Die Initiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ will ein neues Klimagesetz durchsetzen, das Klimaneutralität bis 2040 vorschreibt. Ein breites Bündnis wirbt für verbindliche Ziele, soziale Absicherung und mehr Tempo bei der Energiewende. Doch es gibt auch Kritik
Am 12. Oktober steht in Hamburg ein viel beachteter Volksentscheid an. Ein Bündnis, an dem unter anderem Fridays for Future, Nabu, der FC St. Pauli, Greenpeace und Hamburger Vereine und Kultureinrichtungen, fordert ein verschärftes Klimagesetz und möchte dieses mit einer Volksabstimmung durchsetzen. Am Donnerstag haben Mitglieder und Unterstützer des „Hamburger Zukunftsentscheids“ öffentlich für breite Unterstützung geworben.
Kern des Vorschlags ist es, die Stadt zur Klimaneutralität bis 2040 zu verpflichten. Bisher will der Hamburger Senat das Ziel fünf Jahre später, nämlich 2045, erreichen. Lou Töllner, Vertrauensperson der Initiative, sprach von einer „besonderen Chance für unsere Stadt“. Es gehe darum, „Klimaschutz heute anzupacken und nicht auf morgen zu verschieben“.
Um Fortschritte messbar und steuerbar zu machen, sollen verbindliche jährliche Zwischenziele eingeführt werden. Verfehlt die Stadt diese Ziele, soll der Senat verpflichtet werden, Sofortprogramme mit zusätzlichen Maßnahmen vorzulegen. Sollte der Senat nicht selbst ein Programm auflegen, übernimmt dies der Klimabeirat – ein Gremium aus Wissenschaftlern, das die Stadtregierung in Klimafragen berät. Töllner betonte: „Je früher wir reagieren können, wenn wir nicht auf Kurs sind, desto größer sind unsere Handlungsspielräume.“
Ein weiterer zentraler Punkt ist die gesetzliche Verankerung der Sozialverträglichkeit. Klimaschutzmaßnahmen sollen künftig nicht nur ökologisch wirksam, sondern auch für Mieter und Eigentümer bezahlbar sein. Die Initiative verweist auf Studien, die zeigen, dass Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr oder die energetische Sanierung von Gebäuden langfristig wirtschaftlich sinnvoll sind und sich häufig innerhalb kurzer Zeit refinanzieren. „Soziale Klimaschutzmaßnahmen sind beliebt und sie machen unser Leben besser“, sagte Töllner.
Mit dem Gang an die Öffentlichkeit wollte das Bündnis auch Kritik entkräften, die an seinem Vorhaben geäußert wird. Ein Punkt ist dabei der Vorwurf aus der Wohnungswirtschaft, ein Vorziehen der Klimaneutralität werde zu teuer für die Vermieter und damit auch die Mieter belasten. Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, warnte davor, dem Argument zu verfallen und sprach im Gegenzug von den Folgen unzureichender energetischer Sanierung: „Wenn wir nicht verbindliche Regelungen einführen, sind wir auch 2050 nicht fertig – und das geht auf die Knochen der Mieter.“ Er verwies auf die große Zahl schlecht isolierter Gebäude in Hamburg und sagte: „Was meinen Sie, wie man darin wohnt? Mit sehr hohen Heizkosten und trotzdem kalten Wänden.“
Bosse sieht im Zukunftsentscheid eine Chance, soziale Absicherung gesetzlich zu verankern und die Sanierungsquote deutlich zu erhöhen. „Ich möchte sagen, es wird für die leistbar sein, es wird bezahlbar sein – und genauso für die Eigentümer.“
Christian Tschirner vom Deutschen Schauspielhaus sprach über die Rolle der Kultur: „Die Kultur, wie wir sie kennen, wird nur möglich sein, wenn es uns gelingt, die Herausforderung Klimawandel zu meistern.“ Er erinnerte an eine frühere Inszenierung zum Thema Klimakrise und sagte: „Damals waren wir alle sehr zuversichtlich. Heute bin ich eher traurig, weil wir nicht so ins Handeln gekommen sind, wie es nötig wäre.“ Die Darsteller planen, in jeder Vorstellung auf den Volksentscheid hinzuweisen und für ein „Ja“ zum Vorhaben zu werben.
Bei der Abstimmung am 12. Oktober sind rund 1,3 Millionen Hamburger stimmberechtigt. Ende vergangener Woche hat das Landeswahlamt mit dem Versand der Wahlunterlagen begonnen. Um erfolgreich zu sein, müssen mindestens 262.609 Wahlberechtigte für die Forderungen stimmen. Gleichzeitig muss es für einen erfolgreichen Volksentscheid mehr Ja- als Nein-Stimmen geben. Abstimmen geht entweder am 12. Oktober in einem der 185 Wahllokale oder mit den Briefwahlunterlagen, die den Schreiben an die Abstimmungsberechtigten beiliegen.
juve