Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass die Bundeswehr alarmiert wurde, weil russische Kampfdrohnen im Anflug waren. Nicht der Luftraum über der Bundesrepublik war damals bedroht, sondern der des rumänischen Nato-Verbündeten. Zwei deutsche, in der Schwarzmeerstadt Constanta stationierte Eurofighter stiegen auf, mussten aber nicht eingreifen, weil die Fluggeräte die Grenze zur umkämpften Ukraine nicht überschritten.
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Am Tag, als über Polen erstmals in der Bündnisgeschichte feindliche, aus Belarus gestartete Kampfdrohnen über dem Gebiet der Allianz abgeschossen worden sind, wäre auch ein Einsatz der deutschen Luftwaffe denkbar gewesen, die ein Patriot-Raketenabwehrsystem nahe der Stadt Rzeszów stationiert hat.
Es schützt dort den nahe gelegenen Umschlagplatz für Waffenlieferungen an die Ukraine. In diese Richtung waren nach den ersten Ermittlungserkenntnissen auch die russischen Kampfdrohnen unterwegs.
Indirekt beteiligt war die Bundeswehr schon
Nach Tagesspiegel-Informationen hatte die Patriot-Radarstation sie auf dem Schirm. Kurzzeitig wurde demnach erwogen, die entsprechenden Flugkörper zur Abwehr der Gefahr einzusetzen. Das polnische Luftlagezentrum entschied sich in Absprache mit der Nato-Militärführung dann doch dafür, Kampfjets zu schicken, polnische F16 und niederländische F35. Die deutschen Patriots wurden dem Nato-Oberkommando im belgischen Mons zufolge jedoch in Alarmzustand versetzt.
Die enge Verzahnung der westlichen Armeen in der Nato liefert auch die Antwort auf die Frage, was in einem vergleichbaren Fall im Himmel über Deutschland passieren würde. Ein wichtiger Unterschied ist freilich, dass russische Drohnen eigentlich nur über die Ostsee in den deutschen Luftraum einfliegen könnten, ohne nicht vorher schon über einem anderen Nato-Staat bekämpft worden zu sein.
Die Bundesregierung verurteilt dieses aggressive russische Vorgehen auf das Schärfste.
Bundeskanzler Friedrich Merz zu den Drohnen in Polen
Als „gezielte Provokation nicht nur gegenüber Polen“, sondern der gesamten Allianz bezeichnete Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch im Bundestag den Vorfall. Er versicherte auf Nachfrage aber auch, dass die deutschen Soldatinnen und Soldaten schon wüssten, was zu tun sei, wenn der deutsche Luftraum auf ähnliche Weise bedroht würde.
Die Fäden laufen in Uedem zusammen
Ein in der gesamten Nato angewendetes Prozedere käme auch in Deutschland zum Tragen. Die Informationen Dutzender Radarstationen sowie der Awacs-Aufklärungsflugzeuge laufen dabei in Uedem am Niederrhein zusammen. Am dortigen Bundeswehrstandort ist nicht nur das „Combined Air Operations Centre“ der Allianz angesiedelt, das für die Nato-Luftraumüberwachung in Nord-, Mittel- und Osteuropa zuständig ist, sondern auch das vorgeschaltete Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum.
Eingerichtet wurde es nach dem 11. September 2001. Es bildet eine Schnittstelle zwischen der Bundeswehr und den zivilen Behörden. Deutsche Flugsicherung, Bundespolizei und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sind stets präsent – Geheimdienste, BKA oder eine Landespolizei können je nach Fall zu der Runde hinzugezogen werden.
Kleinere Drohnen, die neuerdings auch schon häufig über Bundeswehrliegenschaften oder über anderen kritischen Infrastrukturen in Deutschland gesichtet werden, können auch mit Schüssen vom Boden oder mit Wurfnetzen ausgeschaltet werden. Käme die Runde in Uedem jedoch zu einem anderen Schluss, kann sie Kampfflugzeuge anfordern. Diese können erst per Sichtkontakt bestätigen, dass es sich um bewaffnete Drohnen handelt – und diese dann zerstören.
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Die Luftwaffe verfügt über zwei sogenannte Alarmrotten, die in einem solchen Ernstfall aufsteigen – ihre Eurofighter stehen in Neuburg an der Donau sowie am Flugplatz Rostock-Laage. So wie die baltischen Staaten, Polen oder Rumänien Hilfe beim sogenannten „Air Policing“ erhalten, könnte auch die Bundesrepublik andere Nato-Jets zur Hilfe anfordern.
Die Bundeswehr hat zudem neue Skyranger-Panzer der Firma Rheinmetall gekauft, die ebenfalls zur Drohnenabwehr geeignet sind und gerade auch an die Ukraine verkauft wurden.