen stützen würden. Stattdessen nutzten sie die Gelegenheit, den 74-Jährigen am Montagabend nach knapp neun Monaten im Amt zu stürzen.
Das Scheitern Bayrous und seiner kurzlebigen Minderheitsregierung bedeutet für Frankreich erneute Unsicherheit und die Gefahr eines langwierigen Patts im Parlament. Nach Monaten der Instabilität muss Frankreich nun darauf hoffen, politisch voranzukommen. Entscheidend ist das vor allem mit Blick auf den Haushalt. Das hoch verschuldete Land muss seinen Sparkurs stabilisieren und ein Budget für das kommende Jahr verabschieden. Wie einer neuen Regierung dies angesichts der weit auseinander liegenden Positionen im gespaltenen Parlament gelingen wird, ist unklar.
Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen. Barniers Regierung hing von den Rechtsnationalen ab und scheiterte, Bayrou ließ sich erst von den Sozialisten dulden, verspielte dann aber deren Gunst.