In Sachsen gibt es nur noch sehr wenige kleine Klinken. Deutschlandweit sieht das aber anders aus. Unsere Datenrecherche zeigt einen deutlichen Ost-West-Unterschied. Woran liegt das? Warum schneidet der Osten hier so viel besser ab?
Ich glaube der Osten hat noch sehr von den DDR-Strukturen profitiert, wo sozusagen in jedem Bezirk ein Maximalversorger gewesen ist und die sich damals schon abgestimmt haben mit den regionalen Versorgern, sodass wir im Osten nicht diese hohe Dichte haben. In den östlichen Bundesländern gibt es heute Perinatalzentren, die Frühgeborene in sehr hoher Fallzahl versorgen. Das ist in den westlichen Bundesländern traditionell anders. Dort habe ich in einer Stadt vielleicht ein katholisches, ein evangelisches und ein städtisches Haus – und alle möchten als Maximalversorger auftreten.
Und das wirkt sich auch auf die Geburtskliniken aus?
Absolut. Emotional gesehen möchte man natürlich in jeder Stadt eine Geburtsklinik haben – das kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn die Geburtenzahlen zurückgehen, muss man sich fragen: Ist es wirklich sinnvoll, in einer Klinik zu entbinden, in der nur noch 300 oder 400 Geburten im Jahr stattfinden?
Im Jahr 2022 haben Sie ein regionales Kompetenznetzwerk in Sachsen aufgebaut, um die Versorgung in Kliniken zu verbessern. Was war Ihre Motivation ?
Es waren zwei Hauptgründe. Zum einen liegt mir sehr am Herzen, dass Familien frühzeitig einbezogen werden und sich um ihr Kind kümmern können – das ist langfristig entscheidend für die Entwicklung. Damit das gelingt, müssen Kinder möglichst schnell heimatnah verlegt werden – ohne Abstriche bei Sicherheit oder medizinischer Versorgung.
Zum anderen kann auch bei einer unauffälligen Schwangerschaft plötzlich etwas passieren. Natürlich kann nicht jede Geburt unter Maximalbedingungen stattfinden. Aber wir können sicherstellen, dass neonatologische Expertise verfügbar ist – entweder durch einen Kinderarzt vor Ort oder per Telemedizin.