marktbericht
Der Handelstag startet am deutschen Aktienmarkt ohne größere Bewegung. In Asien erreichten die Börsen dagegen in Erwartung fallender Zinsen in den USA Höchststände.
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt verharren vor wichtigen Zinssignalen in Wartestellung. Der Leitindex DAX trat im frühen Handel bei 23.620 Punkten auf der Stelle. Damit verbleibt das Börsenbarometer in der jüngsten Handelsspanne zwischen etwa 23.500 und 23.900 Zählern. Gestern war der DAX 0,4 Prozent tiefer bei 23.632 Punkten aus dem Handel gegangen.
„Der DAX fällt, während der S&P 500 an der Wall Street Rekorde schreibt“, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets. „Die Kaufbereitschaft der Anleger, die noch vor einem Monat bei Kursen unter 24.000 Punkten vorhanden war, ist weg.“
Die Augen der Anleger richten sich heute unter anderem auf den geldpolitischen Ausblick der Währungshüter um Ratspräsidentin Christine Lagarde. Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet heute auf ihrer ersten Zinssitzung nach der Sommerpause über die Leitzinsen. Volkswirte erwarten aber, dass die Währungshüter wie schon im Juli eine Zinspause einlegen werden. Der vor allem für Sparer wichtige Einlagesatz würde damit weiterhin bei 2,0 Prozent liegen. Investoren an den Finanzmärkten erhoffen sich von der Pressekonferenz mit der Notenbankchefin Lagarde nach dem Zinsbeschluss aber Hinweise darauf, ob die EZB in diesem Jahr überhaupt noch einmal ihre Schlüsselsätze nach unten setzen wird, oder ob ihr Zinssenkungszyklus vorerst beendet ist.
Die Inflationsrate in der Eurozone betrug im August 2,1 Prozent und lag damit in der Nähe des mittelfristigen Inflationsziels der EZB von 2,0 Prozent. Die Inflationswelle nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs wurde also gebrochen. Zudem ließ mit Blick auf den Handelskonflikt mit den USA die Unsicherheit ein wenig nach.
Lagarde hatte im Juli noch eine hohe Unsicherheit betont. Die bisherige Einigung der EU mit den USA hatte im Rahmen der Erwartungen der EZB gelegen. Lagarde sprach zuletzt davon, dass die Einigung „weit unterhalb des schlimmsten Szenarios“ erfolgt worden sei.
Wichtiger für die Anleger dürften heute daher vor allem die August-Inflationsdaten aus den USA sein, die mitentscheiden, wie hoch eine mögliche Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ausfallen dürfte. Die Anleger spekulieren darauf, dass die im Tagesverlauf anstehenden US-Inflationsdaten moderat genug ausfallen werden, um der Fed den Weg für eine Zinssenkung in der kommenden Woche zu ebnen. Einige Anleger rechnen gar mit zwei weiteren Zinssenkungen bis zum Jahresende.
Einer Reuters-Umfrage zufolge dürfte die Inflationsrate für August in den USA auf 2,9 Prozent gestiegen sein. Dies wäre der stärkste Anstieg seit Januar. Die Kernrate wird unverändert bei 3,1 Prozent erwartet.
„Solange die Inflationsdaten keinen deutlichen Schock nach oben liefern, werden die Anleger wahrscheinlich an ihrer auf eine lockere Geldpolitik ausgerichteten Haltung festhalten“, sagte Julien Lafargue, Chef-Anlagestratege bei der Barclays Private Bank. Eine veränderte Inflationsdynamik könne für die Fed von entscheidender Bedeutung sein.
Hoffnungen auf baldige US-Zinssenkungen beflügelten am Morgen die Aktienmärkte in Asien. Vor allem Technologiewerte profitierten. In Tokio legte der 225 Werte umfassende Nikkei-Index um 1,2 Prozent auf 44.373 Punkte zu und erreichte zwischenzeitlich ein Rekordhoch. Marktbeobachter Jim Reid von der Deutschen Bank führte dies auch darauf zurück, dass der am Wochenende bekannt gewordene Rücktritt von Ministerpräsident Shigeru Ishiba weiter die Erwartung nähre, dass sein Nachfolger eine expansivere Politik verfolgen könnte.
An den China-Börsen gab es nach dem guten Lauf der vergangenen Tage keine einheitliche Richtung: Während der CSI-300-Index mit den wichtigsten Aktien der Festlandbörsen um zuletzt 2,1 Prozent auf 4.539 Punkte stieg, lag der Hang-Seng-Index der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong im späten Handel mit 26.211 Punkten nah am Vortagsniveau.
Die US-Börsen haben gestern uneinheitlich geschlossen. Ein Kurssprung bei Oracle nach einer optimistischen Prognose für das Cloud-Geschäft hellte die Stimmung im Tech-Sektor auf. Aktuelle Preisdaten festigten zudem Zinshoffnungen der Investoren. Der US-Standardwerteindex Dow Jones verabschiedete sich mit einem Minus von 0,5 Prozent bei 45.491 Punkten aus dem Handel. Der breit gefasste S&P 500 gewann 0,3 Prozent auf 6.532 Zähler, und der technologielastige Nasdaq stagnierte bei 21.886 Stellen.
Die Ölpreise geben heute etwas nach. Eine schwache Nachfrage in den USA und die Sorge vor einem Überangebot überlagern die Bedenken wegen der Angriffe im Nahen Osten und des Krieges in der Ukraine. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verliert 0,2 Prozent auf 67,38 Dollar je Barrel (159 Liter). Das US-Öl WTI steht 0,2 Prozent tiefer bei 63,52 Dollar.
Am Vortag hatten sich die Referenzsorten noch um mehr als einen Dollar verteuert. Auslöser waren der israelische Angriff auf die Hamas-Führung in Katar sowie die Alarmierung der polnischen und der NATO-Luftverteidigung wegen mutmaßlicher russischer Drohnen. Jedoch bergen weder die Angriffe im Nahen Osten noch der Drohnen-Vorfall in Polen ein unmittelbares Risiko für die Ölversorgung. Daher richtet sich die Aufmerksamkeit der Anleger wieder auf das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Steigende Ölvorräte, sinkende Erzeugerpreise und ein sich abkühlender Arbeitsmarkt deuten auf eine Abschwächung der US-Wirtschaft hin.
Der Bitcoin hat heute an die Kursgewinne vom Vortag angeknüpft und ist auf den höchsten Stand seit über zwei Wochen gestiegen. Am Morgen wurde die älteste und bekannteste Kryptowährung auf der Handelsplattform Bitstamp bei 114.462 Dollar gehandelt und damit so hoch wie seit dem 24. August nicht mehr. Im Vergleich zum deutlichen Anstieg zur Wochenmitte hielten sich die Gewinne am Morgen aber in Grenzen.
Bei einer der größten US-Emissionen des Jahres hat Klarna ein erfolgreiches Debüt an der Wall Street gefeiert. Die Aktien des schwedischen Zahlungsdienstleisters starteten gestern bei 52 Dollar in den Handel und lagen damit 30 Prozent über dem Ausgabepreis von 40 Dollar. Im Verlauf stiegen sie bis auf 53,99 Dollar, bröckelten dann aber auf 46,50 Dollar ab. Experten werteten den Start als gutes Omen für die sechs weiteren Firmen, die bis Ende der Woche ihren Einstand an der US-Börse geben wollen.
Im Ringen um die Übernahme des Leverkusener Kunststoffherstellers Covestro ist der staatliche Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi Insidern zufolge zu Zugeständnissen an die EU-Wettbewerbshüter bereit. Demnach dürfte Adnoc eine geplante Kapitalerhöhung von 1,2 Milliarden Euro in ein marktübliches Aktionärsdarlehen umwandeln, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters gestern. Hintergrund ist eine Subventionsprüfung der EU im Zusammenhang mit dem 14,7 Milliarden Euro schweren Übernahmeangebot von Adnoc.
Boeing hat nach mehr als einem Monat Streik in der Rüstungssparte eine Einigung mit der Gewerkschaft erzielt. Mitglieder sollen morgen über die neue Vereinbarung abstimmen, wie die Gewerkschaft IAM mitteilte. Sie ist demnach auf fünf Jahre ausgelegt und soll neben Einkommenserhöhungen auch eine Einmalzahlung bieten. Rund 3.200 Beschäftigte der Rüstungssparte streiken seit Anfang August. Sie bauen unter anderem Kampfflugzeuge wie die F-15 sowie Raketensysteme. Die Rüstungssparte kämpft mit Verzögerungen und milliardenschweren Kostenüberschreitungen bei mehreren Projekten.
Der Panzergetriebehersteller Renk organisiert wegen der steigenden Nachfrage seine Produktion neu. Renk habe die Produktion von der Manufaktur zur Kleinserie umgestellt, erläuterte ein Unternehmenssprecher das Konzept. Vorstandschef Alexander Sagel hatte angekündigt, dass durch die neue Produktion die Kapazität von früher einigen Hundert Getrieben pro Jahr auf mehr als Tausend steigen werde. Für 2025 rechnet Renk mit einem Umsatz von mehr als 1,3 Milliarden Euro und einem bereinigten operativen Ergebnis von 210 bis 235 Millionen Euro.
Der chinesische Online-Händler Alibaba, der als einer der aggressivsten Akteure im KI-Sektor gilt, will sich mit einer Wandelanleihe rund 3,2 Milliarden Dollar für den Ausbau seiner Cloud-Infrastruktur und die Expansion des internationalen Geschäfts beschaffen. Knapp 80 Prozent der Einnahmen sollen in den Ausbau von Rechenzentren, die Modernisierung der Technologie und die Verbesserung von Dienstleistungen fließen, teilte das Unternehmen heute mit. Damit solle die steigende Nachfrage nach Cloud-Lösungen gedeckt werden.