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Die US-Zollpolitik trifft Chemie- und Pharmaunternehmen in Hessen und Niedersachsen hart. Das Exportgeschäft bricht ein. Wie reagieren die Firmen?

Kassel – Von Schmerztabletten über Reagenzgläser bis hin zu Impfstoffen: Knapp ein Viertel der deutschen Pharma-Exporte ging im vergangenen Jahr in die USA. Allein in Hessen belief sich der Warenwert exportierter pharmazeutischer und chemischer Erzeugnisse in das Land auf 1,8 Milliarden Euro im ersten Halbjahr, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Damit brachen die Ausfuhren mit einem Minus von 26 Prozent regelrecht ein.

Und auch in Niedersachsen ist die Sorge vor den Folgen der US-Handelspolitik groß. Unlängst meldete die IHK Hannover, neun von zehn Unternehmen im Kammerbezirk befürchteten negative Folgen – besonders Chemie- und Pharmahersteller. Wie groß sind die Auswirkungen in der Region?

IHK Kassel-Marburg: Umsatzeinbrüche und Investitionsstau in der Region

„Der Rückgang der US-Exporte trifft die Chemie- und Pharmabranche in Nordhessen und Marburg. Umsätze brechen weg, Investitionen werden aufgeschoben, und die Sorge um Arbeitsplätze wächst“, sagt Thomas Rudolff von der IHK Kassel-Marburg. Als Reaktion auf Trumps Zollpolitik hätten viele Firmen ihre Absatzmärkte und Lieferketten „diversifiziert“. Heißt: Produziert wird zunehmend in den Vereinigten Staaten oder in Nachbarländern. Gleichzeitig nehmen die Unternehmen Kunden etwa in Südasien, im Nahen Osten oder Südamerika in den Blick. IHK-Sprecher Rudolff spricht von „zahlreichen unerschlossenen Möglichkeiten.“

Sartorius AG Göttingen, Sartorius-Campus, Hauptsitz des Konzerns und im DAX notierten Unternehmens. Foto: Hubert Jelinek„USA bleiben wichtiger Markt für Sartorius“: Der Göttinger Pharma- und Laborzulieferer investiert in Nordamerika, um sich gegen Einfuhrzölle zu wappnen. © Jelinek, Hubert

Der Göttinger Pharma- und Laborzulieferer Sartorius, der 13.500 Mitarbeiter in 60 Ländern beschäftigt, geht diesen Weg nicht erst, seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt. „Die USA sind und bleiben ein sehr wichtiger Markt für Sartorius“, teilt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage mit. Man sei mit fünf Werken im Land aktiv und unterhalte den zweitgrößten Konzernstandort in Puerto Rico. In die nordamerikanischen Standorte habe Sartorius „in den letzten Jahren deutlich investiert“. Damit sieht sich das Unternehmen aktuell gegen die Zollpolitik gewappnet – wobei „begrenzte finanzielle Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können“.

Kostenexplosion am Standort Deutschland? Unternehmer schlägt Alarm

Auch der Melsunger Hersteller Solupharm, der sich auf die Produktion von Glasampullen mit Infusionen und Injektionen spezialisiert hat, spürt derzeit „noch keinen negativen Einfluss der Zölle“, wie Geschäftsführer Friedemann Seitz sagt. Allerdings müsse sich „jedes Unternehmen einschließlich der jeweiligen Tarifpartner die Frage stellen, wie negative Folgen der Handelspolitik auf den Standort Melsungen abzumildern“ seien.

Sorgen machen Seitz die Forderungen der Gewerkschaften nach zusätzlichen Feiertagen oder mehr Bildungsurlaub. Dies habe „unmittelbaren Einfluss auf die Kostensituation in einem Land, das bereits jetzt die meisten gesetzlichen Feiertage, die meisten Urlaubstage und die höchste Krankenquote in Europa aufweist“, warnt der Unternehmer. Ohne maßvolle Tarifabschlüsse sei die ohnehin teure Produktion am Pharmastandort Deutschland in Gefahr. Das ebenfalls in Melsungen ansässige Medizintechnologieunternehmer B. Braun wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Thema äußern.