Herausgerissene Bänke, beschmierte Wände, Hamas-Symbole und israelfeindliche Parolen: Der historische Emil-Fischer-Hörsaal an der Humboldt-Universität (HU) ist am Mittwoch von propalästinensischen und israelfeindlichen Aktivisten regelrecht verwüstet worden. Die Polizei hat nach der Besetzung des Hörsaals 100 Strafermittlungsverfahren eingeleitet.
Der Hörsaal hat eine besondere Bedeutung – für die HU, für Berlin. Den Israelhassern war das bei ihrer Besetzung offenbar egal. HU-Präsidentin Julia von Blumenthal sagte: „Wir gehen davon aus, dass der Schaden zwischen 60.000 und 100.000 Euro liegt.“
Die Besetzer beschmierten nicht nur Wände mit Parolen. Auch ganze Sitzreihen wurden beschädigt. Fotos zeigen, wie der Hörsaal aussah, die besondere Aura – und wie die herausgerissenen Sitzreihen in einem Vorraum gestapelt wurden.
Der Saal steht für ein bedeutendes Stück Berliner Wissenschaftsgeschichte. 1892 knüpfte Emil Fischer, einer der damals führenden deutschen Chemiker und späterer Nobelpreisträger, an seine Zusage an die Berliner Universität eine Bedingung: Ein neues Chemisches Institut, um den gestiegenen Ansprüchen an Forschung und Lehre gerecht zu werden.
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Der Emil-Fischer-Hörsaal an der Humboldt Universität.
© Matthias Heyde
Im Juli 1900 wurde das Institut nach Fischers Vorschlägen gestaltete Institut eröffnet. Bekannte Wissenschaftler wie Lise Meitner und Otto Hahn waren dort tätig, die Gebäude stehen unter Denkmalschutz. 1945 wurde fast alles völlig zerstört. Die treppenförmig angeordneten Sitzreihen, die Holzvertäfelung – das meiste wurde originalgetreu wiederaufgebaut. Bei der Wiedereröffnung 1953 wurde der Hörsaal nach dem Institutsgründer benannt.
Herausgerissene Sitzbänke in einem Vorraum des Hörsaals.
© privat
Nicht nur im Saal, auch im Treppenhaus und an die Fassade sprühten die Anti-Israel-Aktivisten ihre Sprüche an die Wand. Die Botschaft ist unmissverständlich: An den Fenstern prangen rote Dreiecke, Symbol der islamistischen Terror-Organisation Hamas, die Wände sind mit Sprüchen übersät, die das Existenzrecht Israels infrage stellen und zur Gewalt aufrufen.
„Das sind inhaltlich roten Linien, bei denen klar ist, das ist mit den Grundwerten unserer Universität und mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“, sagte von Blumenthal. Relativ schnell sei deshalb klar gewesen, dass das Präsidium den Hörsaal von der Polizei räumen lasse – auch wegen des Ausmaßes der Zerstörung.
Nach jetzigem Stand geht die Universität davon aus, dass alle dort geplanten Lehrveranstaltungen vorerst verlegt werden müssen. Der Hörsaal hat nach Angaben der HU 268 Plätze.
Die Polizei ermittelt jetzt wegen des Verdachts des schweren Hausfriedensbruches, des besonders schweren Landfriedensbruches, der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie des Widerstandes gegen Polizeivollzugsbeamte.
Auch die Außenwand wurde mit Parolen beschmiert.
© Christophe Gateau/dpa
Die Polizei begann auf Wunsch des HU-Präsidiums gegen 17.20 Uhr mit der Räumung. Bei dem Einsatz sollen Aktivisten unter anderem eine Flüssigkeit auf Polizisten geschüttet haben, bei der es sich um Urin handeln könnte. Außerdem sei mit Pyrotechnik geworfen worden.
Während der Räumung hätten zwei Menschen die Einsatzkräfte angegriffen und Widerstand geleistet. Zwei Polizisten seien an der Hand verletzt worden, setzen ihren Dienst aber fort.
Etwas mehr als 200 Aktivistinnen und Aktivisten
Im Hörsaal hätten sich 89 Menschen aufgehalten, auf der Straße rund 120. Die Polizei führte eigenen Angaben zufolge 95 freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch.
Hintergrund der Protestaktion war nach Angaben der Besetzer sowie der Polizei die drohende Ausreise von vier Menschen nach propalästinensischen Protesten an der Freien Universität. Ihnen wird vorgeworfen, bei Protesten im Oktober vergangenen Jahres bei der Besetzung des FU-Präsidiums Uni-Beschäftigte mit Äxten und Knüppeln bedroht zu haben. Das Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA) hatte gegen die drei EU-Bürger und eine Person aus den USA aufenthaltsbeendende Bescheide erlassen, wie die Innenverwaltung mitteilte.
Am Donnerstagvormittag demonstrierte eine kleine Gruppe an Aktivisten vor dem Hauptgebäude der HU erneut gegen die Ausreise.
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Wer sind die Aktivisten, die am Mittwoch beteiligt waren? „Ich gehe davon aus, dass es sich um die bekannte Szene in Berlin handelt, die zum Teil aus Studierenden Berliner Hochschulen besteht, aber zu einem erheblichen Teil auch aus Menschen, die keine Studierenden sind“, sagte von Blumenthal. An der Universität, die 36.000 Studierende hat, seien diese Aktivisten eine absolute Minderheit.
Humboldt-Universität hat aus Besetzung vor einem Jahr gelernt
Die Bilder wecken Erinnerungen an die Besetzung des HU-Instituts für Sozialwissenschaften vor fast einem Jahr. Das Gebäude war über Nacht besetzt worden. Damals duldete die Universitätsleitung die Besetzung zunächst und setzte auf einen Dialog. Der Schaden war am Ende immens. Es wurden Wände, Türen und Büros beschmiert und Regale umgestoßen.
„Wir haben genau aus der Erfahrung von vor einem Jahr Konsequenzen gezogen und die roten Linien nachgeschärft“, sagte von Blumenthal. Ein wichtiger Punkt sei, das Ausmaß der Sachbeschädigung festzustellen. Mittlerweile habe man auch mehr Klarheit darüber, welche Aussagen im Rahmen einer kontroversen Diskussion vertretbar seien und welche nicht.
Das sei nach wie vor keine leichte Aufgabe. „Es ist unsere Aufgabe, durchaus ein Raum für politische Diskussionen zu sein“, so von Blumenthal. Gleichzeitig müsse das friedliche Zusammenleben der Hochschulmitglieder ermöglicht werden. Besetzungen seien Teil von Auseinandersetzungen an Universitäten, mit denen man als Universitätsleitung immer wieder rechnen müsse.
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Die Hamas-Dreiecke sollen jetzt so schnell wie möglich entfernt werden, sagte von Blumenthal. Alles andere würde erst später aufgeräumt. Zuerst müssten die Schäden begutachtet werden.
Vor bald einem Jahr war bereits ein Gebäude der Humboldt-Universität bei einer Besetzung durch propalästinensische Aktivisten stark beschädigt worden. Damals waren etwa Wände, Türen und Büros beschmiert und Regale umgestoßen worden. (mit dpa)