Los Angeles – Jeder Schritt und jeder Blick auf diesen Film schmerzt. Und das ist gut so. Stephen Kings „The Long Walk“ galt lange als unverfilmbar – zu düster, zu beklemmend, zu kompromisslos. Der heute weltweit bekannte Horror-Autor hatte das Buch 1979 noch unter seinem Pseudonym Richard Bachman geschrieben.
Nun hat Hollywood es doch gewagt – und liefert ein Werk, das gerade in unserer Zeit erschreckend aktuell wirkt.
Ein unendlicher Marathon ohne Ziel: 50 junge Männer aus den US-Bundesstaaten beginnen einen Fußmarsch. Wer zu langsam ist, stirbt, Pausen gibt es nicht. Der Letzte, der am Ende steht, hat gewonnen und darf leben
Foto: picture alliance / Everett Collection
Denn es geht nicht nur um einen perfiden Wettbewerb, bei dem – im Film – 50 junge Männer aus den US-Bundesstaaten buchstäblich um ihr Leben gehen müssen. Ab dem Start immer mit einer knappen Geschwindigkeit von gut fünf Kilometern pro Stunde. Wer zurückfällt oder stehen bleibt, wird dreimal verwarnt, dann eiskalt erschossen.
Es gibt kein Ziel und nur einen Sieger
Es gibt kein Ziel. Nur einen Sieger. Wer als letzter läuft, hat einen Wunsch frei, wird unermesslich reich. Das Ganze wird gefilmt. Eine Tragödie in Echtzeit im Angesicht eines postapokalyptischen Systems, das keine Gnade kennt.
In den Hauptrollen spielen die Newcomer Cooper Hoffmann, Sohn des verstorbenen Oscar-Stars Philip Seymour Hoffman (†46, „Capote“) und David Jonsson („Alien: Romulus“), die sich zum Start des Todesmarsches kennenlernen.
Mark Hamill wird als „Der Major“ zum Beispiel für Entmenschlichung. Er begleitet die jungen Männer auf ihrem Todesmarsch
Foto: picture alliance / Everett Collection
Die Prämisse der knallharten Verfilmung ist simpel, brutal, fast biblisch: Wer stehen bleibt, verliert. Wer schwächelt, stirbt. Ein Fußmarsch als gnadenloses Spektakel für eine Gesellschaft, die den Untergang zur Prime-Time konsumiert. In Zeiten, in denen wir täglich politische Krisen, Desinformation und den Zynismus der Macht erleben, wird diese Geschichte wie ein bissiger Blick auf den Zustand der Welt. Der Einzelne wird geopfert, das Kollektiv klatscht Beifall.
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Was die Verfilmung so stark macht, sind die zwischenmenschlichen Momente. Aus Fremden werden Weggefährten, Kameraden im Untergang. Ein Lächeln, ein kurzes Gespräch, ein geteilter Schmerz: Freundschaften, die in Sekunden zerbrechen, wenn der Lauf des Todes zuschlägt.
Auch bei der Premiere von „The Long Walk“ mit seiner Frau Marilou (70) trug Luke Skywalker-Held Mark Hamill (73) eine Sonnenbrille. Im gesamten Film nimmt er diese nicht einmal ab
Foto: Getty Images
Und dann: Mark Hamill. Der einstige Held aus „Star Wars“ verwandelt sich in einen eiskalten Major – charismatisch, grausam, ein Zuchtmeister der Nation. Man sieht nie seine Augen hinter der Pilotenbrille.
Jede Geste strahlt Skrupellosigkeit aus
Mit jedem Blick, jeder Geste strahlt er die Skrupellosigkeit einer Macht aus, die sich selbst für unantastbar hält. Hamill spielt ihn nicht als Comic-Bösewicht, sondern als Mahnmal dafür, wie gefährlich Macht werden kann, wenn sie nicht mehr hinterfragt wird. Sein Auftritt ist das finstere Herz dieses Films – und er zeigt eindrucksvoll, dass er als Schauspieler (zuletzt „The Life of Chuck“) wie ein guter Wein immer besser wird.
Regisseur Francis Lawrence (54, l.) gibt seinen Hauptdarstellern während des anstrengenden Drehs Anweisungen
Foto: picture alliance / Everett Collection
„The Long Walk“ (ab Donnerstag im Kino) ist mehr als eine Stephen-King-Verfilmung. Es ist ein Spiegel für unsere Zeit, in der absurde politische Entwicklungen, das Erstarken autoritärer Tendenzen und die Aushöhlung von Menschlichkeit uns längst den Atem rauben. Der Film warnt: Seht hin! Lernt, bevor ihr zu spät versteht!
Ein Werk, das weh tut – aber genau deshalb gesehen werden muss.