Immunsystem aktiviert
11. September 2025 14:19
Robert Klatt
Neue Therapie aktiviert Immunsystem gegen Grippeviren
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Grippemedikamente verlieren ihre Wirksamkeit durch Virusmutationen schnell. Eine neue Therapie mit nicht-neutralisierenden Antikörpern schützt vor nahezu allen Grippestämmen und kann Todesfälle verhindern, auch wenn die Infektion bereits weit fortgeschritten ist.
Farmington (U.S.A.). Die aktuellen Grippemedikamente greifen virale Enzyme an und verlieren ihre Wirksamkeit durch eine Mutation des Virus schnell. Forscher des Jackson Laboratory (JAX) haben deshalb eine Therapie entwickelt, die die Bekämpfung der Influenza grundlegend verändern kann. Es handelt sich dabei um einen neuen Antikörper-Cocktail, der vor nahezu allen bekannten Grippestämmen schützt, darunter auch Vogel- und Schweinegrippevarianten, die potenziell eine neue Pandemie auslösen könnten.
„Das ist das erste Mal, dass wir in einem lebenden Organismus einen so breiten und anhaltenden Schutz gegen Grippe beobachten. Selbst wenn wir die Therapie erst Tage nach der Infektion verabreichten, überlebten die meisten behandelten Mäuse.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Science Advances widersprechen die neuen Ergebnisse einer Annahme der Medizin laut der Antikörper nur dann gegen Viren wirken können, wenn sie „neutralisierend“ sind, also Viren entweder binden und deren Eintritt in Zellen verhindern. Die Antikörper des neuen Medikaments sind hingegen „nicht-neutralisierend“. Sie blockieren die Infektion also nicht direkt, sondern kennzeichnen lediglich infizierte Lungenzellen, damit das Immunsystem diese besser bekämpfen kann.
„Die Mehrheit der Antikörper, die unser Körper produziert, ist nicht neutralisierend, doch die Medizin hat sie weitgehend ignoriert. Wir zeigen, dass sie lebensrettend sein können. Selbst bei tödlichen Stämmen wie H5- und H7-Vogelgrippe hat die Therapie Leben gerettet, auch nachdem die Infektion bereits weit fortgeschritten war.“
Matrix-Protein 2 (M2e) des Influenza-A-Virus
Die Studie hat sich auf das Matrix-Protein 2 (M2e) des Influenza-A-Virus konzentriert. Es handelt sich dabei um einen Bestandteil des Virus, der essenziell für den Lebenszyklus ist und bei allen Grippestämmen, egal ob beim Menschen, bei Vögeln oder bei Schweinen, nahezu identisch vorhanden ist. In den Experimenten mit den nicht-neutralisierenden Antikörpern kam es auch bei einer wiederholten Behandlung nicht zu Resistenzen. Analysen zeigen, dass sich auch mehrere Wochen nach der Therapie keine Mutationen in der M2-Region gebildet haben.
„Das Virus hat sich selbst bei der Verwendung einzelner Antikörper nicht verändert. Aber in einer Grippesaison, in der Millionen Menschen diese Therapie einnehmen, bin ich deutlich zuversichtlicher, dass wir mit dem Cocktail eine Flucht des Virus verhindern können.“
Die Antikörper haben bei den Tierversuchen sowohl die Symptome als auch die Viruslast in der Lunge stark reduziert und die Überlebenschancen bei gesunden und immungeschwächten Mäusen deutlich erhöht.
Medikament gegen saisonale Ausbrüche und Pandemien
Laut den Forschern deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Patienten bei saisonalen Ausbrüchen oder Pandemien in Zukunft mit den neuen, nicht-neutralisierenden Antikörpern sofort behandelt werden können. Weil die Grippe noch immer zu den tödlichsten Infektionskrankheiten gehört, könnte dies eine Vielzahl von Todesfällen verhindern.
„Wir brauchen etwas, das sofort einsatzbereit ist, gerade dann, wenn keine Zeit bleibt, einen neuen Impfstoff zu entwickeln, etwa bei einem hochgefährlichen Ausbruch oder einer Pandemie. Diese Therapie könnte jederzeit für alle verfügbar sein.“
Die Forscher arbeiten nun daran, die Antikörper für klinische Studien weiterzuentwickeln. Ihr Ziel ist es, Antikörper für Menschen zu entwickeln, die das M2-Protein präzise erkennen, aber keine Reaktion des Immunsystems gegen die Therapie selbst auslösen. Das Medikament soll nicht nur als eigenständiger Schutz für ältere Menschen und andere Risikogruppen dienen, sondern auch als Behandlungsmöglichkeit für Personen mit einer schweren Grippe.
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adx3505