Inhalt / Kritik
Im Leben des Angestellten Kim Dok-ja (Ahn Hyo-seop) gibt es nicht viel, auf das er sich wirklich freut. Es sei denn, es geht um das Erscheinen einer neuen Ausgabe der Web Novel Three Ways to Survive the Apocalypse, die er seit seiner Jugend liest. Als dann jedoch die letzte Ausgabe erreicht ist und er die letzte Seite gelesen hat, ist er vom Ende der Geschichte mehr als enttäuscht, sodass er in einem Kommentar an den Autor seinem Unmut Luft macht. Der Autor mit dem geheimnisvollen Namen „tls123“ meldet sich wenige Stunden nach Kims Kommentar bei ihm, doch neben einem Dank an seinen treuen Leser fordert er ihn auf, das Ende neu zu schreiben, wenn er glaubt, es besser zu können.
Wie ernst diese Aussage ist, erkennt Kim auf der Bahnfahrt nach Hause, als er, seine Kollegin Yoo Sang-ah (Chae Soo-bin) und die anderen Passagiere von einem riesigen Monster angegriffen werden. Ein dokkaebi, eine Art Kobold, der vor ihnen allen erscheint, lädt sie alle zu ihrer ersten Prüfung ein, mit deren Hilfe sie sich die Gunst der Herrschaftswesen erspielen können. Während die Menschen um ihn noch versuchen, sich die Angriffe und die Prüfungen zu erklären, erkennt Kim, dass es sich um die Handlung der ersten Kapitel der Web Novel handelt. Mit dem Wissen um das komplizierte System, die Skills und die Kämpfe sowie natürlich den Handlungsverlauf hat er einen entscheidenden Vorteil, weiß aber auch, dass es nun an ihm liegt, den tragischen Verlauf der Geschichte zu verändern.
Ein Abenteuer, das unterhält
Die Web Novel Omniscient Reader’s Viewpoint des Autorenduos Sing Shong erschien zwischen 2018 und 2020 und wurde schnell zu einem großen Erfolg in Südkorea und erfreut sich bis heute hoher Nutzerbewertungen. Bei einem solch positiven Zuspruch lässt eine Verfilmung natürlich nicht lange auf sich warten, sodass nach einer Umsetzung als Webtoon mit Omniscient Reader: The Prophecy ein erster Film in den Startlöchern steht, der in Deutschland schon auf dem Fantasy Filmfest lief. Auf dem Regiestuhl nahm der im Actiongenre erfahrene Kim Byung-woo Platz, dessen Film The Terror Live (2013) auf vielen Festival lief und in seiner Heimat kommerziell erfolgreich war. Die wilde Mischung aus postapokalyptischem Szenario, Fantasy- und RPG-Elementen überzeugt vor allem technisch und wird besonders in einem entsprechend ausgestatteten Kino überzeugen, sodass man bestimmte erzählerische Mängel fast schon ignorieren kann.
In den Statements zu seinem Film betont Kim stets, dass Omniscient Reader: The Prophecy in erster Linie ein „Abenteuer, das unterhält“. Mit dieser recht banalen Äußerung trifft der Filmemacher den Nagel aber dennoch auf den Kopf, denn Omniscient Reader ist Popcorn-Kino, wie es im Buche steht. Eine Kenntnis der Vorlage mag von Vorteil sein, doch im Allgemeinen benötigt man überhaupt kein Vorwissen, denn die vielen Actionszenen, die durchaus beachtliche CGI sowie die an RPGs erinnernden Elemente wie Skillstrees oder das Coin-System resultieren in einem audiovisuellen Overkill. Am besten kann man Omniscient Reader vielleicht mit Filmen wie Zack Snyders Sucker Punch oder Steven Spielbergs Ready Player One vergleichen, die ein ähnliches Feuerwerk ablieferten, aber auf der erzählerischen Ebene eher weniger überzeugten. Vielleicht erkennt man auch Parallelen zu Alice in Borderland, jedoch ist Omniscient Reader weitaus weniger düster geraten. Anstatt bei der Popkultur bedient sich Kim Byung-woos bei der facettenreichen Mythen- und Sagenwelt Koreas sowie den schon angesprochenen Action-Rollenspielen, was man nicht zuletzt daran erkennt, wie der Protagonist seine ‚Party‘ formt, moralisch stärkt und sich vom rückgratlosen Ja-Sager zum Anführer wandelt.
Allmachtsfantasien
Eine interessante Idee, auf der Omniscient Reader aufbaut, ist die des allwissenden Erzählers – eine Rolle, die Kim Dok-ja nach und nach selbst einnimmt. In der Geschichte wird dies zu einer wahr gewordenen Allmachtsfantasie des Protagonisten, der sich vom passiven Beobachter zum selbstbewussten Akteur wandelt. Sein Wissen um die Handlung der Web Novel und des Skilltrees nutzt er aus, um sich eines anderen Charakters zu entledigen und sich zum Herrscher über Leben und Tod zu machen, wenn er die erste gefährliche Prüfung überlisten kann. Die Tatsache, dass er dieses Wissen verschweigt und gegenüber Menschen, die ihm vertrauen, für sich behält, macht ihn zu einer interessanten Hauptfigur, deren dunkle Seiten man durchaus noch stärker hätte herausarbeiten können. Im Film geschieht dies in erster Linie über eine Rückblende, als er gezwungen wurde, einen anderen Jungen zu verprügeln, um weiteren Schikanierungen zu entkommen. Die für das Genre üblichen Kommentare über die menschliche Natur – wie sie bei Alice in Borderland beispielsweise der Fall sind – kehren zu Bildern und Dialogen zurück, die ziemlich abgedroschen sind, was auch die visuelle Wucht mancher Szenen nicht kaschieren kann. Da eine Fortsetzung sehr wahrscheinlich ist, können vielleicht die nächsten Filme der Reihe diesbezüglich noch ein paar Akzente setzen.
Credits
OT: „Jeonjijeok dokja sijeom“
Land: Südkorea
Jahr: 2025
Regie: Byung-woo Kim
Drehbuch: Byung-woo Kim, Jeong-min Lee
Vorlage: Sing Shong
Musik: Mowg
Kamera: Hye-jin Jeon
Besetzung: Min-ho Lee, Hyo-seop Ahn, Soo-bin Chae, Seung-ho Shin, Nana, Jisoo, Eun-seong Kwon
Filmfeste
Fantasia Film Festival 2025
Fantasy Filmfest 2025
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