Warschau – Russische Drohnen drangen in der Nacht offenbar gezielt in den Luftraum von Polen ein. Sie wurden von der polnischen Armee abgeschossen, mindestens ein Wohnhaus wurde beschädigt. Polen und die Nato sind in Alarm-Zustand, am Morgen äußerte sich Polens Ministerpräsident Donald Tusk (68).
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Sein Land sei bereit, auf jegliche Angriffe oder Provokationen zu reagieren, so Tusk: „Wir haben es mit einer großangelegten Provokation zu tun.“ Polen sei bereit, solche Provokationen abzuwehren. „Die Lage ist ernst, und wir müssen uns ohne Zweifel auf verschiedene Szenarien vorbereiten.“
Tusk warnte im Parlament in Warschau eindringlich: „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg standen wir einem offenen Konflikt so nah.“ Mit fünf Millionen zivilen Opfern litt Polen wie kaum ein anderes Land unter dem Vernichtungskrieg zwischen 1939 und 1945. Mit „wir“ dürfte Tusk deshalb vor allem sein eigenes Land gemeint haben.
Polen beantragt Nato-Konsultationen
Nach dem Abschuss von mehreren Drohnen hat Polen Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragt – eine völkerrechtliche Vorstufe zum Bündnisfall nach Artikel 5.
Auf X hatte der Premier zuvor den gefährlichen Zwischenfall bestätigt: „Gestern Nacht wurde der polnische Luftraum von einer großen Anzahl russischer Drohnen verletzt. Diejenigen Drohnen, die eine direkte Bedrohung darstellten, wurden abgeschossen. Ich stehe in ständigem Kontakt mit dem Generalsekretär der Nato und unseren Verbündeten.“ Er berief eine Krisensitzung ein.
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Artikel 4 Nordatlantikvertrag: Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist.
Das heißt: Jeder Mitgliedstaat kann im Fall einer Bedrohung seiner „territorialen Integrität, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit“ die Einberufung einer Sitzung des Nordatlantikrates in Brüssel verlangen. Auf der Sitzung des Nato-Rats muss das Thema besprochen werden – das kann zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen führen, muss es aber nicht.
Kallas: Hinweise für Absicht
Die estnische EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (48) schrieb auf X: „Letzte Nacht hat es in Polen die schlimmste Luftraumverletzung durch Russland seit Beginn des Krieges gegeben. Es gibt Hinweise darauf, dass das absichtlich und nicht versehentlich passiert ist.“
Polens Ministerpräsident Donald Tusk (sitzt vor den Flaggen) mit Regierungsmitgliedern und Militärs bei der Krisensitzung
Foto: AP
Selenskyj: Die Russen müssen die Konsequenzen spüren
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (47) äußerte sich. Die Drohnen waren zeitgleich mit einem russischen Angriff auf die Ukraine in den polnischen Luftraum eingedrungen. Nach seinen Angaben auf X habe die russische Armee „rund 415 Drohnen verschiedener Typen und mehr als 40 Marschflugkörper und ballistische Raketen“ auf die Ukraine abgefeuert, eine Person kam dabei ums Leben.
Zum Drohnen-Alarm in Polen wurde Selenskyj deutlich: „Moskau überschreitet stets die Grenzen des Möglichen, und wenn es nicht auf eine starke Reaktion stößt, bleibt es bei der neuen Eskalationsstufe. Heute kam es zu einer weiteren Eskalationsstufe.“
Selenskyj warnt: „Ein äußerst gefährlicher Präzedenzfall für Europa. Ob es weitere Schritte geben wird, hängt ganz von der Koordinierung und Stärke der Reaktion ab. Die Russen müssen die Konsequenzen spüren. Russland muss spüren, dass der Krieg nicht ausgeweitet werden kann und beendet werden muss.“
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Der bekannte polnische General Leon Komornicki, ehemaliger Vize-Generalstabschef der polnischen Armee, sprach sogar von „Feigheit“ der Nato gegenüber dem russischen Aggressor. Er habe bereits vor so einem Zwischenfall gewarnt, schrieb der General auf X: „Leider hat es an Entschlossenheit gefehlt, und die Feigheit hat viel zu lange angedauert. Diese Feigheit und das Ausbleiben einer Reaktion betreffen auch die Nato …“
Er forderte, Brigade- und Divisionseinheiten der Flugabwehrtruppen in volle Bereitschaft zu versetzen.
Sicherheitsexperte Prof. Carlo Masala (Bundeswehr-Uni München) ordnet die Lage dagegen eher zurückhaltend ein. Er zu BILD: „Vereinzelt flogen Drohnen schon lange auch über den polnischen Luftraum. In diesem Ausmaß und in dieser Tiefe haben wir das aber noch nicht gesehen. Russland testet Polen schon lange. Dass die Polen plötzlich reagieren, überrascht mich. Aber noch wissen wir nicht, ob die Drohnen bewaffnet waren und ob sie bewusst auf einen Angriff auf Polen zielten.“
Auch die Nato wertet das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum einem Insider zufolge nicht als Angriff.
Ersten Anzeichen zufolge sei der Einflug von sechs bis zehn Drohnen absichtlich erfolgt, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Nato-Kreisen. Es sei allerdings das erste Mal gewesen, dass Nato-Kampfflugzeuge potenziellen Bedrohungen im gemeinsamen Luftraum entgegengetreten seien. An dem Einsatz seien polnische F-16-Kampfjets, niederländische F-35-Maschinen und italienische Awacs-Aufklärungsflugzeuge beteiligt gewesen. Die in der Region stationierten Patriot-Luftabwehrsysteme hätten die Drohnen zwar auf dem Radar erfasst, aber nicht bekämpft.