Trotz der aktuellen Talfahrt gilt die Automobil- und Zuliefererindustrie mit insgesamt 3,2 Millionen Beschäftigten immer noch als wichtigstes Standbein der deutschen Wirtschaft. Mit ihrem Wertschöpfungsbeitrag in Höhe von 341 Milliarden Euro sichert sie hochproduktive und innovationsstarke Arbeitsplätze. Doch die Risiken sind enorm – für manche Regionen auch in Baden-Württemberg ganz besonders.

Seit 2019 wurden insgesamt rund 55 000 Arbeitsplätze abgebaut. Bis 2030 planen Hersteller und Zulieferer bisher einen weiteren Schwund von rund 100 000 Arbeitsplätzen – unterm Strich könnte der Netto-Abbau 90 000 Jobs betragen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einer Studie ermittelt, welche Regionen sich im Zuge der Transformation am stärksten wandeln müssen, um den Rückgang rund um den Verbrennermotor zu verkraften.

Stuttgart mit zweitgrößtem Beschäftigungsanteil an der Industrie

Direkt in der Automobilindustrie arbeiten knapp unter 900 000 Menschen – gut 220 000 in Baden-Württemberg. Die größten Beschäftigtenanteile an der Industrie weisen Wolfsburg (7,0 Prozent), Stuttgart (6,8), München (6,4), Ingolstadt (4,6) und Böblingen (3,5) auf – allesamt Standorte von Automobilherstellern (OEMs). Die Abhängigkeiten gehen weit darüber hinaus: 116 von 400 Kreisen und kreisfreien Städten bundesweit haben eine besondere Prägung durch die Automobilwirtschaft. Während im Schnitt 3,4 Prozent aller Beschäftigten in der produktionsnahen Automobilwirtschaft tätig sind, liegt der Anteil in den 116 Regionen bei 8,4 Prozent.

Die Tochterfirma IW Consult hat 36 Regionen identifiziert, die stark vom Wandel betroffen sind – 17 von ihnen liegen in Bayern sowie Baden-Württemberg. Dort konzentriert sich die Wirtschaft noch in besonderem Maße auf den konventionellen Motor. In Salzgitter etwa hängen immense 14 Prozent aller Jobs am Verbrenner und in Rastatt 7,0 Prozent, während es im Bodenseekreis noch 3,3 Prozent und in Stuttgart 2,0 Prozent sind. Die Einteilung in vier Transformationscluster macht deutlich, dass die Aufgaben höchst unterschiedlich sind.

19 besonders herausgeforderte Regionen – drei aus dem Südwesten

Unter den 36 Regionen benennt IW Consult zunächst 19 besonders herausgeforderte Regionen mit unterdurchschnittlichen regionalen Zukunftschancen und noch begrenzten Erfolgen im Transformationsprozess. Aus Baden-Württemberg sind auf den Plätzen sechs bis acht die Landkreise Rastatt, Calw und Rottweil verzeichnet. Dort müssten die Alarmsirenen besonders laut schrillen. Denn abgesehen von schwachen strukturellen Rahmenbedingungen haben diese Regionen aus Sicht der IW-Forscher lediglich geringe Fortschritte im Transformationsprozess gemacht. Der Aufbau neuer automobiler Chancenfelder (also bei Elektrifizierung, Automatisierung und der Vernetzung von Fahrzeugen) verläuft schleppend, während traditionelle Antriebe in den Automotive-Unternehmen eine dominante Rolle spielen. Die Folge ist ein Rückgang der Beschäftigung.

Fünf High-Performance-Regionen

Doch nicht alle Regionen sind gleichermaßen bedroht: Manche wie Heilbronn profitieren von der guten Lage sowie Anbindung an Universitäten und innovative Unternehmen. In anderen Städten wie Salzgitter oder Kassel hat die Industrie begonnen, sich an neue Technologien anzupassen. Für Stuttgart oder Ingolstadt gilt sogar beides.

Die Forscher machen fünf sogenannte High-Performance-Regionen aus, die überdurchschnittlich positive Zukunftschancen und bereits großen Erfolg im Transformationsprozess vereinen. An erster Stelle genannt werden vor allem Stuttgart und der Landkreis Ludwigsburg genannt, ferner Ingolstadt als Audi-Standort, der Landkreis Bamberg und der Ilm-Kreis in Thüringen. Diese Regionen werden als attraktive Vorbilder für nachhaltige Entwicklung bezeichnet.

Vorreiterregionen haben eine gute Forschungslandschaft

Dazu gehört eine starke Hochschul- und Forschungslandschaft. Auffällig sei beispielsweise in Stuttgart der hohe Anteil an Absolventen in den Mint-Fächern. Abgesehen vom Landkreis Ludwigsburg haben alle High-Performance-Regionen eine überdurchschnittliche Zahl an Studierenden. Ein weiteres Kennzeichen dieser Vorreiterregionen ist eine moderne digitale Infrastruktur. Unternehmen profitieren oftmals von einem gut ausgebauten Glasfasernetz, das den Einsatz neuer Technologien wie KI ermöglicht.

Transformationsinseln – also Regionen mit Erfolg beim Voranschreiten im Transformationsprozess, aber unterdurchschnittlichen regionalen Zukunftschancen – zeichnen sich durch eine erfolgreiche Anpassung innerhalb der Automobilwirtschaft aus. IW Consult zählt sieben der 36 besonders betroffenen Regionen zu diesem Cluster, allerdings keine aus dem Südwesten.

Mehr politischen Rückenwind gefordert

Zudem werden fünf „Refokussierungsregionen“ mit überdurchschnittlichen Zukunftschancen, aber eingeschränktem Erfolg im Transformationsprozess benannt. Hier finden sich auf den Plätzen drei und vier der Landkreis Heilbronn und der Bodenseekreis. In diesen Regionen zeige sich eine lediglich verhaltene Verlagerung der Beschäftigung hin zu automobilen Chancenfeldern. Nötig seien daher gezielte Strategien, um den Wandel weiter voranzutreiben und schon vorhandene individuelle Stärken in anderen Bereichen weiter auszubauen.

Studienautor Hanno Kempermann fordert mehr Rückenwind für Regionen, in denen Unternehmen intensiv den Wandel betreiben. „Die Politik muss dafür sorgen, dass solche Investitionen am Standort Deutschland wieder attraktiver werden“.