Berlin – Dieses Dokument bringt die Bundesregierung in Erklärungsnot.
Nach BILD-Informationen hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius für die militärische Unterstützung der Ukraine über die nächsten zwei Jahre gut 10 Milliarden Euro mehr Bedarf angemeldet, als durch Finanzminister Lars Klingbeil und die Merz-Regierung bewilligt wurde.
Jetzt müssen geplante Verträge mit der ukrainischen Rüstungsindustrie ausgesetzt und Maßnahmen zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte gestrichen oder abgespeckt werden.
Doch ein offizielles Dokument aus dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg), das Ende August an Abgeordnete im Bundestag verschickt wurde, zeichnet ein ganz anderes Bild.
Milliardenlücke bei der Ukraine-Hilfe
Demnach hat das Verteidigungsministerium noch im Juni beim Finanzministerium (BMF) für das kommende Jahr einen Bedarf von 15,8 Milliarden und für 2027 einen Bedarf von 12,8 Milliarden Euro zur militärischen Unterstützung der Ukraine angemeldet. Aber für beide Jahre wurden – inklusive 500 Millionen Rückzahlungen aus EU-Töpfen – lediglich 9 Milliarden Euro bewilligt.
Heißt: Plötzlich fehlen Pistorius 10,6 Milliarden Euro für dringend notwendige und teilweise bereits zugesagte Rüstungskooperationen zur Verteidigung der Ukraine gegen Putins Aggression.
Jetzt muss Deutschland seine fest eingeplanten und sachlich begründeten Hilfen für die Ukraine einstampfen.
Geplante Verträge auf der Kippe
In dem internen Dokument heißt es: „Zur Einhaltung der Vorgabe von 9 Mrd. Euro wurde für das Jahr 2026 keine zusätzliche industrielle Unterstützung der Ukraine mit Vertragsschluss 2026 in Verbindung mit Ausgabemitteln 2026 ausgebracht. Darüber hinaus mussten Maßnahmen mit Vertragsschluss 2026, mit Fälligkeit 2027 teilweise gestrichen oder vom Vertragsvolumen her angepasst werden.“
Am 22. August verschickte das BMVg das insgesamt 464 Seiten umfassende zitierte Dokument mit dem Namen „Vorberatung des Verteidigungshaushalts 2025 mit den Berichterstattern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 6. Oktober 2025“
Foto: Privat
Zudem macht das BMVg-Papier keinen Hehl daraus, dass die jeweils 9 Milliarden Militärhilfe für die nächsten Jahre nicht den Vorstellungen des Ministeriums entsprechen. „Der ursprünglich eingebrachte Anmeldebetrag für die Jahre 2026 und 2027 lag deutlich höher“, heißt es klar.
Widersprüchliche Aussagen zwischen Ministerien
Für Militärfachmann Carlo Masala (57) von der Bundeswehr-Universität in München wirft das Pistorius-Papier Fragen auf. Zu BILD sagte er: „Das Dokument zeigt sehr deutlich, dass das Argument, dass es seitens der Ukraine keinen weiteren Bedarf gibt, so nicht stimmen kann.“ Stattdessen gehe aus den Zahlen hervor, „dass der Bedarf wesentlich höher ist als die bislang eingeplanten Summen“.
Für Pro. Carlo Masala wirft das Papier Fragen auf
Foto: Niels Starnick/BILD
Auch Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer (46) hält fest: „Das Verteidigungsministerium sieht deutlichere höhere Bedarfe der Ukraine für ihre Selbstverteidigung als das Finanzministerium und die Bundesregierung insgesamt letztlich freigegeben haben.“
Schäfer kritisiert: „Friedrich Merz hat ein ganz anderes Handeln angekündigt, jetzt agiert er wie sein Amtsvorgänger gegen den Verteidigungsminister. Dabei gibt es keine Ausreden mehr: Die Grundgesetzänderung ermöglicht es, diese Unterstützung zu finanzieren, nichts muss deshalb im Haushalt gestrichen werden.“
Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer
Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich
Auf BILD-Anfrage dementierten die involvierten Ministerien unterschiedliche Vorstellungen bei der Bedarfserstellung der ukrainischen Verteidigung für die kommenden Jahre.
In ihrer wortgleichen Antwort erklärten ein Sprecher des BMVg und eine Sprecherin des BMF: „Die im Haushaltsaufstellungsverfahren berücksichtigten Werte wurden zwischen Bundesfinanz- und Bundesverteidigungsminister gemeinsam vereinbart, insofern besteht hierüber vollständige Einigkeit.“ Zudem halte die Bundesregierung „uneingeschränkt an dem Ziel fest, die für die Verteidigung der Ukraine nötigen Mittel bereitzustellen“.
Eine Erklärung für die der Antwort zuwiderlaufenden Aussagen im von BILD zitierten offiziellen BMVg-Dokument lieferten die Ministerien nicht.