Berliner NBA-Star

Wie Franz Wagner bei der Basketball-EM zum brachialen Anführer heranwächst

Do 11.09.25 | 20:50 Uhr | Von Jakob Lobach

Deutschlands Franz Wagner im EM-Spiel gegen Slowenien | Bild: IMAGO/Zuma Press WireBild: IMAGO/Zuma Press Wire

Am Freitag spielt Deutschland gegen Finnland um den Einzug ins Finale der Basketball-EM. Der Berliner Franz Wagner führt das Team mit Kapitän Dennis Schröder an – und wird als Leader lauter und brachialer. Von Jakob Lobach

Es war ein fast schon philosophischer Satz, den Franz Wagner im lettischen Riga am Donnerstagnachmittag fast beiläufig fallen ließ. Der Berliner NBA-Star und deutsche Nationalspieler saß anlässlich einer Medienrunde bei der Basketball-Europameisterschaft in der modernen Lobby des deutschen Teamhotels – vor ihm zwei Dutzend Journalisten, Kameras und Mikrofone. Wagner sprach mit ruhiger, aber klarer Stimme und sagte dabei irgendwann: „Alles im Leben passiert in einem bestimmten Rhythmus.“


Der Rhythmus als Schlüssel für Wagner

Wagner beantwortete mit diesem Satz eine Frage zu der Entwicklung seiner Mannschaft. Er erklärte, welche Rolle bittere Niederlagen bei der Entstehung ihres beeindruckenden Teamgeistes spielen und wie wichtig der im EM-Halbfinale gegen Finnland am Freitag (16 Uhr, live im Audiostream auf sportschau.de) wird. Dabei hätte Franz Wagner mit dem exakt gleichen Satz auch seine ganz persönliche Rolle und Entwicklung rund um die diesjährige EM beschreiben können.

Ohnehin ist „Rhythmus“ ein sehr gutes Stichwort, um über den 24 Jahre alten Berliner aus Prenzlauer Berg zu sprechen. Schließlich ist sein Spiel geprägt von ebendiesem. Eine der Eigenschaften, die Wagner zu einem der besten Spieler Europas machen, ist das Tempo, mit dem er spielt. Besser noch: Es ist die Art und Weise, wie er mit seinem Tempo spielt.

Wagner tanzt mit dem Ball nicht so elegant wie Mitspieler Maodo Lo, er hat auch nicht den pfeilschnellen Antritt eines Dennis Schröder, aber er hat ein beeindruckendes Timing. Wenn Wagner in die Zone zieht, sind seine Schritte nicht bloß überlegt, sie sind intuitiv. Das jahrelang in Berliner und US-amerikanischen Sporthallen antrainierte Ergebnis ist, dass Wagner seinen Weg zum Korb so rhythmisch und ansehnlich navigiert, wie kaum ein anderer – normalerweise.


Rücksichtslosigkeit als neue Stärke

Aber in so einem EM-Turnier wie dem aktuellen der Deutschen ist eben nicht alles normal. Das Achtelfinal-Aus der Serben und Franzosen, das Deutschland vor den Halbfinals endgültig zum Titelfavoriten macht, war nicht normal. Auch Deutschlands Viertelfinale gegen Slowenien um NBA-Superstar Luka Doncic war nicht normal – weil Doncic generell unnormal gut Basketball spielt und Deutschland sich dagegen sehr schwer tat. So schwer, dass man auf einmal selbst dem Ausscheiden unnormal nah war.

Franz Wagner im Duell mit Luka Doncic | Bild: IMAGO/MN Press PhotoVolle Kraft voraus: Franz Wagner attackiert Luka Doncic | Bild: IMAGO/MN Press Photo

Genau deswegen verließ sich Franz Wagner irgendwann nicht mehr auf sein normalerweise so rhythmisches Spiel. Seine Drives waren zwar immer noch wohlüberlegt, aber zumeist brachial statt elegant. Ganze 14 Freiwürfe erstürmte sich Wagner mit seinem Drang in die Zone und zum Korb. Er traf 13 davon und bescherte Deutschland immer dann wichtige Punkte, wenn dem Team das Punkten schwer fiel. Dieser Rhythmus einer robusten Rücksichtslosigkeit ist neu in Wagners Spiel – und macht es nur noch facettenreicher.


Franz Wagner folgt Dennis Schröder als Anführer

Aber nicht nur spielerisch diktiert Franz Wagner die Geschehnisse bei der diesjährigen EM. Bereits in deren Vorfeld hatte der Forward der Orlando Magic angekündigt, seine Mannschaft auch kommunikativ und emotional noch mehr anführen zu wollen. In den vergangenen Jahren war es Kapitän Dennis Schröder, der die Entwicklung von einem sportlichen zu einem ganzheitlichen Anführer vollzogen hat. Nun ist es Wagner, der ihm in einem ähnlichen Takt folgt.

In den vergangenen Jahren war Wagner stets noch sehr auf das stets beeindruckende Sportliche bedacht. Sein Habitus auf und abseits des Parketts erinnerte mitunter noch an den Jugendlichen, der Alba Berlin vor sechs Jahren verließ, um in die USA ans College zu gehen – sehr reif, sehr intelligent, aber auch sehr ruhig. Anders als sein älterer Bruder Moritz, war Franz kein Mensch großer Gesten oder vieler Worte. Mittlerweile ist das anders, Wagner ist lauter geworden.


Größere Gesten und klare Worte

Auf dem Parkett gilt das im wahrsten Sinne des Wortes: Wagner spielt nicht nur spektakulärer und härter, er bearbeitet seine Gegenspieler auch verbal häufiger. Wagner hat nicht mehr nur gute Drives und harte Defense in seinem Repertoire, sondern auch derben Trashtalk. Auch im Umgang mit seinen Mitspielern ist Wagner fordernder geworden, beim Abfeiern ihrer gelungenen Aktionen lauter und expressiver.

Abseits des Parketts zeichnet sich die neue kommunikative Lautstärke Wagners eher durch die Frequenz und das Gewicht aus, mit dem Wagner spricht. Der Berliner erfüllt die gestiegene Nachfrage nach seiner Person mit noch mehr Interviews rund um die deutschen Spiele und Trainingseinheiten. Er spricht länger, gibt Antworten mit Substanz und ist dabei inhaltlich sehr klar in seinen Aussagen.

So wie am Donnerstagnachmittag, als Wagner gefragt wurde, ob die deutsche Mannschaft sich seiner Meinung nach mittlerweile in der Weltspitze etabliert hätte. Seine Antwort: „Wir sind eines der besten Teams der Welt. Ich finde, wir haben das oft genug bewiesen, und morgen ist die nächste Chance dazu.“

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.09.2025, 16:00 Uhr