Halle eins auf dem Werksgelände der Krone-Gruppe im emsländischen Spelle: Schrauben, Hämmern, Bohren. Gemurmel und Lachen im Hintergrund. Hier werden Ballenpressen für die Landwirtschaft gefertigt. Die Produktionslinie im Hauptmontagebereich ist voll belegt. Grün-gelbe Stahlriesen reihen sich aneinander, vom Rahmen am Anfang der Fertigungstaktung bis hin zum makellos glänzenden Endprodukt.
In der zweiten Halle dann das Kontrastprogramm. Eigentlich werden hier die sogenannten Selbstfahrer produziert, die kein Zuggerät benötigen und über einen eigenen Motor verfügen. Dazu gehören Mähmaschinen und Maishäcksler. Doch heute herrscht Stille in der Produktionshalle. Ein einzelner grüner Stahlrahmen steht verloren auf der Fertigungslinie. „Das ist die bittere Realität“, sagt Werksleiter Jens Gravemann.
Grund für den Produktionsstopp sind die US-Zölle in Höhe von 50 Prozent, die auf Stahl, Aluminium und Kupfer anfallen. Am 18. August hatte die US-Regierung die Zölle auf Hunderte Produktkategorien ausgeweitet, die Bestandteile aus Stahl, Aluminium und Kupfer enthalten. Das wird für die Hersteller jetzt zum Problem, denn die Tücke steckt im Detail: Es ist längst nicht nur der Zollsatz an sich, der den Absatz der Produkte erschwert. Der Landmaschinenhersteller muss für jede Maschine Zusammensetzung, Gewicht, Herkunft und Kosten der Einzelteile erheben. Wie genau das bei Zehntausenden Komponenten funktionieren soll? Das ist bisher unklar.
Eine Maschine besteht aus 15.000 Einzelteilen
In der Theorie lässt es sich errechnen, wie viel Aluminium und Stahl in so einer Landmaschine steckt. Das Problem: Ein Großteil der Komponenten für die Maschinen wird von Zulieferern gefertigt. Ein Maishäcksler besteht beispielsweise aus 15.000 Einzelteilen. Die Angaben zu den Komponenten müssten von den Lieferanten eingefordert werden, sagt Gero Schulze Isfort, Geschäftsführer der Bernard Krone Beteiligungs-GmbH. „Bis wir so weit wären, 15.000 Sachnummern für ein einziges Produkt im System mit allen Informationen zu erfassen, würde das ein Jahr dauern.“
Werksleiter Jens Gravemann (links) und Geschäftsführer Gero Schulze Isfort sind sich einig: Die neuen Zollvorgaben sind für Krone nicht umsetzbar.Maximilian Mann
Auch die Berechnungsgrundlage für den Zollsatz von 50 Prozent ist nicht bekannt, wie Bernard Krone, Eigentümer der Krone-Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzender, erklärt: „Ist es der Warenwert? Der prozentuale Anteil? Das Gewicht? Ein pauschal berechneter Anteil je nach Produktkategorie?“ Dem Zoll müsse man entsprechende Nachweise und Dokumente liefern, wie viel von welchem Bestandteil in den Produkten enthalten ist. „Wenn wir bei dieser Zolldeklaration Fehler machen, die mit Strafen belegt werden, und die Zölle so exorbitant hoch sind, sind das unternehmerische Risiken, die wir so nicht eingehen können“, stellt Schulze Isfort klar. „Das ist völlig unmöglich.“
Ob der erhöhte Zollsatz auch auf Maschinen fällig wird, die zum Beispiel über Kanada geliefert werden oder amerikanischen Stahl enthalten, ist bisher ebenfalls nicht detailliert geregelt.Trump hat mit seiner Regelung also eine unsichtbare Handelsbarriere errichtet, die ausländische Lieferanten wie Krone vor unüberwindbare Hürden stellt.
Kritik kommt auch vom Verband
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hatte in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Handelsdeal kritisiert. Er bedrohe viele Maschinen- und Anlagenbauer in ihrer Existenz, heißt es in dem Schreiben. Von Trumps Gerichtsstreit um möglicherweise rechtswidrig verhängte Zölle sind Abgaben auf bestimmte Produktgruppen, die Stahl, Aluminium und Kupfer enthalten, nicht betroffen.
Für die Krone-Gruppe, ein Familienunternehmen aus dem Emsland in Niedersachsen, das rund 10.000 Mitarbeiter beschäftigt und zuletzt 2,4 Milliarden Euro im Jahr umsetzte, ist die Situation schmerzhaft. Nordamerika ist für die Landtechniksparte der wichtigste Markt. Bis zu 15 Prozent der von Krone produzierten Landmaschinen gehen über den großen Teich, gut zwei Drittel davon in die USA, der Rest nach Kanada und Mexiko.
Doch jetzt herrscht Produktions- und Lieferstopp, zumindest bei den Selbstfahrern. „Was wir an Lieferungen mit erhöhtem Zollsatz noch verhindern konnten, wurde gestoppt. Bei Zöllen von bis zu 50 Prozent werden die Produkte so teuer, dass sie keinen Absatz mehr finden“, sagt Gero Schulze Isfort. „Wir brauchen unter diesen Umständen gar nicht mehr liefern.“ Bernard Krone zeigte sich Anfang des Jahres noch optimistisch. „Wir haben keine Angst vor Trump“, sagte er im Januar der F.A.Z. Heute ist er ernüchtert. „Das hätten wir nicht erwartet. Bei der letzten Amtszeit von Trump war das alles noch Populismus.“
Ein Teil der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit
In der Produktionshalle der Selbstfahrer steht Werksleiter Jens Gravemann nun allein da. Die Mitarbeiter, die in der Montage arbeiten, sollten eigentlich Anfang September aus der Kurzarbeit zurückkehren. Doch die wurde jetzt um zwei Wochen verlängert. „Wir mussten am Freitag entscheiden, dass wir am Montag nicht produzieren“, sagt er. „Wenn wir nicht sowieso noch im Kurzarbeitszyklus gewesen wären, hätten wir die Maschinen für die USA durchproduzieren müssen.“
Keine Montage bei den Selbstfahrern: Ein einzelner grüner Stahlrahmen steht auf der Fertigungslinie.Maximilian Mann
Die Produktionszeitfenster umzuplanen und Maschinen für andere Absatzmärkte zu produzieren, sei in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Schon vor einigen Monaten habe man aufgrund der unklaren Zollpolitik bereits produzierte Maschinen, auch auf eigenes Kostenrisiko, in die USA exportiert – ohne zu wissen, ob die Produkte abgesetzt werden können.
Landmaschinen, die schon für den nordamerikanischen Markt gefertigt wurden, können nicht so einfach rekonfiguriert werden. Das liegt an unterschiedlichen Vorgaben, was Maße und Normen betrifft und auch an verschiedenen Motortypen. „In der Landtechnik sind die Anforderungen der Märkte so unterschiedlich, dass man spezielle Produkte baut und diese Konfiguration anderweitig nicht zu verwenden ist“, sagt Schulze Isfort. „Wir versuchen natürlich, die aktuelle Situation mit mehr Umsatz in Mexiko und Kanada zu kompensieren.“
Bernard Krone führt das Familienunternehmen aus dem Emsland in vierter Generation.Maximilian Mann
Bernard Krone hofft darauf, dass auch in den USA selbst der Druck auf Trump wächst. „Die Kunden, die heute schon Maschinen aus Europa auf ihrem Hof haben, brauchen früher oder später Ersatzteile“, erklärt er. Zwar flitzen im Ersatzteil- und Logistikzentrum in Spelle fleißig Roboter umher, die Tausende Produkte automatisiert in die Regale sortieren, doch der Schein trügt. Ersatzteile liefert die Krone-Gruppe momentan ebenfalls nicht nach Nordamerika aus. Denn auch auf viele Ersatzteile ist der erhöhte Zollsatz fällig. „Das hat zur Folge, dass die Wartungs- und Unterhaltskosten dieser Maschinen teurer werden, was bei bestehenden amerikanischen Kunden, die auch Wähler der Republikaner sind, zu Unmut führt“, resümiert Krone.
Krone kritisiert die Kampflosigkeit der EU
Von den Verhandlungen der EU zeigt er sich enttäuscht: „Mit dieser Willkür, keine klaren Regelungen zu schaffen, und der Kampflosigkeit der EU, hätte ich nicht gerechnet.“ Problematisch sei auch, dass die Section 232, die die Verzollung von Aluminium-, Stahl- und Kupferderivaten regelt, alle vier Monate überprüft und auf weitere Produkte ausgeweitet werden kann. „Diese Unsicherheit ist ein großes Problem. Die Höhe der Zölle ist ein großes Problem“, sagt der Unternehmer. „Trotzdem werden wir es erst mal akzeptieren müssen, weniger Umsatz zu machen. Das kann man zum Teil noch kompensieren. Wird uns das aber auch an der ein oder anderen Stelle wehtun? Mit Sicherheit.“
Anfang Oktober will die Krone-Gruppe die Zollsituation neu bewerten. „Wir hoffen, dass die Zeit jetzt in unserem Sinne spielt, dass wir Ende des Jahres die Produktion für den amerikanischen Markt wieder aufnehmen können“, sagt Werksleiter Gravemann. „Wenn sich das bis dahin nicht ändert, können wir die Maschinen für den US-Markt so nicht produzieren.“
Dass Trump mit den Zöllen seiner heimischen Industrie nicht zwingend hilft, zeigt das Beispiel des Kreiselschwaders, eines Geräts zum Zusammenfassen von Heu oder Stroh. Derzeit ist der nicht von den erhöhten Zöllen betroffen. „Die Endmontage der Schwader machen wir eigentlich in den USA“, sagt Bernard Krone. „Wenn wir aber die Einzelteile ins Land bringen, werden diese teilweise mit 50 Prozent verzollt. Das heißt, wir können die Endmontage nicht, wie bisher, in den USA durchführen, was dann wiederum die Arbeitsplätze dort bedroht.“ Ein vermeintlicher vorteilhafter Schachzug des US-Präsidenten, der im Endeffekt dem eigenen Land schadet.