Es war ein Tag voller Symbolkraft, Zuversicht und handwerklicher Tradition: In Halle-Osendorf wurde am Mittwoch das Richtfest für den neuen „Campus Handwerk“ gefeiert. Wo vor rund 100 Jahren noch Braunkohlebagger gewartet wurden und in den 1950er Jahren die Berufsschule der Baumechanisierung untergebracht war, entsteht bis Ende 2026 ein Bildungszentrum, das Maßstäbe setzt.

Insgesamt rund 45 Millionen Euro fließen in das Großprojekt, das die Handwerkskammer Halle (HWK) federführend realisiert. Auf über 8.000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen acht Hallen, 19 spezialisierte Werkstätten und 238 Ausbildungsplätze für Lehrlinge aus den verschiedensten Gewerken – von Metall über Bau bis hin zu Lebensmittel- und Elektrotechnik. Es ist eines der größten und ambitioniertesten Vorhaben im Bereich der überbetrieblichen Ausbildung, das Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat.

Ein Bau mit Bedeutung – mehr als nur Steine und Technik

„Der Neubau des Technologie- und Bildungszentrums ist ein deutliches Bekenntnis zur dualen Berufsausbildung“, sagte Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne beim Richtfest. Der Standort sei nicht nur architektonisch zukunftsweisend, sondern auch inhaltlich. Denn hier werde das, was das Handwerk ausmacht – Praxis, Präzision und technisches Know-how – mit modernsten Ausbildungsmethoden verbunden.

Grimm-Benne unterstrich die strategische Bedeutung des Projekts: „Das Handwerk ist das Rückgrat unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft, unserer Infrastruktur. Wer Fachkräfte ausbildet, der investiert direkt in die Stabilität und Zukunft unseres Landes.“ Mit einer Fördersumme von 6,7 Millionen Euro unterstützt das Land Sachsen-Anhalt das Projekt – zusätzlich zu den Bundesmitteln und Eigenmitteln der HWK Halle.

Die Arbeitsministerin hob besonders hervor, dass das neue Zentrum als Campus konzipiert sei – ein Ort, an dem Lernen, Arbeiten und Leben zusammen gedacht werden. „Wir schaffen hier einen Ort mit Aufenthaltsqualität, Gemeinschaftssinn und Raum für persönliche Entwicklung. Das ist keine sterile Ausbildungsstätte – das ist ein Lebensort für die Zukunft des Handwerks.“

Ein Meisterwerk für die Region – „Kronjuwel der Bildung“

Für die Handwerkskammer ist das Projekt ein Meilenstein. „Wir schaffen hier ein Kronjuwel der Bildung“, sagte HWK-Präsident Thomas Keindorf in seiner Rede. Es gehe nicht nur darum, moderne Gebäude zu errichten – sondern um eine langfristige, nachhaltige Investition in das Fundament des Handwerks: gut qualifizierte junge Menschen.

Keindorf hob hervor, dass viele kleine Handwerksbetriebe aufgrund ihrer Spezialisierung nicht alle Ausbildungsinhalte in voller Breite und Tiefe vermitteln können. Deshalb sei die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) in spezialisierten Bildungszentren wie dem Campus Handwerk unverzichtbar: „Hier ergänzen wir das Lernen im Betrieb und in der Berufsschule durch gezielte Fachkurse, die mit modernsten Maschinen, Geräten und digitalen Technologien arbeiten.“

Er erinnerte auch an die über 600-jährige Tradition des Richtfestes in der Region – mit Ritualen wie dem Richtkranz, dem letzten Nagel oder dem zersprungenen Glas, die Glück bringen sollen. In Anbetracht des akuten Fachkräftemangels könne das Handwerk diesen Glückssegen gut gebrauchen, meinte Keindorf mit einem Augenzwinkern – und verband die Feier mit einem Wunsch: „Ein solches Projekt verdient auch Sichtbarkeit. Ich wünsche mir, dass an den Straßen rund um Osendorf bald auch große Hinweisschilder auf den Campus Handwerk aufmerksam machen.“

Ministerpräsident Haseloff: „Ein Hoch auf die duale Ausbildung“

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff nahm am Richtfest teil – und machte klar, dass die Zukunft des Landes ganz entscheidend von gut ausgebildeten Fachkräften abhängt. „Mit diesem Projekt zeigt die Handwerkskammer Halle, dass sie auf der Höhe der Zeit ist“, so Haseloff. Das Bildungszentrum werde ein Ort, an dem Stolz auf Tradition und Fortschritt durch Technologie Hand in Hand gehen.

In seinen Worten schwang auch politische Mahnung mit: „Die Berufsbilder im Handwerk haben sich massiv verändert. Heute sprechen wir in vielen Bereichen von Hightech-Berufen – sei es durch Automatisierung, Digitalisierung oder smarte Energie- und Umwelttechnologien. Das Bild vom Handwerk muss in den Köpfen der Menschen mitwachsen.“

Haseloff zeigte sich erfreut über den neuen Höchststand der Übernahmequote im Handwerk: 83 Prozent der Auszubildenden wurden 2024 in Sachsen-Anhalt von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen – deutlich mehr als im ost- oder bundesdeutschen Schnitt (jeweils 78 Prozent).

Fachkräfte von morgen – für Wirtschaft und Gesellschaft von heute

Der „Campus Handwerk“ richtet sich jedoch nicht nur an Jugendliche am Beginn ihrer Ausbildung, sondern soll auch ein Zentrum für Weiterbildung und Qualifikation werden – etwa für Gesellen auf dem Weg zum Meister oder für Umschüler aus anderen Berufen. Lebenslanges Lernen werde im Handwerk zunehmend zum Schlüsselbegriff, betonte Arbeitsministerin Grimm-Benne: „Weiterbildung, gute Arbeit und attraktive Arbeitsbedingungen – das alles beginnt mit hochwertigen Ausbildungsorten.“

Vor diesem Hintergrund wies die Ministerin auch auf die Praktikumsprämie des Landes hin: Wer ein Praktikum im Handwerk absolviert, wird finanziell unterstützt – mit dem Ziel, dass junge Menschen sich für eine Karriere in dieser vielfältigen und zukunftssicheren Branche entscheiden.

Ein Ort mit Geschichte – und großer Zukunft

Das Gelände selbst erzählt die wechselvolle Geschichte des ostdeutschen Strukturwandels: Vom Reparaturwerk des Tagebaus über die Berufsschule zur Wendezeit, hin zum Bildungszentrum des Handwerks – stets war der Standort ein Ort der Arbeit, des Lernens und der Veränderung. Bereits 1990, noch vor der Wiedervereinigung, fanden hier erste Ausbildungskurse unter Trägerschaft der HWK statt. Jetzt soll der Standort mit dem Campus Handwerk endgültig zu einem Zukunftsort der Bildung werden.

Fördermittel, Baukosten und ein letzter Wunsch

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Jens Schumann, dankte beim Richtfest ausdrücklich den Fördermittelgebern von Bund und Land, mahnte aber auch: „Angesichts steigender Baukosten hoffen wir auf wohlwollende Prüfung eines weiteren Fördermittelantrags beim Bund.“ Das Projekt sei gut vorangeschritten – aber um die geplante Qualität bis zur Fertigstellung 2026 zu sichern, brauche es finanzielle Planungssicherheit.

Ein Hoch auf das Handwerk – mit Bier vom Fass

Zum Ausklang des Richtfestes wartete ein besonderes Andenken auf die zahlreichen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Verbänden und Bildungseinrichtungen: Eine Flasche Richtfestbier – gebraut in Halle, versteht sich. Auch das eine Erinnerung daran: Brauen ist Handwerk. Und das Handwerk lebt – innovativ, praxisnah, zukunftsfähig.