Eine Mehrheit des Obersten Gerichts Brasiliens hat in allen Anklagepunkten für eine Verurteilung des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro wegen dessen Putsch-Plänen gestimmt Drei der fünf Richter des Gremiums sprachen sich bis Donnerstag für einen Schuldspruch aus, einer dagegen. Richterin Carmen Lucia gab zuletzt die entscheidende Stimme ab und befand Bolsonaro in allen Punkten schuldig.
Er ist damit voraussichtlich der erste Ex-Präsident in der Geschichte des Landes, der wegen eines Angriffs auf die Demokratie verurteilt wird. Das Votum des fünften Richters des in Brasilien üblichen Verfahrens der nacheinander entscheidenden Richter stand zunächst aus.
Das abweichende Votum des Richters Luiz Fux vom Mittwoch könnte Bolsonaro jedoch den Weg für eine Berufung ebnen, die dann vor dem Plenum des Gerichts mit elf Richtern verhandelt werden müsste. Dies könnte den Abschluss des Verfahrens bis kurz vor die Präsidentschaftswahl 2026 verzögern. Auch können die Richter ihre Entscheidung bis zur erwarteten Urteilsverkündung an diesem Freitag noch ändern.
Fux erklärte, das Gericht sei für den Fall nicht zuständig. Seiner Ansicht nach hätte der Prozess vor unteren Instanzen verhandelt werden müssen, da Bolsonaro nicht mehr im Amt sei. Bolsonaro hat wiederholt erklärt, er sei unschuldig.
Dem 70-Jährigen drohen bis zu 43 Jahre Haft. Aufgrund seines Alters und gesundheitlicher Probleme nach einem Attentat käme auch ein Hausarrest in Betracht. Bolsonaro steht bereits seit Anfang August wegen Verstößen gegen Auflagen unter Hausarrest und wird wegen Fluchtgefahr überwacht.
Anklage: Bolsonaro plante Putschversuch gegen die Regierung
Bolsonaro soll nach seiner Wahlniederlage gemeinsam mit Militärs und Verbündeten einen Putschversuch gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant haben. Nach Überzeugung der Anklage habe er geplant, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen anzusetzen – allerdings habe er die Unterstützung der Militärführung nicht gewinnen können.
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Am 8. Januar 2023 hatten Anhänger Bolsonaros kurz nach Amtsantritt Lulas den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast gestürmt. Zudem soll Bolsonaro von Mordplänen gegen Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Richter Alexandre de Moraes gewusst haben.
Der Prozess wird vor dem Obersten Gericht geführt – es gibt keine höhere Instanz. Innerhalb des STF sind jedoch begrenzte Rechtsmittel möglich, etwa bei formalen Unklarheiten oder nicht einstimmigen Urteilen. Bei mindestens zwei abweichenden Stimmen könnte eine Überprüfung einzelner Streitpunkte noch einmal im Plenum beantragt werden.
Mitangeklagte aus Militär und Regierung
Die Verteidigung wies während des Verfahrens sämtliche Vorwürfe zurück und argumentierte, dass keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung Bolsonaros an einem Umsturzplan vorlägen. Zudem sprachen seine Anwälte von einem „politischen Prozess“, in dem ihr Mandant keine faire Chance gehabt habe. Sie verwiesen dabei auf den Obersten Richter de Moraes, der sowohl eine zentrale Rolle in den Ermittlungen gespielt habe als auch selbst als mutmaßliches Ziel der Putschpläne genannt werde. Für Bolsonaros Anhänger sei damit eine „Vorverurteilung“ durch das Gericht unvermeidlich gewesen.
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Neben Bolsonaro sollen auch frühere Kabinettsmitglieder und hochrangige Militärs verurteilt werden, darunter Ex-Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira, der frühere Marinechef Almir Garnier und Bolsonaros damaliger Sicherheitsberater Augusto Heleno. Ihnen werden bis zu fünf Straftaten zur Last gelegt – unter anderem versuchter Staatsstreich, Beteiligung an einer bewaffneten kriminellen Vereinigung und Beschädigung denkmalgeschützter Güter. (dpa, Reuters)