EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf. Dennoch will die Autoindustrie beim Dialog mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ein Aufweichen des Verbrenner-Aus 2035 erreichen. Die Chancen stehen schlecht.
Die Autoindustrie will beim heute in Brüssel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stattfinden Treffen ein Aufweichen des ab 2035 geltenden Verbrenner-Aus und eine Flexibilisierung der CO2-Flottengrenzwerte erreichen. Die EU will aber nach einem internen Strategiepapier an dem Ausstiegsdatum festhalten. „Das Ziel einer zu 100 Prozent sauberen und erschwinglichen Mobilität in zehn Jahren bleibt weiterhin erreichbar», heißt es in einem Konzeptpapier der Behörde, über das mehrere Medien berichteten. Europaweit steigen derzeit die Absatzzahlen von E-Autos, was die Argumentation der EU stützt.
Mit Blick auf die Flottengrenzwerte sind die Hersteller nach einer aktuellen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) nur noch wenige Gramm CO2 davon entfernt, das nächsten EU-Zwischenziel für 2027 zu erreichen. Der internationale Umweltforschungsverbund hatte zusammen mit US-Umweltbehörden dazu beigetragen, dass die VW-Dieselaffäre 2015 aufflog. Doch Verzögerungen bei der Elektrifizierung des Verkehrssektors könnten die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gefährden, heißt es mit Blick auf die aktuelle Auswertung, die anlässlich der EU-Überprüfung des geplanten Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 veröffentlicht werde.
Ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos erlaubt
Der EU-Beschluss zum Verbrenner-Aus sieht vor, dass von 2035 an keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden dürfen, um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Derzeit berät die EU-Kommission mit der europäischen Autoindustrie über Herausforderungen der Branche. In Deutschland gab es jüngst vor allem aus der Union, aber auch von Wirtschaftsvertretern vermehrt Druck, das sogenannte Verbrenner-Aus zurückzunehmen.
«Unsere Analyse zeigt: Die Elektrifizierung in der EU ist nicht nur auf Kurs, sie nimmt sogar immer mehr Fahrt auf», sagte Peter Mock, Geschäftsführer des ICCT Berlin. Seit dem VW-Abgasskandal 2015 habe sich die europäische Autoindustrie tiefgreifend gewandelt. Um Vertrauen zurückzugewinnen und Emissionen zu reduzieren, versprachen die Autohersteller, verstärkt auf Elektrifizierung zu setzen.
Studie: EU weltweit zweitgrößter Produzent von Elektroautos
Nach Angaben der ICCT-Organisation ist die EU mittlerweile Nettoexporteur vollelektrischer Fahrzeuge und der weltweit zweitgrößte Produzent von Elektroautos. Im ersten Halbjahr 2025 erreichten vollelektrische Modelle im Durchschnitt einen Rekordmarktanteil von 17 Prozent in Europa. «Die Hersteller sollten sich weniger um die nächsten EU-Ziele und eher um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit sorgen», sagte Mock. Jedes Zögern untergrabe das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern, während andere Märkte, vor allem China, weiter an Bedeutung gewinnen, sagte der ICCT-Geschäftsführer.
Im Vorfeld des heutigen Treffens der Autoindustrie hatte unter anderem der europäische Herstellerverband ACEA einen Brandbrief an Kommissionspräsidentin von der Leyen geschickt, in dem ACEA-Präsident Ola Källenius zusammen mit den Zulieferern eine Aufweichung des Verbrenner-Aus gefordert hatte. Unterstützung erhält die Autoindustrie dabei auch von der Politik. „Das Verbrennerverbot bedroht Arbeitsplätze in Deutschland und Europa. Es muss weg – und zwar schnell! Unsere Autoindustrie stellt absolute Spitzentechnologie her. Deswegen brauchen wir Technologieoffenheit und keine Verbote!“, schrieb der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, am Donnerstag auf LinkedIn. Man mache Politik für die Menschen in Europa, so Weber. „Dazu gehören Millionen Beschäftigte in der Autoindustrie. Wir hören zu, nehmen die Sorgen ernst und bieten Lösungen an. Pragmatismus statt Ideologie. Wir sind die Arbeiterpartei Europas!“
VDIK für Flexibilisierung der CO2-Grenzwerte
Die CO2-Belastung ist ein Gesundheitsrisiko. Foto: dpa
Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) begrüßt „den überfälligen Austausch“ zwischen der Autoindustrie und der EU-Kommissionspräsidentin, wie der Verband am Freitag mitteilte. „Es kommt nun darauf an, dass wir Klarheit hinsichtlich der CO2-Regulierung und die dringend notwendige Flexibilisierung der Flottengrenzwerte bekommen“, sagte VDIK-Präsidentin Imelda Labbé. Der VDIK spricht sich für eine Flexibilisierung der Flottengrenzwerte“ aus, „bis die Rahmenbedingungen zum Hochlauf der Elektromobilität in Europa geschaffen sind.“ Die Flottenziele seien nur erreichbar, wenn mehr Autofahrer auf die Elektroautos umsteigen. Doch das sei für viele Durchschnittsverdiener gerade mit Blick auf die „Strompreise und den Ausbau der Ladeinfrastruktur gerade in städtischen Wohnquartieren noch keine alltagstaugliche Option“, so Labbé weiter. „Deshalb brauchen wir nun dringend die Review-Prozesse. Die Europäische Kommission muss jetzt einen neuen Zeitplan für die Flottengrenzwerte aufstellen und an die zukünftige Entwicklung der Rahmenbedingungen anpassen“, so Labbé weiter.
Begrüßt werden vom VDIK die Überlegungen der EU, bei der Erfüllung der CO2-Ziele mehr Gewicht auf das Angebot kleiner und günstiger E-Autos zu legen. Gerade das Kleinwagensegment würde mit seinem großen Marktvolumen eine wichtige Rolle für bezahlbare E-Mobilität spielen.
Meinung in Industrie geteilt
VW-Markenchef Thomas Schäfer mit dem ID. Cross auf der IAA. Foto: VW
Die Meinung in der Industrie gehen indes weit auseinander. So hatte VW-Markenvorstand Thomas Schäfer in dieser Woche auf Linkedin geschrieben. „Um es klar zu sagen: Elektromobilität im Volumensegment ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit“, so der Markenchef. VW zeigt auf der IAA in München derzeit seine „Electric Urban Car Family“ mit vier Modellen aus dem gesamten VW-Konzern, die E-Mobilität für breite Käuferschichten „in ganz Europa wirklich zugänglich machen sollen“.
Schäfer wies zugleich darauf hin, dass man sich in einer Übergangsphase befinden würde, in der Hybridantriebe weit verbreitet sind und auch „kurz- und mittelfristig weiter eine Rolle spielen“ werden. Mit Blick auf die Diskussion der Technologieoffenheit merkt Schäfer an, dass auch „alternative Kraftstoffe und Brennstoffzellentechnologien“ einen Beitrag leisten können. „Wenn es jedoch darum geht, die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, ist die vollständige Elektrifizierung der einzige gangbare Weg – insbesondere im Volumensegment.“ Allerings wünscht sich auch Schäfer in einem „schwierigen europäischen Marktumfeld“ mit Blick auf „die CO2-Ziele für 2035 einen realistischen Ansatz. Genau wie der nun bestätigte Mittelungsmechanismus für die Flottenziele von 2025 bis 2027 muss Flexibilität so gestaltet werden, dass die Gesamtklimaziele erreichbar sind“. Wie Schäffer weiter schrieb, bräuchten die Menschen, aber auch die Unternehmen – die Milliarden-Investitionen tätigen – „Klarheit, um sichere Entscheidungen treffen zu können“.
Unterschriftenaktion gegen Aufweiche
Gegen einen Abschied vom Verbrenner-Aus 2035 hatten sich in der vergangenen Woche auch viele der 6000 Teilnehmer bei der Intercharge Network Conference (ICCN) in Berlin gewandt und dazu eine Unterschriftenaktion auf den Weg gebracht, die auch nach Brüssel gesandt wurde.
Wie der Chef der internationalen eRoaming-Plattform Hubject, Christian Hahn, im Podcast der Autogazette sagte, sollte man an dem Verbrenner-Aus 2035 festhalten. Dieses Ziel in Frage zu stellen, hält Hahn für fatal. Er verweist darauf, dass es nicht nur die Autoindustrie gibt, sondern auch Unternehmen beispielsweise aus der Hardware- und Softwareindustrie, die in die E-Mobilität investieren. Darunter seien auch „viele Startups, die alle davon abhängig sind, dass die Industrie wächst“. Jetzt die falschen Signale zu setzen und das Datum 2035 in Frage zu stellen, bezeichnete Hahn als fatalistisch, weil das auch viele Investoren abstoßen würde. (mit dpa)