Für die Allianz war die Verteidigungsaktion vom Mittwoch «äusserst erfolgreich». Warum aber wurde nur ein Fünftel der russischen Drohnen abgeschossen?

Der polnische Staatspräsident Karol Nawrocki besucht am Tag nach dem Drohnenangriff eine Luftwaffenbasis. Der polnische Staatspräsident Karol Nawrocki besucht am Tag nach dem Drohnenangriff eine Luftwaffenbasis.

Lukasz Cynalewski / Reuters

Der Mittwoch dieser Woche hätte in der Brüsseler Blase ganz der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen und ihrer langerwarteten «Rede zur Lage der Union» gewidmet sein sollen. Doch dann drangen über Nacht rund zwanzig Drohnen russischen Ursprungs in den Luftraum Polens ein – und das Thema des Tages, ja der Woche war plötzlich ein ganz anderes.

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Nato-Vertreter kommunizierten, dass man im Verbund mehrere Flugkörper abgeschossen habe. Polen, eines der bedeutsamsten Mitglieder der Verteidigungsallianz, rief sogleich Artikel 4 des Nordatlantikvertrags an. Es war erst das achte Mal in der 76-jährigen Nato-Geschichte, dass dieser Konsultationsmechanismus aktiviert wurde. Noch am selben Tag traten die Alliierten zusammen.

Was sie dabei diskutierten, wurde zunächst nur oberflächlich bekannt. Am Freitagabend gaben der Generalsekretär Mark Rutte und der Oberbefehlshaber Alexus Grynkewich dann ein paar Elemente mehr preis. Wichtigste Neuigkeit: Die Nato-Ostflanke wird weiter verstärkt. Die Operation namens «Eastern Sentry» («östlicher Wachposten») soll «sowohl traditionelle Fähigkeiten als auch neuartige Technologien» umfassen, sagte Rutte. Im Zentrum steht der Kampf gegen Drohnen.

Der Nato-Generalsekretär Mark Rutte (rechts) und der Nato-Oberbefehlshaber Alexus Grynkewich an einer Pressekonferenz zwei Tage nach dem Drohnenüberfall. Der Nato-Generalsekretär Mark Rutte (rechts) und der Nato-Oberbefehlshaber Alexus Grynkewich an einer Pressekonferenz zwei Tage nach dem Drohnenüberfall.

Omar Havana / Reuters

«Rücksichtslos und nicht akzeptierbar»

Ob Russland den Angriff auf Polen beabsichtigt hatte oder ob er eigentlich der Ukraine gegolten hätte, ist für die Nato noch nicht klar. Wie schon am Mittwoch sagte Rutte, dass die Abklärungen im Gang seien. So oder so sei das Verhalten Russlands «rücksichtslos und nicht akzeptierbar». Der Niederländer sagte auch, dass noch nicht feststehe, ob die Nato das Resultat der Analyse veröffentlichen könne, wenn es dereinst vorliegt.

Über Umfang und Auftrag der neuen Mission wollten Rutte und Grynkewich – wohl aus militärtaktischen Gründen – keine genauen Angaben machen. Sowohl bodengestützte Operationen als auch solche aus der Luft seien geplant. Der unmittelbare Fokus gelte Polen, aber man werde «flexibel und agil» sein, so der Oberbefehlshaber. Die Kräfte würden stets dort eingesetzt, wo sie am meisten gebraucht würden.

Einige Bündnispartner haben gemäss der Nato bereits damit begonnen, zusätzliche Truppen und Fähigkeiten bereitzustellen. Zusicherungen für Kampfjets kommen etwa aus Deutschland (vier Eurofighter), Frankreich (drei Rafale) und Dänemark (zwei F-16). Auch Grossbritannien wird sich beteiligen und damit das bestehende Abwehr- und Abschreckungsdispositiv verstärken. «Weitere Staaten werden bald folgen», gab sich Rutte zuversichtlich.

Wie stark ist das amerikanische Bekenntnis?

Grynkewich sagte, dass die Operation noch am Freitagabend starten werde, aber etwas Zeit brauche, bis sie voll funktional sei. Auf die Frage, inwiefern die USA – das mit Abstand mächtigste Mitglied der Allianz – beteiligt seien, antwortete der amerikanische General lediglich: «Ich bin hier – und ich bin involviert. Das amerikanische Bekenntnis zur Militärstruktur der Allianz ist unverändert.» Dass beim Abschuss der Drohnen keine amerikanischen Streitkräfte involviert gewesen seien, sei einzig auf die Planung und die Rotation der Truppen zurückzuführen, so Grynkewich.

Wie schon am Mittwoch betonte Rutte auch am Freitag nochmals, dass die Reaktion auf den Drohnenüberfall «äusserst erfolgreich» gewesen sei. Den Einsatzkräften dankte er ausdrücklich für ihren «entscheidenden Beitrag». Aber kann es wirklich als Erfolg gewertet werden, wenn nur rund ein Fünftel der Drohnen auch wirklich abgeschossen worden ist, zumal die von den Nato-Partnern eingesetzten Mittel ein Vielfaches der russischen Fluggeräte gekostet haben?

General Grynkewich war hier zurückhaltender als der Sonnyboy Rutte. Auch er wertete die Aktion vom Mittwoch positiv, räumte jedoch ein, dass man «immer etwas dazulernen» könne. Dazu gehöre, wie man die Auswahl der eingesetzten Mittel optimiere. Der Oberbefehlshaber sagte aber auch: «Wenn meine Leute in der Luft oder am Boden agieren, sollen sie nicht daran denken, was ihre Waffen kosten – sondern daran, wie sie unsere Bürger verteidigen können.»