Der Messerangriff auf die Lehrerin eines Berufskollegs in Essen am vergangenen Freitag könnte laut NRW-Innenminister Herbert Reul einen islamistischen Hintergrund haben. In dem Fall des tatverdächtigen 17-jährigen Erjon S. verdichteten sich entsprechende Hinweise, sagte der CDU-Politiker im Innenausschuss des NRW-Landtags. „Der Generalbundesanwalt überprüft derzeit, ob er das Verfahren übernimmt.“

Die Frau war schwer verletzt worden, gegen den bei seiner Festnahme verletzten Kosovaren war Haftbefehl erlassen worden. Ein Großeinsatz mit Spezialeinheiten war erfolgt.

Videos könnten auf islamistisches Motiv deuten

Zwar laute der Vorwurf derzeit auf versuchten Totschlag, berichtete Reul. Aber nach einer gerade erst neu erfolgten Auswertung von Datenträgern ließen sich „Hinweise auf eine religiös motivierte Tat erkennen.“ Auf Nachfrage präzisierte er: „Hinweise auf einen islamistisch motivierten Hintergrund verdichten sich“. Es gehe um Videos, die der Tatverdächtige angefertigt habe. Einzelheiten könne er nicht dazu nicht nennen.

Nach Reuls Angaben gingen am Freitag um 09:27 Uhr mehrere Notrufe bei der Polizei Essen ein. Die Lehrerin wurde demnach in der Schule durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt, ein Amokalarm wurde ausgelöst. Fünf Minuten später war der erste Streifenwagen vor Ort.

Gegen 11:13 Uhr, knapp zwei Stunden nach den ersten Notrufen, endete die Flucht des Täters Reul zufolge in einem Park durch einen Schusswaffeneinsatz der Spezialeinheiten. Der Tatverdächtige liege schwer verletzt in einem Krankenhaus, der Gesundheitszustand sei stabil.

Über 280 Einsatzkräfte waren demnach an dem Einsatz beteiligt, darunter Spezialeinheiten, die Bereitschaftspolizei, Kriminalbeamte, ein Hubschrauber sowie ein Team zur psychosozialen Unterstützung, wie Innenminister Reul weiter mitteilte.

Die Mordkommission „Blücher 1:14“, in die auch der Staatsschutz eingebunden ist, untersuche inzwischen nicht nur den Angriff auf die Lehrerin, sondern auch ein weiteres mutmaßliches Gewaltverbrechen.

Demnach sei „an diesem im Essener Stadtkern“ ein Obdachloser mit einem Messer attackiert worden. Die Polizei prüfe jetzt, ob der 17-Jährige auch für diese Tat verantwortlich ist.

Nach Informationen von „Bild“ habe Erjon S. an jenem Morgen ein Bekenner-Video mit seinem Handy aufgenommen. Dem Bericht nach erklärte er darin, die Lehrerin habe den Propheten beleidigt. Zudem habe er mehrfach „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“) in dem Video gerufen, schreibt „Bild“ unter Berufung auf Ermittlerangaben weiter. Auf dem sichergestellten Tatmesser sollen DNA-Spuren sowohl der Lehrerin als auch des Obdachlosen nachgewiesen worden sein.

Man dürfe keine voreiligen Schlüsse ziehen, betonte Reul im Innenausschuss des NRW-Landtags weiter. Aber zwei Gewalttaten mit einem Messer am selben Tag und in derselben Stadt seien ein Fakt. „Die Nachdenklichkeit ist an dieser Stelle erhöht.“

Die Staatsanwaltschaft Essen habe auch die Zentralstelle für Terrorismusbekämpfung informiert. Der Jugendliche sei polizeilich schon 2023 wegen „Bedrohung, Verstoß gegen das Waffengesetz beziehungsweise gefährliche Körperverletzung und Besitz von Kinderpornografie aufgefallen.“ Dem polizeilichen Staatsschutz sei er im Vorfeld aber nicht bekannt gewesen.