Nach dem extremistischen Brandanschlag auf das Berliner Stromnetz sind weiterhin Tausende von Menschen sowie viele Firmen und Geschäfte betroffen. Am frühen Morgen hatten immer noch 20.000 Haushalte keinen Strom.- Zwischenzeitlich wurde es besser: Laut eines Sprechers von Stromnetz Berlin hatten am späten Mittwochnachmittag rund 13.700 Kunden weiter keinen Strom.

Am Mittwochabend blieb es ab 20 Uhr in Teilen von Adlershof, Altglienicke und weiteren Ortsteilen Treptow-Köpenicks jedoch erneut dunkel: In Straßen, die bereits zuvor wieder Strom hatten, war der Strom noch einmal weg. Grund sei der „Ausfall einer Zwischenlösung“, hieße es von Stromnetz Berlin. Betroffen seien etwa 6300 Haushalte, die erst in den frühen Morgenstunden des Donnerstags wieder mit Strom versorgt werden sollen. Damit waren am Abend wieder 20.000 Haushalte ohne Strom.

Bereits zuvor hatte Stromnetz Berlin mitgeteilt, dass während der Abendstunden und der Nacht nicht damit zu rechnen sei, dass in zahlreichen weiteren Haushalten wieder das Licht eingeschaltet werden könne. Aber bis spätestens Donnerstagabend sollen alle Kunden wieder mit Strom versorgt sein, betonte der Sprecher. Die Statik der Strommasten sei nicht betroffen. Dennoch: Bis der ursprüngliche Zustand vollständig wiederhergestellt würde, könnten mehrere Wochen vergehen.

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30.000 weitere Haushalte und Gewerbekunden waren seit Dienstagvormittag nach und nach wieder an das Stromnetz angeschlossen worden. Betroffen vom Ausfall waren auch S-Bahnhöfe, Einkaufszentren, viele einzelne Geschäfte sowie Pflegeheime. Mehrere Schulen hatten am Mittwoch geschlossen, sollten am Donnerstag aber wieder normalen Unterricht abhalten. 

Für uns ist das eine neue Qualität. Wir haben einen solchen Anschlag, so einen Brand, als Unternehmen in der Form noch nicht erlebt.

Henrik Beuster, Sprecher Stromnetz Berlin

Nach Angaben des Netzbetreibers ist der großflächige Stromausfall schon jetzt der längste derartige Störfall seit mindestens 25 Jahren in der Hauptstadt. Dies sagte Pressesprecher Henrik Beuster der Nachrichtenagentur dpa. Die Dauer des letzten großen Blackouts 2019 in Köpenick wurde schon übertroffen, sagte er am Nachmittag. „Für uns ist das eine neue Qualität. Wir haben einen solchen Anschlag, so einen Brand, als Unternehmen in der Form noch nicht erlebt.“

Die meisten Supermärkte und Einzelhändler im betroffenen Gebiet konnten ihre Tiefkühlware dem Handelsverband Berlin-Brandenburg (HDE) zufolge retten. „Sie haben dafür gesorgt, die Ware sofort in Kühllaster umzulagern“, sagte Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen. Diese blieben entweder neben den Geschäften stehen oder brachten die Lebensmittel in die Großlager im Umland. 

In früheren Fällen hätten manche Supermärkte ihre Tiefkühlkost auch an Kunden verschenkt, sagte Busch-Petersen. Das sei dieses Mal aber nicht nötig gewesen. Auch die finanziellen Verluste hielten sich in Grenzen. Die meisten seien für solche Fälle versichert.

Die durch den Brand beschädigten Leitungen sind aktuell leider nicht nutzbar.

Mitteilung von Stromnetz Berlin

Die vergangene Nacht sei ruhig verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwochmorgen dem Tagesspiegel auf Anfrage. Vermehrte Raubüberfälle oder ähnliche Straftaten seien in dem vom Stromausfall betroffenen Gebiet ausgeblieben.

Auch aus Sicht der Feuerwehr ist die Nacht in Treptow-Köpenick „weitestgehend ruhig“ verlaufen. „Zahlreiche Einsatzkräfte, vor allem aus den Hilfsorganisationen und den Freiwilligen Feuerwehren, sorgten für Sicherheit und eine ständige Erreichbarkeit“, teilte die Feuerwehr mit. Auch am Mittwoch seien weite Teile Treptow-Köpenicks noch ohne Strom. Daher könne es weiterhin zu Problemen im Mobilfunknetz kommen. Für Notfälle gebe es die extra eingerichteten Notrufannahmestellen.

Notrufannahmestellen und Betreuungsstellen

Wie die Berliner Feuerwehr am Mittwochabend mitteilte, wurden die Standorte der Notrufannahmestellen sowie der Betreuungsstellen angepasst. Stand 18 Uhr gelten nun diese Standorte:

Notrufannahmestellen

• Semmelweisstraße 83, 12524 Berlin

• Schönefelder Chaussee/ Wegedornstraße, 12524 Berlin

• Ehrenfelder Platz, 12524 Berlin

• Oberspreestraße 37, 12493 Berlin

• S-Bhf Spindersfeld, 12555 Berlin

• Eisenhutweg/ Straße am Flugplatz, 12487 Berlin

Betreuungsstellen

• Hans-Schmidt-Straße 16, 12489, Gesundheitsamt

• Mohnweg 20, 12524 Berlin, Grundschule Mohnweg

Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) sagte in einem Video, das auf X veröffentlicht wurde, dass es in der Nacht nur wenig Notfälle mit dringenden Angelegenheiten gegeben habe. Die Menschen in den Gebieten ohne Strom könnten an bis zu 15 Notfall-Standorten Hilfe erhalten und Notrufe absetzen. Das Bezirksamt sei weiterhin erreichbar und biete seine volle Unterstützung an.

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Am Dienstag früh war nach einem linksextremistischen Brandanschlag der Strom großflächig im Berliner Südosten ausgefallen, zunächst waren 50.000 Haushalte betroffen. An zwei Strommasten in Johannisthal hatten die Unbekannten Feuer gelegt.

Linksextremisten: „Angriff auf militärisch-industriellen Komplex“

Auf einer linksextremistischen Internetseite wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht. Der für politische Delikte zuständige Staatsschutz im Landeskriminalamt prüft die Echtheit des Schreibens, das mit „Einige Anarchist:innen“ unterzeichnet ist und wortreich den „Angriff auf militärisch-industriellen Komplex“ zu rechtfertigen versucht.

Senatorinnen fordern mehr Schutz für kritische Infrastruktur

Am Mittwoch forderten zwei Berliner Senatorinnen ein Umdenken und mehr Schutzmaßnahmen. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) sagte: „Wir alle müssen noch viel sensibler werden für die kritische Infrastruktur.“ Das betreffe nicht nur die Stromversorgung. Die Menschen sollten sich für Notfälle wappnen, riet sie. „So, wie wir es zu Corona-Zeiten gelernt haben.“ Dazu gehörten Lebensmittelvorräte, aber auch Batterien und Akkus, um autark kommunizieren zu können.

Wissenschafts- und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) räumte ein: „Es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir uns auf Anschläge und Sabotagen gezielter vorbereiten müssen, um die Sicherheit für die Menschen in Berlin und die Infrastruktur zu gewährleisten.“

Weiter hieß es seitens Czyborra: „Sollte sich offiziell bestätigen, dass sich der Anschlag gegen den Technologiepark Adlershof sowie gegen Firmen und Forschungseinrichtungen gerichtet hat, müssen wir schnell weiterführende Schritte in die Wege leiten.“ In diesem Fall habe Berlin noch „großes Glück“ gehabt. Aber die Täter hätten durch ihren Anschlag bewusst in Kauf genommen, „dass Menschen zu Schaden kommen und Leben gefährdet wird“. (dpa)

In der Vergangenheit hatte es zahlreiche Anschläge auf Kabel der Bahn sowie Stromleitungen und Mobilfunkmasten gegeben. 2024 war ebenfalls ein Strommast angezündet worden, um die Autofabrik Tesla zu treffen. Anfang 2025 hatten Unbekannte ebenfalls in Treptow-Köpenick Kabel der Bahn angezündet, ebenfalls aus Protest gegen Tesla.

So laufen die Reparaturarbeiten

Am Mittwoch teilte der Betreiber Stromnetz mit: „Die durch den Brand beschädigten Leitungen sind aktuell leider nicht nutzbar.“ In der Nacht wurden mehrere Kabel aus der Erde geholt, sie sollen am Mittwoch mit großen Kupplungen verbunden werden – sogenannten Muffen.

„Diese Muffen sind mehr als zwei Meter groß und verbinden armdicke Kabel. Sie müssen staubfrei montiert werden. Das ist sehr komplex und dauert etliche Stunden“, so ein Sprecher. „Deshalb gehen wir davon aus, dass bis Donnerstagabend wieder alle Strom haben.“

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Die Straßenbahnlinien 63 und M17 sind nach Angaben der BVG weiterhin auf Abschnitten eingestellt. Die M17 fährt nicht zwischen den S-Bahnhöfen Schöneweide und Adlershof, die Linie 63 nicht zwischen Köllnischer Platz und Landschaftspark Johannisthal beziehungsweise S-Bahnhof Schöneweide.

Die S-Bahn teilte mit, dass auf den Stationen Altglienicke und Oberspree Fahrgastinformationen, Aufzüge, Rolltreppen, Automaten und Entwerter nicht funktionieren. Nur in der Dunkelheit seien Busse eingesetzt worden, da auch die Bahnsteigbeleuchtung ausgefallen sei. Tagsüber fuhren die Züge am Dienstag und Mittwoch normal, sagte ein Bahnsprecher.

Kein Halt in Oberspree

Am Mittwochabend teilte die S-Bahn mit, dass auf der Line S47 von 20 Uhr bis 6 Uhr am Donnerstag der Halt in Oberspree „nach Sabotage an Energieanlagen“ entfalle. Ein Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Schöneweide und Oberspree sei eingerichtet.

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Der Netzbetreiber bat alle Kunden, die vom Stromausfall betroffen waren und nun wieder versorgt sind, um Mithilfe: „Bitte reduzieren Sie Ihren Stromverbrauch.“ So könne die Stromversorgung stabil gehalten und – wenn technisch möglich – weitere Kunden ans Netz angeschlossen werden, hieß es. Der Stromausfall in dem Gebiet dauert nun seit mehr als 24 Stunden an. (mit dpa)