Der höchste Soldat der deutschen Seestreitkräfte hatte gerade erst vor massiven Ausspähaktionen durch ausländische Staaten gewarnt. „Wir haben Eindringversuche und Sabotageversuche“, sagte Marineinspekteur Jan Christian Kaack in einem Interview. Doch Aktionen in der Ostsee richten sich nicht nur gegen das Militär.
Auch die deutschen Reeder verzeichnen einem Bericht zufolge einen starken Anstieg absichtlicher Störungen der Navigationssysteme ihrer Schiffe in der Ostsee. Auf dem viel befahrenen Gewässer sind jährlich rund 60.000 Schiffe unterwegs.
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„Die Zahl hybrider Angriffe auf die Handelsschifffahrt nimmt spürbar zu und ist eine große sicherheitstechnische Herausforderung für Reedereien“, sagte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, dem „Spiegel“. Mitgliedsunternehmen meldeten mittlerweile „beinahe täglich“ Vorfälle.
Die Entwicklung ist alarmierend.
Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder
Seit dem Überfall der Truppen des russischen Machthabers Wladimir Putin auf die Ukraine 2022 gebe es „eine deutliche Zunahme“, auch in deutschen Gewässern. Die Herkunft lasse sich nur schwer eindeutig nachweisen.
Martin Kröger ist Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder.
© vdr
Attacken gebe es mit Störsendern, aber auch durch Cyberangriffe auf das Navigationssystem GPS oder das automatische Identifikationssystem AIS, das Position, Kurs und Geschwindigkeit an andere Schiffe übermittelt. Durch die Manipulationen und Ausfälle der Systeme drohten Navigationsdaten unbrauchbar oder Schiffe für andere unsichtbar zu werden.
Kröger warnte vor einer Gefahr von Grundberührungen oder Kollisionen: „Selbst wenn das eigene Navigationssystem noch korrekt funktioniert, können Manipulationen an den Systemen anderer Schiffe zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen.“
Technisch lassen sich die Angriffe nicht vollständig unterbinden. Um Havarien zu verhindern, müssen die Reedereien Kröger zufolge inzwischen verstärkt auf alternative Navigationsmittel wie Radar, Kompass oder visuelle Peilungen zurückgreifen. „Die Entwicklung ist alarmierend, und leider spricht wenig dafür, dass sich die Lage in naher Zukunft entspannen wird.“
Der britische Marineexperte und Autor H.I. Sutton geht dem Bericht zufolge davon aus, dass ein Teil der Aktionen eher „defensiver Natur“ sei und wahrscheinlich die russischen Streitkräfte vor Drohnenangriffen schützen solle. Darüber hinaus gebe es jedoch auch Attacken, die geografisch deutlich weiter entfernt passierten und auf einen eher offensiven Zweck hindeuteten, um die Navigation in Nord- und Westeuropa zu stören, so Sutton.
Bundeswehr spricht von „aggressivem Verhalten Russlands“
Durch die Angriffe könnten auch bereits erstellte Datenprotokolle über Positionen von Schiffen manipuliert werden. Sutton spricht demnach von einer Form hybrider Kriegsführung.
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Anfang September hatte auch die Bundeswehr vor zunehmenden bedrohlicheren militärischen Aktionen Russlands in der Ostsee gewarnt. Generalinspekteur Carsten Breuer sprach in Berlin von einem „aggressiven Verhalten Russlands“, mit dem Gebietsansprüche untermauert werden sollten. „Die Bedrohung ist unverändert“, sagte Breuer. Putin „schaut auf uns und seine Pläne gehen über die Ukraine hinaus“. Deutschland müsse daher weiter abschrecken.
Kaack warf Russland erneut „Sabotage, Spionage und zunehmend aggressiveres Auftreten auf See“ vor. „Das können wir so nicht hinnehmen und das werden wir nicht hinnehmen“, sagte er. (lem)