Die Münchner Philharmoniker sind mit ihrem designierten Chefdirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival in Belgien ausgeladen worden. „Begründet wurde die Ausladung damit, dass der in Tel Aviv geborene Lahav Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist“, teilten die Philharmoniker und die Landeshauptstadt mit. Beide verurteilten die Entscheidung mit eindringlichen Worten.
Festival sagt Philharmonikern mit Verweis auf israelischen Chefdirigenten ab
Eigentlich sollten die Philharmoniker am 18. September ein Konzert auf dem Flanders Festival Ghent in der belgischen Stadt Gent geben. In einer Erklärung des Veranstalters (externer Link) hieß es aber, dass Shanis Haltung gegenüber der israelischen Regierung nicht klar sei. In Übereinstimmung mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des Kultursektors in Gent habe man sich deshalb entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von diesem Regime distanziert haben, so die Mitteilung auf der Webseite des Festivals.
Shani arbeitet bereits seit Längerem mit den Münchner Philharmonikern zusammen. Im März 2022 dirigierte er beispielsweise das Münchner Benefizkonzert zugunsten der Ukraine in der bayerischen Landeshauptstadt mit Anne Sophie Mutter und den drei Orchestern der Stadt, dem Bayerischen Staatsorchester, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Münchner Philharmonikern. Im Februar 2023 ernannten die Münchner Philharmoniker Shani dann zu ihrem neuen Chefdirigenten – er wird sein Amt an der Isar offiziell im September 2026 antreten.
Philharmoniker: „Angriff auf europäische und demokratische Werte“
Die Verantwortlichen der Landeshauptstadt München und der Münchner Philharmoniker zeigten sich entsetzt über die Konzertabsage. „Lahav Shani tritt in seinem ganzen Wirken als Musiker und Mensch für Verständigung, Humanismus und Dialog ein“, schreiben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Israelische Künstlerinnen und Künstler unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen, lehne man entschieden ab. Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne, dem Konzertsaal oder anderen öffentlichen Orten zu verbannen, sei ein „Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte“.
Noch deutlicher wurde der Intendant der Münchner Philharmoniker, Florian Wiegand: „Wir, die Münchner Philharmoniker und ich, sind fassungslos darüber, dass ein Festival in Belgien, im Herzen Europas, dem Land des Hauptsitzes der Europäischen Union, eine solch unvorstellbare Entscheidung trifft.“
Münchner Rathausspitze betont Solidarität mit Shani
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er könne die Entscheidung in keiner Weise nachvollziehen. „Die Münchner Philharmoniker stehen als Kulturbotschafter der Landeshauptstadt München für Offenheit, Vielfalt und Dialog – ganz egal ob zu Hause in München oder auf ihren Reisen in die Konzertsäle Europas und der Welt.“ Die Stadt München und auch er persönlich stünden klar an der Seite der Münchner Philharmoniker und an der Seite ihres künftigen Chefdirigenten Lahav Shani.
Der Kulturreferent der Landeshauptstadt, Marek Wiechers, ergänzte: „Unser designierter Chefdirigent Lahav Shani steht mit seinem integrativen Wirken und seiner Haltung wie kaum ein anderer für Menschlichkeit, Versöhnung und Verständigung.“
Weimer und Blume verstehen Ausladung als antisemitischen Akt
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach sogar von einer „Schande für Europa“. „Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur“, sagte er. „Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten.“ Europäische Bühnen dürften nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das werde Deutschland nicht hinnehmen, so Weimer.
Auch Bayerns Kulturminister Kunstminister Markus Blume (CSU) warf den Veranstaltern des Festivals Antisemitismus vor. Das Flanders Festival schicke mit seiner Absage „schreckliche antisemitische Misstöne“ in die Welt, sagte er. Die Ausladung sei „beschämend, kulturfeindlich und schlicht ein Skandal“, so Blume weiter. „Es macht mich fassungslos, dass gerade ein Musikfestival die völkerverständigende Kraft der Musik für Hetze und Spaltung missbraucht.“
Reiter entließ früheren Chefdirigenten wegen Haltung zu Russland
Bei den Münchner Philharmonikern ist es nicht das erste Mal, dass die politische Haltung eines Chefdirigenten für Schlagzeilen sorgt. Im März 2022 hatte OB Reiter den damaligen Orchesterleiter Valery Gergiev entlassen, nachdem sich der Musiker geweigert hatte, sich klar vom russischen Einmarsch in der Ukraine zu distanzieren. Reiter hatte Gergiev damals ein Ultimatum gesetzt, das der Dirigent jedoch verstreichen ließ.