WM in Bangkok

Wie sich Brandenburg zur deutschen Sumo-Hochburg entwickelte

Mi 10.09.25 | 06:18 Uhr | Von Thomas Juschus

Sumo-Ringerin Lucie Fiedler (l./Spremberg) mit Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt in Bangkok. / privat

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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 07.09.2025 | Sebastian Schiller | Bild: privat

Sandra Köppen-Zuckschwerdt war Olympia-Teilnehmerin im Judo, ehe sie vor mehr als 25 Jahren Sumo für sich entdeckte. In der Folge machte sie Brandenburg zur deutschen Hochburg für japanisches Ringen. Bei der WM lebt nun der Medaillentraum. Von Thomas Juschus

Überraschte und manchmal auch fragende Gesichter bei ihrem Gegenüber ist Lucie Fiedler inzwischen gewohnt, wenn sie von ihrer großen sportlichen Leidenschaft erzählt. Dabei ist die 18-Jährige vom KSC Asahi Spremberg eine der größten deutschen Nachwuchshoffnungen in ihrer Sportart und eine der Medaillenhoffnungen für die Weltmeisterschaften, die am Samstag und Sonntag in Pathum Thani – unweit der thailändischen Millionenmetropole Bangkok – stattfinden.

„Die meisten Menschen sind aber begeistert, dass ich so einen untypischen Sport mache und die Lausitz auch weit über die Region hinaus vertrete“, berichtet Fiedler mit einem fröhlichen Lachen und auch etwas Stolz in der Stimme. Die Sprembergerin ist eine Sumotori – und gehört zu Deutschlands besten Sumo-Kämpferinnen, der aus Japan stammenden Form des Ringkampfs.


Acht der zehn WM-Starter aus Brandenburg

Beim KSC Asahi Spremberg ist seit einigen Jahren neben der PSG Dynamo Brandenburg der zweite Landesleistungsstützpunkt Brandenburgs im Sumo angesiedelt. Und in der Mark schlägt gewissermaßen das Herz im Sumo-Sport für ganz Deutschland.

Acht der zehn nominierten deutschen Sportlerinnen und Sportler für die WM kommen aus Brandenburg. Neben Fiedler, die sowohl in der Altersklasse U18 als auch bei den Frauen bei der WM starten wird, sind das Rosalie Büttner und Phumpaya Mazur (beide Spremberg), Finnley Kriegel, Miro Broswitz und Thomas Kriegel (alle SV Motor Babelsberg) sowie Alexander Jack und Marie-Luis Zuckschwerdt (beide PSG Dynamo Brandenburg).

So intensiv wie bei uns in Brandenburg wird nirgendwo in Deutschland Sumo betrieben.

Sumo-Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt

„So intensiv wie bei uns in Brandenburg wird nirgendwo in Deutschland Sumo betrieben“, sagt Sandra Köppen-Zuckschwerdt. Die 50-Jährige, in Sydney 2000, Athen 2004 und Peking 2008 Olympia-Teilnehmerin im Judo, brachte Ende der neunziger Jahre Sumo nach Deutschland und sorgte in den Jahren danach mit ihren Erfolgen für einen regelrechten Hype um den japanischen Nationalsport, der von vielen Mythen und noch mehr Traditionen umgeben ist.

Sieben WM- und EM-Titel sowie Gold bei den World Games – dem „Olympia“ für nicht olympische Sportarten – stehen in ihrer Vita. Heute ist sie Bundestrainerin und Präsidentin des Deutschen Sumo-Bundes und damit weiter Motor für eine Nischensportart.


Mehr als 300 Sumo-Sportler in Brandenburg

Offizielle Zahlen vom Deutschen Olympischen Sport Bund (DOSB) zu Sumo in Deutschland gibt es nicht. In Brandenburg hat sich der japanische Ringkampf dagegen etabliert und wird derzeit von 306 Sportlerinnen und Sportlern in sechs Vereinen betrieben. Gut die Hälfte davon gehören zur PSG Dynamo Brandenburg – dem Verein, bei dem mit Sandra Köppen-Zuckschwerdt und ihrem Trainer und Ehemann Wolfgang Zuckschwerdt alles begann.

In Spremberg wird seit Anfang 2020 Sumo gekämpft, rund 30 Mitglieder zählt die Abteilung von Trainer Phumpanya Mazur, der selbst auch als Athlet bei der WM am Start ist. „Ja, wir sind ein kleiner Verband. Wir haben angefangen mit Sumo aus Büchern und Videos, aber wir haben uns in den vergangenen Jahren voll hochgearbeitet – solche Erfolge hatte kaum eine andere Sportart“, sagt Sandra Köppen-Zuckschwerdt. Nach den World Games 2020 habe ein Verjüngungsprozess in der Nationalmannschaft eingesetzt. Bei der WM in Bangkok sei die Zeit nun wieder reif, Medaillen zu gewinnen.


Lucie Fiedler aus Spremberg ist Medaillenhoffnung

„Wir fahren mit einem gut vorbereiteten und hochmotivierten Team nach Bangkok. Die Athleten haben in den vergangenen Monaten hart gearbeitet und verdienen diese Chance. Wir möchten nicht nur teilnehmen, sondern aktiv ins Geschehen eingreifen“, so Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt.

Besonders im Nachwuchsbereich gelte es, das hohe Niveau der Vorjahre zu bestätigen und Erfahrungen für den weiteren internationalen Weg zu sammeln. „Ich hoffe und bete für eine Medaille im Jugendbereich“, sagt Sandra Köppen-Zuckschwerdt. Für die könnte Lucie Fiedler sorgen, die im Vorjahr Platz fünf belegte und ganz knapp Edelmetall verpasste. „Lucie hat bei den Mädchen eine gute Chance, wenn sie gut drauf ist. Ihr traue ich eine Medaille zu“, sagt die Bundestrainerin.

Dass nur Dicke beim Sumo kämpfen, ist ein Klischee. Viele Leute denken immer, da rennen zwei Puddinge aufeinander zu. Das ist aber nicht so.

Sumo-Bundestrainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt

Kurios: Lucie Fiedler muss für ihren Medaillentraum in der U18 erstmal noch Gewicht abnehmen – im Gegensatz zu den professionellen Sumo-Kämpfern in Japan gibt es im internationalen Wettkampfsport wie im Ringen oder Judo auch Gewichtsklassen. „Dass nur Dicke beim Sumo kämpfen, ist ein Klischee. Viele Leute denken immer, da rennen zwei Puddinge aufeinander zu. Das ist aber nicht so. Ich hab hier Leute, die müssen zunehmen. Und ich hab hier Leute, die müssen abnehmen“, erklärt Sandra Köppen-Zuckschwerdt.

Lucie Fiedler gehört in die zweite Kategorie. Die Sprembergerin startet in der U18 im Limit bis 60 kg. „Wir haben vor drei Monaten die Entscheidung getroffen. Ich habe danach meine Ernährung umgestellt und auch mehr trainiert“, sagt Fiedler, die seitdem fast fünf Kilogramm Gewicht verloren hat. Auch an der Schnelligkeit beim Start habe sie intensiv gearbeitet. „Nachdem ich so knapp im Vorjahr Bronze verpasst habe, möchte ich in diesem Jahr unbedingt eine Medaille gewinnen – mindestens Bronze“, sagt Lucie Fiedler, die vor Jahren durch einen Sumo-Schnuppertag in Spremberg zum Sport kam.


„Schocktherapie“ auf knüppelhartem Boden

Am Montag ist die Brandenburger Reisegruppe, verstärkt durch Johanna Rabl (JC Ueckermünde) und Lorenz Moor (KiK Berlin), nach Bangkok geflogen. Nach dem Wiegen am Donnerstag und Freitag erwartet dort die Sumo-Ringerinnen und -Ringer im Nantanakarn Building der Rangsit University neben schwül-warmen Temperaturen und einer fremden Kultur auch ungewohnte Bedingungen.

Während zuhause in Brandenburg wie beim Judo auf Matten trainiert wird, wird für die WM der 4,55 Meter große Ring (Dohyo) aus Stroh und Lehm gestampft. „Das wird für viele unserer jungen Leute eine Schocktherapie. Der Boden ist knüppelhart – wie Beton“, warnt Sandra Köppen-Zuckschwerdt. Es empfiehlt sich also auf jeden Fall auf den Füßen zu bleiben. Ohnehin hat die meist nur wenige Sekunden dauernden Kämpfe verloren, wer den Dohyo verlässt oder den Boden mit einem anderen Körperteil als den Fußsohlen berührt.


Rückkehr in das World-Games-Programm der nächste Schritt

Neben einer erfolgreichen WM in Bangkok haben Sandra Köppen-Zuckschwerdt und Lucie Fiedler noch einen zweiten gemeinsamen Wunsch: dass ihre Sportart irgendwann olympisch wird. „Ja, natürlich habe ich als Leistungssportlerin den Traum, einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein“, sagt Fiedler. Erste Schritte seien gemacht, wie Gender-Equality bei der WM oder die Einführung von Gewichtsklassen. „Aber wir brauchen natürlich noch ein viel größere Breite für den Sport, nicht nur in Deutschland“, sagt Sandra Köppen-Zuckschwerdt.

Nächstes Ziel sei es, 2029 bei den World Games in Karlsruhe wieder im Programm zu stehen. Dafür und für ihre Sportlerinnen und Sportler arbeitet Sandra Köppen-Zuckschwerdt jeden Tag. „Das Schöne ist, dass wir beim Sumo alle gemeinsam Sport treiben können. Solange ich das Gefühl habe, dass ich gebraucht werde, mache ich weiter. Ich liebe diesen Sport.“

Video: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.09.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Juschus