Die 25.000-Euro-Frage
Für US-Aktien wird die Luft dünner
Ein Gastbeitrag von Reinhard Pfingsten
12.09.2025, 13:32 Uhr
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Nachdem die Zolldebatte abgeklungen ist und die Halbjahresergebnisse insgesamt gut ausfielen, bewegt sich die Wall Street, gemessen am S&P 500, auf Rekordniveau. Doch die Aussichten verdunkeln sich.
Vor allem die hohen Bewertungen und die schwachen Konjunkturaussichten sprechen für eine Korrektur an den amerikanischen Aktienmärkten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500, der die 500 größten in den USA börsennotierten Unternehmen umfasst, beläuft sich derzeit auf rund 28,8. Das heißt, die Unternehmen müssten fast 29 Jahre lang den für dieses Jahr erwarteten Nettogewinn erwirtschaften, um den Kaufpreis der entsprechenden Aktien abzubezahlen. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag das KGV des S&P 500 bei 23,4. Anleger zahlen also derzeit bei amerikanischen Standardwerten einen Aufschlag von mehr als 20 Prozent.
Reinhard Pfingsten ist Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank.
Diese ungewöhnlich hohe Bewertung sorgt in Kombination mit einer drohenden Konjunkturabkühlung für dünne Luft an den US-Börsen. Im August entstanden außerhalb der Landwirtschaft in den USA nur 22.000 neue Arbeitsplätze. Die zuvor von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen hatten hingegen mit 75.000 neuen Stellen gerechnet. Nach einer Faustformel benötigen die Vereinigten Staaten eigentlich rund 100.000 neue Arbeitsplätze pro Monat, um die wachsende Zahl an Arbeitskräften zu beschäftigen. Im April waren es noch 158.000. Ein schwacher Arbeitsmarkt signalisiert nachlassendes Wirtschaftswachstum.
Trump mangelt es an Planungssicherheit
Im August stieg die Arbeitslosenquote jedoch nur geringfügig von 4,2 auf 4,3 Prozent. Grund dafür ist, dass den wenigen Neueinstellungen auch wenige Entlassungen gegenüberstanden. Einerseits halten die amerikanischen Unternehmen sich mit der Schaffung neuer Stellen zurück. Aufgrund des Zollchaos und der wirtschaftspolitischen Kapriolen von US-Präsident Donald Trump mangelt es an Planungssicherheit. Andererseits fällt es den US-Firmen schwer, Mitarbeiter zu entlassen.
Die Arbeitgeber haben aus den Massenentlassungen während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 gelernt, dass frei gewordene Stellen im nächsten Konjunkturaufschwung entweder nicht adäquat besetzt werden können oder nur zu höheren Löhnen. Diesen Fehler wollen sie nicht wiederholen und lassen ihre Angestellten und Arbeiter deshalb lieber etwas länger auf der Gehaltsliste stehen.
Dennoch hat der schwache Stellenaufbau in den zurückliegenden vier Monaten das Risiko einer US-Rezession auf der Agenda der Investoren nach oben rücken lassen. Da in den kommenden Monaten eher mit einem schwächeren Arbeitsmarkt in den USA zu rechnen ist, dürfte die Rezessionsgefahr weiter steigen. Bislang ist es allerdings wahrscheinlicher, dass sich das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten nur abschwächt – beispielsweise auf 1,5 Prozent – und nicht schrumpft. Dies ist aber nicht auszuschließen.
Zudem ist die Wirkung des US-Dollars für Investoren aus der Eurozone nicht zu vernachlässigen. Weniger Handel bedeutet auch einen niedrigeren Dollar-Kurs. Und eine weitere Abwertung schmälert dann auch mögliche Gewinne für Euro-Investoren.
Zinssenkungen voraus?
Die absehbare Konjunkturabkühlung hängt auch damit zusammen, dass die verhängten Einfuhrzölle die Preise der importierten Güter in den USA verteuern werden. Zwar hatten die Importeure vor der Verhängung der Zölle ihre Lager noch aufgefüllt. Doch diese leeren sich schrittweise. Die Unternehmen werden die Zölle nicht auf Dauer auf eigene Rechnung nehmen. Dann würden sie nichts mehr verdienen oder sogar in die Verlustzone rutschen. In den kommenden Monaten ist in den USA also zunehmend mit steigenden Preisen zu rechnen. Das gilt auch für in den USA hergestellte Waren, da diese häufig aus dem Ausland stammende Vorprodukte und Zulieferteile enthalten, die wiederum den Einfuhrzöllen unterliegen.
Steigen die Preise, steht den amerikanischen Verbrauchern real, also nach Abzug der Inflationsrate, weniger Geld für ihre Einkäufe zur Verfügung. Was das für eine Volkswirtschaft bedeutet, die zu 70 Prozent auf dem Konsum basiert, lässt sich an fünf Fingern abzählen. Wenn die US-Wirtschaft langsamer wächst oder sogar in eine Rezession abgleitet, wird das die Gewinne der Unternehmen und damit auch deren Aktienkurse belasten.
Da die amerikanische Notenbank Fed sowohl der Inflationsbegrenzung als auch der Vollbeschäftigung verpflichtet ist, wird sie voraussichtlich Mitte September erstmals seit Ende 2024 die Leitzinsen senken. Anschließend könnten vier weitere Zinssenkungen folgen, was über den aktuellen Erwartungen der Finanzmärkte liegt. Es zeigt sich jedoch zunehmend, dass Trump und Co. massiven Druck auf die Fed ausüben, um die Zinsen zu senken. Das würde die Zinslast des US-Staats für seine Schulden dämpfen und das Wirtschaftswachstum unterstützen. Das ist mit ein Grund dafür, dass es in den USA wohl zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum, aber nicht zu einer Rezession kommt.
Die 25.000 Euro-Frage
Da auch die Aktienmärkte in Europa und Japan mittlerweile nicht mehr günstig bewertet sind, sollten Anleger, die über 25.000 Euro verfügen und diese investieren möchten, ihren Aktienanteil auf weniger als die Hälfte begrenzen. Vor allem das Gewicht von US-Aktien sollte aus den genannten Gründen reduziert werden. Anleihen könnten ebenfalls mit knapp der Hälfte gewichtet werden. Vor allem US-Staatsanleihen bieten eine vergleichsweise hohe Verzinsung. Die restlichen zehn Prozent sollten Anleger in bar halten, um bei möglichen Korrekturen preiswerter nachkaufen zu können.
Reinhard Pfingsten arbeitet seit September 2023 als Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Diese Funktion übte der studierte Mathematiker bereits zuvor bei der Bethmann Bank und Hauck & Aufhäuser Privatbankiers aus.
Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Deutschen Apotheker- und Ärztebank dar.