Florian Wiegand ist aufgeregt. Erstaunlich für einen, der 13 Jahre lang Konzertchef der Salzburger Festspiele war, im Kulturbetrieb also alles erlebt haben dürfte, was man da so erleben kann. Jetzt aber stellt er sich in der Isarphilharmonie als Intendant der Münchner Philharmoniker seinem neuen Publikum vor, deshalb ist er aufgeregt. Das Publikum indes spendet warmen, ja enthusiastischen Begrüßungsapplaus.

Wiegand ist Münchner, 1973 hier geboren, er erzählt ein wenig von seinem Werdegang. Etwa wie ihn der damalige Oberbürgermeister Christian Ude als Dank für ein von Wiegand organisiertes Benefizkonzert für ein Praktikum in die Administration der Münchner Philharmoniker vermittelte. Das war vor rund 30 Jahren, jetzt kehrt er zurück. Dazwischen liegt eine internationale Karriere, beim Pittsburgh Symphony Orchestra und dessen Chef Mariss Jansons etwa oder beim Konzerthaus Dortmund; während seiner Zeit dort waren die Münchner Philharmoniker wiederholt zu Gast. Und dann eben Salzburg, kein Angebot der Welt hätte ihn dort weglocken können. Bis ihn ein Anruf ereilte, ob es ihn nicht reizen würde, Intendant der Münchner Philharmoniker zu werden.

Man wüsste gern, wer ihn da anrief, denn in München erwartete Wiegand eine Findungskommission und diverse Runden in dieser. Am Ende waren zwei Kandidaten übrig, Wiegand und Christian Beuke, der damals PR-Chef der Philharmoniker war, eine völlig unzureichende Beschreibung seiner Tätigkeit, denn letztlich machte er alles, was der eigentliche Philharmoniker-Intendant Paul Müller nicht tat, also ziemlich viel. Als Dank dafür wählte die Kommission Weigand zum Intendanten, allerdings haben in diesem Geschäft Hausberufungen selten eine Chance. Und Wiegand ist mit seiner Erfahrung in ebendiesem Geschäft für jeglichen Leitungsposten prädestiniert, Beuke, für den Ähnliches gilt, ist inzwischen Orchesterdirektor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO).

Nun steht Florian Wiegand vor dem Orchester (hinten) und dem Publikum (vorn), ist ganz Charme und Glück, freut sich auf eine „lebendige Zukunft“, berichtet von seiner Begeisterung über das Engagement der Philharmoniker vor und hinter der Bühne. Und er erzählt auch, dass Lahav Shani ein Grund gewesen sei, den Job in Münchner anzustreben. Shani wird in einem Jahr das Amt des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker übernehmen, jetzt kommt er zum Musikmachen.

Sol Gabetta spielt den Solopart in Edward Elgars Cellokonzert; alles ist reine, dunkle, wehe Poesie.Sol Gabetta spielt den Solopart in Edward Elgars Cellokonzert; alles ist reine, dunkle, wehe Poesie. (Foto: Tobias Hase/mphil)

Saisoneröffnungskonzerte haben immer einen eigenen Zauber (auch wenn die Münchner Philharmoniker im Anschluss erst einmal eine kleine Europatournee machen und erst Ende September wieder in der Isarphilharmonie spielen). Hier ist der Zauber ein zarter. Shani dirigiert das Cellokonzert von Edward Elgar, Sol Gabetta spielt den Solopart, alles ist reine, dunkle, wehe Poesie. Shani modelliert einen perfekt abgestimmten Orchesterklang mit seinen Händen, wie immer ohne Stab und Partitur, Gabetta ist hellwach. Sie ist das Zentrum der Kommunikation, gibt aufmerksam nach einer der vielen Kadenz-artigen Passagen dem Orchester selbst den Einsatz, ist eine wundervolle Dialogpartnerin und erzählt mit ihrem Instrument Elgars Zerrüttungen. Sie spielt mit breitem Vibrato, aber dieses ist in sich gekehrt, als sinniere das Cello über das Leben, dessen Zuendegehen. Sol Gabetta will nie, auch wenn das die Partitur hergäbe, spektakulär sein. Als Zugabe spielt sie die Sarabande aus Bachs zweiter Cellosuite, mit ähnlichem Duktus, völlig frei von hohlem Virtuosentum.

Das Konzert ist durchaus ungewöhnlich programmiert, Standard wäre: irgendeine Ouvertüre, Cellokonzert, nach der Pause eine Symphonie. Hier: vor der Pause Elgar, danach Schuberts siebte Symphonie, dann Wagner, „Tristan und Isolde“, Vorspiel und „Liebestod“, rein instrumental.

An diesem Abend ist Lahav Shani kein analytischer Dirigiert, er ist ein Klangvollender, mit Erfolg. Kostet bei Schubert die Dynamik mit elastischer Grandezza aus, aber Details der Struktur verschwinden im Wohlklang. Alles ist schön. Auch das „Tristan“-Vorspiel, aber dass diese Oper von der allergrößten Liebesraserei handelt, das erspürt man nicht. Mündet die Musik in den „Liebestod“, öffnen sich die Seufzer wie Blütenkelche, die Worte hört man ungehört mit, die Wellen des Gemüts münden in eine späte Erfüllung. Hier gibt Shani Scheu und Zurückhaltung auf, „ertrinken, versinken“, denkt man sich, die Münchner Philharmoniker spielen zauberhaft.