Matthias Weik. Foto: Goodwil4life – Eigenes Werk. Lizenz: CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
2024 hat die chinesische Shopping-App Temu den europäischen Kontinent im Sturm erobert. Von Spanien bis Polen, von Irland bis Griechenland. Kein Anbieter aus der Europäischen Union (EU), sondern Temu führt fast überall die Download-Charts an. Millionen Europäer bestellen dort direkt aus China täglich Produkte zu Dumpingpreisen. Für manch einen ist das nur ein neuer Trend im Onlinehandel. In Wahrheit aber ist Temu ein Symbol für den schleichenden Selbstmord des europäischen Wirtschaftsmodells.
Temu – Sieg der Bequemlichkeit über Vernunft
Temu steht für ein simples, aber gnadenlos effektives Prinzip. Die Devise lautet maximale Bequemlichkeit und minimale Preise. Exakt das, was die Mehrheit der Verbraucher in der EU offenkundig möchte. Die wenigsten interessiert Nachhaltigkeit oder Fairness oder gar, dass die europäische Wertschöpfung dabei unter die Räder kommt.
Die Botschaft ist vollkommen klar. Die Zukunft des digitalen Konsums wird nicht von europäischen Anbietern, sondern einer chinesischen Plattform geprägtDie deutsche und EU-Politik spricht von Transformation, Nachhaltigkeit und Werten. Die Bürger füttern jedoch lieber bereitwillig ein Geschäftsmodell, das genau all diese Prinzipien ignoriert. Temu ist das beste und sichtbarste Beispiel wie weit sich die Bürger Europas von ihren Politikern entfernt haben.
Die Doppelmoral Europas – und besonders Deutschlands
Deutschland – oder besser gesagt Teile seiner Politik – inszenieren sich gerne als moralische Weltmacht. Mit erhobenem Zeigefinger reisen Politiker rund um den Globus. Sie predigen Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Lieferkettengesetze und strenge Umweltauflagen. Sie verschärfen damit Jahr für Jahr die Belastungen für die heimische Wirtschaft und machen den Standort im internationalen Wettbewerb immer unattraktiver. Folglich werden die in Deutschland produzierten Produkte kontinuierlich immer teurer. Doch an teuer haben offenkundig immer weniger Interesse oder sie können es sich auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen Lage – auch Dank immer höherer Steuern und Abgaben – schlicht und einfach nicht mehr leisten.
Temu kann billig – Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz und Menschenrechte – wen interessierts?
Nicht nur Deutschlands Verbraucher, sondern auch unsere europäischen Nachbarn bestellen begeistert bei Temu. Bei der Plattform aus China spielen Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz und Menschenrechte nicht die allergrößte Rolle. Die Konsumenten interessiert dies jedoch offenkundig, in Anbetracht der gigantischen Anzahl an Paketen (laut Reuters wurden 2024 täglich etwa 400 000 Pakete von Temu (gemeinsam mit Shein) nach Deutschland verschickt) herzlich wenig.
Die Ironie könnte bitterer kaum sein:
- Deutschland und die EU verschärfen fortwährend Umweltauflagen. Produkte aus Fernost produziert unter Bedingungen, die hierzulande undenkbar wären, strömen dafür zollfrei ins Land.
- Deutschlands Politiker und Gewerkschafter predigen Arbeitnehmerrechte. Die Bürger kaufen dafür Ware, bei der niemand nach fairen Löhnen oder Arbeitsbedingungen fragt.
- Die Politik spricht von europäischer Souveränität. Die Bürger liefern Geld und Daten nach China.
So wird mit Ansage unser eigener Standort zerstört.
Die ökonomische Selbstzerstörung
Deutschland und Europa verlieren in dreifacher Hinsicht:
- Wirtschaftlich: Geld und Wertschöpfung fließen nach China. Gleichzeitig werden heimische Anbieter verdrängt.
- Gesellschaftlich: Wir halten uns selbst zum Narren, indem wir Nachhaltigkeit predigen, aber in der Praxis genau das Gegenteil machen.
- Kulturell: weil sie preislich mit China nicht mithalten können, werden Europäische Innovationen ignoriert oder aus dem Markt gedrängt.
Wer die Meinung vertritt, dass diese Entwicklung nur ein temporärer Trend ist, leidet unter Realitätsverlust. Temu ist nicht die Ausnahme. Temu ist die Blaupause für das, was auf uns in atemberaubender Geschwindigkeit zurollt.
Die Rolle der Politik: Realitätsverweigerung
Die EU-Politik feiert sich für das Lieferkettengesetz, CO₂-Bepreisung und immer neue Bürokratiemonster. Chinesische Plattformen rollen den Markt auf. In der EU und insbesondere in Deutschland werden Unternehmen systematisch stranguliert, anstatt Standortbedingungen zu verbessern. Energiepreise liegen weit über internationalem Niveau. Bürokratie wächst unvermindert, anstatt endlich radikal abgebaut zu werden. Investitionen werden durch politische Unsicherheit blockiert. Und währenddessen predigen Ministerinnen und Minister weltweit hehre Ziele. Sie merken dabei nicht, dass die Basis unseres Wohlstands – kurzum die industrielle und digitale Wertschöpfung – schleichend zerbricht.
Ein Kontinent ohne Selbstvertrauen
Es ist nicht China, das Europas digitale Zukunft zerstört. Europa und Deutschland vorneweg zerstört sie selbst. Wir haben weltklasse Ingenieure, Kreative und Unternehmer. Doch wir lassen sie gegen Mauern aus Bürokratie, Abgaben und politischer Ideologie anrennen und wundern uns dann, wenn immer mehr Hochqualifizierte ihr Glück im Ausland suchen. China investiert, skaliert und expandiert. Deutschland und die EU diskutieren über Verbote, Abgaben, Regulierungen, neue Steuern und Abgaben und Quoten. Die USA fördern ihre Tech-Giganten. Deutschland und die EU strangulieren ihre Unternehmen mit Regulierungen und steuerlichen Belastungen.
Temu ist kein kurzfristiger Hype, sondern ein Menetekel
Temu zeigt herrlich deutlich wie bereitwillig die Europäer für ein paar Euro Ersparnis ihre Werte, ihre Industrie und ihre Zukunft opfern. Die bittere Wahrheit lautet, dass nicht China Deutschland zerstört, sondern Deutschland sich selbst. Aus moralischer Überheblichkeit und politischer Kurzsichtigkeit. Aus der Gier nach dem billigsten Angebot. Wenn wir so weitermachen, wird der „Standort Deutschland“ bald nur noch eine historische Fußnote sein. Die digitale Zukunft wird längst in China und den USA entschieden.
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