Neue, drei Zentimeter hohe Kanten nach dem Zebrastreifen lösen in Ettlingen Kritik aus. Für Senioren, für Rollator oder Rollstuhl sei das ein großes Hindernis.
Als Stolperfalle und unnötiges Hindernis für Mobilitätseingeschränkte sieht auch der Linken-Ortsverband Ettlingen den Übergang vom Gehweg zur Straße, der blinden Menschen mit Stock helfen soll. Hier mit Justin Sliver und Jan Pflugmacher (von links) von Die Linke.
Foto: Rainer Obert
Klare Kante zu zeigen, ist von der Redewendung her ein doch eher positiver Wesenszug. Die klaren Kanten am Zebrastreifen-Übergang über die Pforzheimer Straße in Ettlingen sorgen indes für Kopfschütteln bei so manchem Fußgänger.
Gedacht ist die Kante als Signal für Blinde mit Blindenstock. Um zu erfühlen, wo das Betreten der Fahrbahn beginnt und wo die Straße nach dem Überqueren endet. Aber: Die Kante ist zu hoch, so das Votum von Senioren, der Vorsitzenden des Agendabeirats „Barrierefreies Ettlingen“ sowie des Linken-Ortsverbands.
Umbau der Pforzheimer Straße bekommt Lob – aber auch Kritik
Gut gemeint, aber schlecht gemacht? Der Bereich Pforzheimer Straße ist mit der Überplanung des alten Feuerwehrareals zum „Quartier Alte Feuerwehr“ umgestaltet worden. Lange war der Straßenabschnitt gesperrt, inzwischen ist er wieder frei.
Nachgebessert werden muss auf jeden Fall aus Sicht des Ettlingen Linken-Ortsverbands bei den Kanten beim Zebrastreifen an der Kreuzung Pforzheimer Straße und Durlacher Straße. Hier Vorstandsmitglied Justin Sliver.
Foto: Rainer Obert
„Für Blinde ist es spitzenmäßig gemacht“, bewertet Agendabeiratsvorsitzende Daniela Adomeit die Führung der Menschen mit Blindenstock über die eingebrachten Bodenplatten. Der fachmännische Begriff ist taktiles Blindenleitsystem.
Die drei Zentimeter hohe Kante wird mit dem Blindenstock erkannt und man weiß: Hier beginnt die Fahrbahn. Das sei auch deshalb für die Sicherheit gut, da der Radweg am Straßenrand entlangführt. Damit der Blindenstock nicht nach vorn fühlend am Ende vielleicht zwischen Fahrradspeichen landet.
Neu angelegt wurde der Teilabschnitt der Pforzheimer Straße beim „Quartier Alte Feuerwehr“. Er ist bereits freigegeben, teils gibt es noch Restarbeiten.
Foto: Rainer Obert
Eine Drücker-Ampel brauche es hier nicht. Für andere Mobilitätseingeschränkte ist die hohe Kante aber schon problematisch, räumt Adomeit ein. Mit Rollator oder Rollstuhl sei sie ein Hindernis. Ähnlich sieht es ein betagter Ettlinger Bürger, der sich an die Redaktion wandte.
Ettlinger Drei-Zentimeter-Kante an Straße entspricht an sich der DIN-Norm
Das System sei „leider nur teilweise gut durchdacht“. Seine Antwort vom Stadtbauamt Ettlingen beinhaltet, die drei Zentimeter hohe Kante sei abgestimmt. Es solle so sein. Dies liegt offenbar auch innerhalb der DIN-Norm, die eine Spanne von ein bis drei Zentimetern für derartige „Anschläge“ am Straßenrand vorsieht.
Ein Zentimeter Kante ist natürlich schon was anderes als drei.
Daniela Adomeit
Agendagruppe „Barrierefreies Ettlingen“
„Ein Zentimeter Kante ist natürlich schon was anderes als drei“, verdeutlicht Daniela Adomeit. Der Senior spricht von „Sturzfalle“ und „Stolperkante“. Lobt aber zugleich den im Prinzip ja „gut konzipierten Neubau“ im Bereich Pforzheimer Straße. An der Kante spalten sich also die Geister. Während das Stadtbauamt einwarf, dass die Kante wohl so überwindbar sei, halten Kritiker dagegen.
So auch der Linken-Ortsverband Ettlingen. „Die neue Bordsteinkante sorgt für große Probleme bei mobilitätseingeschränkten Personen“, wird mitgeteilt. Kommt es tatsächlich auf ein, zwei Zentimeter hin oder her an? Ja, kommt die klare Antwort.
Mehrere Betroffene seien auf den Ortsverband zugekommen, so Vorstandsmitglied Jan Pflugmacher. Inzwischen habe die Stadt zwar die harte Kante gebrochen, also quer etwas abgeschliffen. Das Hindernis bestehe weiter.
Erschweren Stolperkanten Rollator- und Rollstuhl-Nutzern das Leben?
„Was für viele kaum spürbar ist, kann für andere ein unüberwindbares Hindernis darstellen“, heißt es vom Ortsverband. Vor Ort erklären Pflugmacher und Justin Sliver von den Linken: Rollstuhlfahrer müssten je nachdem rückwärts über die Kante fahren.
Man rechnet ja auch gar nicht mit einer Kante.
Jan Pflugmacher
Linken-Vorstandsmitglied Ettlingen
Jemand mit Rollator müsse diesen vorn anheben. „Noch einmal ran“ müsse die Stadt aus Sicht Pflugmachers und der Linken. Zumindest, indem klar rund geschliffen wird. „Man rechnet ja auch gar nicht mit einer Kante.“ Barrierefreiheit dürfe nicht an zwei Zentimetern scheitern.
Gelobt wird das taktile Leitsystem auf dem Gehweg in der Pforzheimer Straße, das Blinde mit Stock informiert und optimal zum Ziel führt.
Foto: Rainer Obert
Und noch eine Gefahrenstelle sei leider an besagter Kreuzung Pforzheimer und Durlacher Straße entstanden: für Radfahrer. Der Radweg ist klar eingezeichnet, führt über die Kreuzung und endet dann vor dem dort querenden Zebrastreifen.
Der Radweg über die Ettlinger Kreuzung endet an einer Engstelle
Das Problem: Der Straßenabschnitt nach der Kreuzung ist schmaler als der davor. „Man fährt in eine Engstelle und für den weiteren Fahrbahnweg fehlt die Markierung“, bemängelt Jan Pflugmacher. Fährt etwa ein Lkw oder Bus neben dem Radweg, wird es nach der Kreuzung gefährlich eng.
Das kann vor Ort beim Beobachten des Verkehrs gut nachvollzogen werden. Eigentlich ist nach aktuellem Stand der weitere Weg des Radfahrers nach der Kreuzung auf dem Gehweg vorgesehen. Eine direkte Verknüpfung von Radweg am Straßenrand zum Weg auf dem Bordstein fehlt.
Der Radweg endet abrupt nach der Querung der Kreuzung Pforzheimer Straße und Durlacher Straße (rechts). Dann wird aber auch die Fahrbahn schmaler.
Foto: Rainer Obert
Die Unfallgefahr ist aus Sicht der Linken erheblich. Der Radfahrer bleibe fragend zurück, müsse jedoch an der Stelle umgehend ja irgendwie reagieren. Aus Sicht der Stadt lässt man Radfahrern freie Wahl. Zwischen Planungs- und Ordnungsamt sei das intensiv abgestimmt.
Man könne entweder rechts einfädeln auf den vorhandenen Radweg oder auf der Straße weiterfahren. „Das tun diejenigen, die lieber auf der Fahrbahn bleiben möchten und sich dort sicher fühlen.“