„Eigentlich wollte ich nicht mehr in Provinzstädte fahren“, sagt Hera Lind. Durch die Reihen geht ein erschrockenes Raunen. Zumindest kulinarisch hat sie sich mit der „Provinz“ angefreundet – nach einer Stunde hat sie das zweite Bier einer Homburger Brauerei vor sich. Serviert von ihrem Mann. „Jetzt kommt der Mann mit dem zweiten Bier, er merkt, die Mutter wird heiser“, lacht sie. Homburg findet sie „zauberhaft“.
Hera Lind ist ein Mensch, der seinen Zuhörern am Mittwoch tolle Momente schenkt, die eine ganze Palette an Emotionen bergen. Als sie von ihrer „schlimmsten Lesung“ im Männergefängnis erzählt, wo sie mal an Heiligabend las, und wo „40 Männer aneinandergefesselt“ in die Gefängniskapelle geführt wurden, ist das witzig: Auf eine lesende Frau waren sie nicht vorbereitet. Die Männer blickten sie „hasserfüllt“ an. „Ich passte nicht mal in deren Beuteschema“, attestiert sie sich selbst. Deshalb trägt sie heute Leopard – für die „mitgebrachten fünf Prozent Männer“.
Sie erzählt, wie sie zu ihrem Künstlernamen Hera Lind kam. Eigentlich heißt sie Herlind – „ich wollte später wenigstens Frau Lind heißen“. Die einzige ihr bekannte Frau mit diesem Vornamen war die Mama von Angela Merkel. „Herlind Kasner“, kommt es von einer Frau aus dem Publikum. „Wir wissen das aus der Bunten, nicht wahr?“, antwortet Lind. Weil sie ihren Vornamen hasste, wollte sie eine Selbsthilfegruppe „für Leute mit schrecklichem Namen gründen“. Sie wurde Sängerin im Kölner Rundfunkchor und „bin ziemlich sicher, dass ich in dieser Kirche schon mal gesungen habe“, deutet sie auf die Stadtkirche. Sie erzählt, wie sie ihren früheren Freund kennenlernte – den Theaterarzt, der mit auf Tour war, und der sie betrunken abgeholt hatte.
Und da sie klassisch ausgebildete Sängerin ist, singt sie einen Auszug aus der Arie von Verdis „Requiem“. Später folgen „Kann denn Liebe Sünde sein“ oder „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Sie singt sie anmutig, mitreißend.
Lind begann in ihrer ersten Schwangerschaft ihren ersten Roman zu schreiben. Ihr damaliger Freund fand, sie sollte das Manuskript auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen. Dort kam sie bei einem Verlag vorbei, an dem Eva Hellers neues Buch stand, und sagte: „Ich hab’ was viel Besseres geschrieben als Eva Heller!“ Später kam raus: Die Empfängerin ihrer Worte war Eva Heller selbst. Ihr Fazit: „Mein Leben ist mit Fettnäpfchen gespickt.“
Dass die Lesung im kleinen Siebenpfeifferhaus stattfindet, passt zur Atmosphäre: So ist man ihr nah. Man hört ihr gern zu. Sie hat die Gabe, Dinge packend zu erzählen. Als sie das Drehbuch für ihre Filmadaption von „Das Superweib“ in Hollywood schrieb (im Vertrag standen „sehr sechsstellige Zahlen drunter“), das von Bernd Eichinger verfilmt wurde, und sie von seinem Pool aus das Hollywood-Schild sah, war das für sie magisch. „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in Homburg an der Blies und sehen plötzlich den Schriftzug ,Käshofen’“.
Als sie bei einem „Traumschiff“-Dreh ihren heutigen Mann kennenlernte und sie händchenhaltend abgelichtet wurden (da war sie noch mit ihrem Lebensgefährten zusammen), wurde sie von der Bildzeitung verfolgt. Die Schlagzeile „Hera Lind brennt mit einem anderen Mann durch: Was wird aus den Kindern?“ sollte für sieben Jahre ihr Leben zerstören. Sie verlor all ihre Buchverträge und Engagements, wurde als „Deutschlands Rabenmutter Nummer 1“ betitelt, und flüchtete mit ihrem jetzigen Mann nach Österreich.
Irgendwann kam sie wieder auf die Beine, schrieb das Udo-Jürgens-Musical, aber Jürgens wollte sich nicht mit ihr auf die „Wetten, dass …?“-Couch setzen. Es war ihr tiefer Fall, sagt sie. Heute schreibt sie nur noch Geschichten von realen Personen, die ihr zugeschickt werden. Ihr nächstes Buch spielt in Forbach.